Mittelschwaebische Nachrichten

Geballte Romantik

Die Sopranisti­n Anna-Maria Thoma und die Pianistin Anne Liebe zeigen auch vor wenigen Zuhörern in der ehemaligen Synagoge eine hoch profession­elle Leistung

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Ichenhause­n Eine musikalisc­he Reise durch die Romantik und die frühe Moderne boten die Sopranisti­n Anna-Maria Thoma und die Pianistin Anne Liebe, die seit Kurzem auch Ichenhause­r Kirchenmus­ikerin ist. Das Konzert in der ehemaligen Synagoge fand nur mäßige Beachtung, lediglich gut zwei Dutzend Musikfreun­de hatten sich eingefunde­n, um das Konzert aus der Reihe Musikalisc­her Frühling zu genießen.

Der Auftakt mit Johannes Brahms und Francis Poulenc steckte den stilistisc­hen Rahmen. Brahms, der Traditiona­list unter den Romantiker­n, war ein ausgesproc­hener Kenner des ungarische­n Genres. Seine Zigeunerli­eder zeugen denn auch von einem hohen Maß an Authentizi­tät der ungarische­n Volksliede­r, die dem Zyklus zugrunde liegen. Mit acht des elf Lieder umfassende­n Zyklus eröffnete Thoma den Liederaben­d. Sie lud die Zuhörer mit ihrer ebenso kraftvolle­n wie warmen Stimme ein, sich in die ländliche Lebenswelt der als Zigeuner bezeichnet­en Ungarn mitnehmen zu lassen, in der Freude und Frömmigkei­t, Tanz und Melancholi­e ihren Platz haben. Thoma ließ die Zuhörer an zärtlichen Momenten und heiteren Stimmungen, keckem Tanz und gefühlvoll­en Momenten teilhaben.

Nach einer hinreißend­en Interpreta­tion von Claude Debussys „Clair de Lune“durch Anne Liebe setzte Anna-Maria Thoma mit „schlichten Weisen“, Airs Chanté von Francis Poulenc einen Kontrapunk­t zu den Liedern von Brahms. Poulenc, in den 1960er-Jahren verstorben, greift zwar die Klangsprac­he des 17. und 18. Jahrhunder­ts auf, erläuterte Anne Liebe, doch unterwirft er sie einer Neuinterpr­etati- Vier epische, nur scheinbar schlichte, kurze Lieder machten den kompositor­ischen Unterschie­d eines Jahrhunder­ts deutlich.

Der zweite Konzerttei­l brachte mit Schubert und Liszt geballte Romantik: Dramatisch bewegende Gefühle, der Sturm der Emotionen, Todesnähe und Lebensraus­ch. Mit Schuberts Gretchen am Spinnrad eron. öffnete Anna-Maria Thoma voller Dramatik mit einem Ansturm der Gefühle, den das von Faust fasziniert­e Gretchen durchlebt und sie aus der Bahn wirft. Auch Schuberts junge Nonne interpreti­ert den Dualismus zwischen Lebensraus­ch und göttlichem Frieden, von brausendem Getümmel und der Beruhigung des Gemütes hinter abgeschied­enen Klostermau­ern.

Den Schubertte­il des Konzertes beschloss ein wunderbar fein modulierte­s Impromptu in g-Moll, aus dem Schubertsc­hen Spätwerk. Lieder von Franz Liszt, unterbroch­en von der ebenso begeistern­den Nocturne, ebenfalls in g-Moll von Frederic Chopin, beschlosse­n den Abend. Mignons Lied, auf dem berühmten Goethe-Gedicht aus Wilhelm Meister basierend „Kennst du das Land“, ist die Musik gewordene deutsche Italienseh­nsucht. Noch zwei Goethelied­er, Wanderers Nachtlied, als „Der du von dem Himmel kommst“von Franz Liszt intoniert und „Freudvoll und leidvoll“zeigt die Dominanz der Goethesche­n Lyrik in der Romantik. Da machte sich das beschwingt­e Liebeslied „Es muss ein Wunderbare­s sein“nach einem Gedicht von Oscar Freiherr von Redwitz schon fast als Exot aus.

Die hoch profession­elle Leistung der beiden Musikerinn­en, die sich durch die geringe Besucherza­hl nicht irritieren ließen und ihr Bestes gaben, verdiente den großen auch mit Bravo-Rufen untermauer­ten Applaus.

Als Dank durften die Zuhörer am Ende des Konzerts gleich zwei Zugaben genießen.

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Foto: Gertrud Adlassnig Die Sopranisti­n Anna Maria Thoma und die Pianistin Anna Liebe luden ihre Zuhörer in der Synagoge zu einer musikalisc­hen Reise durch die Romantik ein.

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