Mittelschwaebische Nachrichten
So pendelt die Region
Immer mehr Menschen fahren viele Kilometer zu ihrer Arbeitsstelle. Das muss nicht zu stressig werden
Augsburg Täglich zeigt sich ein ähnliches Bild auf vielen Hauptverkehrsrouten der Region. Ein Auto reiht sich an das nächste, im Schritttempo geht es von einer roten Ampel zur anderen. In den Hauptverkehrszeiten morgens und abends herrscht Tag für Tag oft Ausnahmezustand auf den Straßen. Das hat einen einfachen Grund: Sechs von zehn Deutschen pendeln mittlerweile zu ihrer Arbeitsstelle (wir berichteten). Das sind so viele wie nie zuvor.
Nach einer Auswertung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung sind die Zahlen der Berufspendler bundesweit in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. 2015 arbeiteten demnach 60 Prozent der Deutschen außerhalb ihrer Gemeinde. Im Jahr 2000 waren das noch 53 Prozent.
Auch in der Region sind die Zahlen der Pendler in den vergangenen Jahren gestiegen. Peter Lintner, Experte für Standortpolitik bei der Industrieund Handelskammer (IHK) Schwaben, sagt: „Das ist interessant, besonders weil der Bewerbermarkt in der Region fast leer gefegt ist.“Angesichts dieser Tatsache könnte der Eindruck entstehen, Arbeitnehmer suchen sich eine Stelle in der Nähe ihres Wohnorts. Doch die Zahlen zeigen: Das Gegenteil ist der Fall. Im Kreis Augsburg gibt es nach Zahlen der IHK etwa 60000 Auspendler, also Menschen, die über die Landkreisgrenze hinaus zu ihrer Arbeitsstelle fahren. Rund 4500 davon sind in die Pendlerhauptstadt München unterwegs. Hinzu kommen noch rund 8600 München-Pendler aus der Stadt Augsburg.
Im Landkreis Günzburg orientiert sich ein Großteil (5500) der 16 400 Pendler nach Ulm und in den Landkreis Neu-Ulm. Aus dem Unterallgäu pendeln etwa 26200 Arbeitnehmer, wobei 10 700 in die Stadt Memmingen fahren.
Von den rund 23 000 Pendlern aus dem Landkreis Landsberg am Lech fahren gut 6600 in die Landeshauptstadt und etwa 2900 in die Stadt und den Landkreis Augsburg. „Die Menschen werden immer mobiler“, sagt IHK-Experte Lintner. Täglich 100 oder 200 Kilometer zur Arbeitstelle zurückzulegen sei heute einfacher als vor wenigen Jahrzehnten. Das liegt am Ausbau der Infrastruktur. Autobahnen und Zugstrecken sind heute deutlich besser ausgebaut. Beschäftigte müssen aber auch innerhalb ihres Unternehmens den Standort wechseln oder suchen sich rascher als früher einen neuen Arbeitgeber.
Lintner unterscheidet zwischen labilen und stabilen Pendlerräumen. Stabil sei zum Beispiel die Pendlerbeziehung zwischen Augsburg und München. Aufgrund der geografischen Lage sei davon auszugehen, dass sich auch in Zukunft viele Pendler zwischen den beiden Städten bewegen werden. Eine labile Pendlerbewegung ist deutlich unbeständiger. Als Beispiel nennt Lintner die Region Nordschwaben. Noch in den 70er Jahren habe das Gebiet als wirtschaftlich schwach gegolten. Damals seien viele Menschen in die Großstädte zur Arbeit gependelt oder umgezogen. Heute hat Nordschwaben aber eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten in Deutschland. Es finden also mehr Menschen vor Ort eine Arbeit.
Und wie sieht der typische Pendler aus? Er ist männlich, gebildet und finanziell gut gestellt. Darauf verweist Stephan Mayer, Sprecher der Technischen Krankenkasse (TK) Bayern. Die TK hat untersucht, wie sich der tägliche Weg zur Arbeit auf die Gesundheit auswirkt. „Pendeln kann Stress sein“, sagt Mayer. Zwar seien Pendler nicht unbedingt häufiger krankgeschrieben. Sie leiden aber oft an psychischen Krankheiten wie Burn-out oder Depression.
Entscheidend für das Stress-Level der Pendler ist nicht die Fahrtzeit. „Es kommt darauf an, ob die Zeit sinnvoll genutzt werden kann“, meint Mayer. Wer im Zug auf dem Weg zur Arbeit am Laptop seine Mails checkt, nutze seine Zeit und sei weniger gestresst als Autofahrer vor roten Ampeln. Wer dennoch nicht auf das Autofahren verzichtet, für den hat Mayer einen Tipp: „Bilden Sie Fahrgemeinschaften. Wer in der Gruppe reist, kommt meist entspannter bei der Arbeit an.“
Der typische Pendler ist männlich und gut gebildet