Mittelschwaebische Nachrichten
Friedensmesse trifft nicht überall auf offene Ohren
Warum Daniel Böhm und seine Schwäbische Chorgemeinschaft dankbar sind, das Werk in Ichenhausen aufführen zu können
Ichenhausen Man darf gespannt sein auf die Friedensmesse „The Armed Man“des walisischen Komponisten Karl Jenkins. Am kommenden Wochenende wird sie in der Ichenhauser Pfarrkirche erklingen – das ist keine Selbstverständlichkeit, wie Chorleiter Daniel Böhm weiß. Das Auftragswerk zur Jahrtausendwende ist ein Antikriegsstück, beruhend auf Texten der katholischen Liturgie, die aber ausgeweitet werden auf die anderen großen Religionen, Judentum und Islam. Der interreligiöse Ansatz des Werkes, in dem auch ein jüdischer Kantor und ein muslimischer Muezzin beteiligt sind, stößt nicht überall auf offene Ohren.
Toleranz und Offenheit durften Chorleiter Böhm und seine Schwäbische Chorgemeinschaft insbesondere in Ichenhausen und der Region erfahren. Die Pfarrkirche Ichenhausen als Aufführungsort einer Messe mit Komponenten anderer Weltreligionen, stellte für den zuständigen Prämonstratenserpater Jonas Schreyer kein Problem dar. Ebenso erklärte sich das evangelische Dekanat Neu-UIm zur Mithilfe bereit, als Böhm eine evangelische Pfarrerin für ein Gesangssolo suchte. Selbstverständlich? Leider nicht.
Denn in Augsburg, wo das Werk ebenfalls aufgeführt wird, traf Böhm nicht auf offene Türen. Im Gegenteil: „Ich hätte nie gedacht, dass mir bei der Aufführung einer Friedensmesse solche Steine in den Weg gelegt werden. Obwohl ich schon gehört hatte, dass manche Veranstalter Ärger bekommen hatten.“Die zunächst ausgesuchte katholische Kirche Herz Jesu machte einen Rückzieher. Bei der evangelischen St. Ulrich Kirche wollten Dekanat und Regionalbischof ein Veto einbringen, mussten sich aber der Entscheidung des Kirchenvorstands beugen. Die Aufführung am Sonntag konnte stattfinden.
Die Schwäbische Chorgemeinschaft präsentiert die Friedensmesse für Toleranz und Offenheit gemeinsam mit Solisten, Orchestern und Chören. Auch der türkische Chor „Sultan y yegah“und der Schulchor des Augsburger Rudolf Diesel Gymnasiums haben ihren Part. Dem angefragten Schulchor eines kirchlichen Gymnasiums sei von einer Beteiligung abgeraten worden, habe er erfahren. Mit dabei sind dagegen der Mozartchor Augsburg, die am Tag darauf offiziell ihr neues Amt in Ichenhausen antretende evangelische Pfarrerin Christa Auernhammer, der ehemalige Abt von St. Stephan, Pater Emmeram Kränkl, der jüdische Kantor Nikola David und der Solist aus dem türkischen Chor.
Ganz neu konzeptioniert
Daniel Böhm hat die Jenkins-Messe neu konzeptioniert. Durch Soloparte werden die drei Weltreligionen einzeln gewürdigt. Eine neue Intonation des Lutherchorals „Ein feste Burg sei unser Gott“soll das im Laufe der Jahrhunderte immer wieder missbräuchlich genutzte Werk auf seine eigentliche Botschaft zurückführen. Ökumenisch wird die Melodie von Pater Emmeram zunächst auf der Bratsche intoniert, dann folgt der Sologesang der Pfarrerin und der Schülerchor. Die letzte Strophe dürfen auch die Besucher mitsingen. Das Werk ist voller Querverweise und Symbole. Schauspieler Fred Strittmatter wird Lessings Ringparabel vortragen, die literarische Forderung nach Toleranz schlechthin. Mit Bert Brechts AntiKriegs-Aufsatz über das Horaz-Zitat vom süßen und ehrenvollen Sterben für das Vaterland geht Böhm über den Originaltext hinaus.
Ein weiterer Part der Friedensmesse setzt sich im „Chanson de Caronne“mit der Verweigerung des Kriegsdienstes auseinander. Die hatten französische Soldaten bereits 1917 nach einer sinnlosen Offensive bei Caronne geübt. Die Meuterer texteten ein aufmüpfiges Streiklied auf einen beliebten Schlager. Die impressiven Stücke von Jenkins und die spannenden Ergänzungen werden durch Lichtregie und teilweise szenische Ausführungen lebendig.
Böhm hofft, mit dem interreligiösen Werk einen Beitrag für Toleranz und Frieden leisten zu können. Die Chorgemeinschaft will mit der Öffnung für neue Kulturen auch neue Hörerkreise erschließen. Ichenhausen und Augsburg, so Böhm, sind bestens geeignete Aufführungsorte: die Stadt mit der einst großen jüdischen und heute großen türkischen Gemeinde und die Stadt des Religionsfriedens. Hans Maier, Ex-Kultusminister und Vorsitzender des Zentralkomitees deutscher Katholiken hat eine Patenschaft angenommen und seinen Besuch in Ichenhausen angekündigt.
Konzert in der Pfarrkirche St. Johan nes Baptist, Ichenhausen, Samstag, 6. Mai, 20 Uhr.