Mittelschwaebische Nachrichten
Der grüne Diesel Fan
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hofft auf eine Nachrüstung der Fahrzeuge, um so Fahrverbote zu vermeiden. Der Kurs ist in seiner Partei umstritten
Stuttgart Die Sätze sind vor langer Zeit gefallen, aber sie hängen ihm nach: Als Winfried Kretschmann vor sechs Jahren Regierungschef in Baden-Württemberg wurde, drohte der Grüne der Automobilbranche mit schärferen Klimaschutzbestimmungen, weil „ambitionierte Auflagen wie eine Innovationspeitsche wirken“. Das kam schlecht an im Autoland Baden-Württemberg.
Inzwischen hat Kretschmann alles dafür getan, sein Verhältnis zu Daimler, Porsche und Co zu verbessern – ungeniert lässt er sich bei Terminen mit Auto-Managern ablichten. Und längst stimmt er versöhnlichere Töne an. Zuletzt sagte der Grüne sogar zum Zorn mancher Partei-Freunde: „Ich bin ein Freund des Diesels.“Damit bezog der Regierungschef klar Position in der aktuellen Debatte um mögliche Fahrverbote in Stuttgart. Und zuletzt ließ Kretschmann verlauten, er hoffe auf wirksame Nachrüstungen von Diesel-Autos. Dann wären Fahrverbote wohl überflüssig. Die Autoindustrie bewege sich bei dem Thema, meint Kretschmann zu erkennen. Er erinnert aber auch immer wieder daran, dass BadenWürttemberg aufgrund der vorgegebenen EU-Grenzwerte und Gerichtsentscheidungen gezwungen sei, gegen dreckige Luft etwas zu tun. Kretschmann betont, Fahrverbote seien kein Selbstzweck. „Wir wollen ja keine Fahrverbote. Wir wollen saubere Luft.“Wenn das Ziel auf andere Weise zu erreichen sei, werde die Regierung von Fahrverboten Abstand nehmen.
Die grün-schwarze Landesregierung hatte beschlossen, dass Fahrverbote an Tagen mit hoher Luftverschmutzung ab 2018 in Stuttgart möglich sein sollen. Werden die von der Europäische Union vorgegebenen strengen Grenzwerte gerissen, drohen Strafzahlungen.
Hinzu kommen eindeutige Befunde, dass die schlechte Luft in der Stadt den Menschen schadet: Nach Angaben des Umweltbundesamtes gingen von 2007 bis 2013 allein in Deutschland im Durchschnitt jährlich rund 46000 Todesfälle auf die Belastung mit Feinstaub zurück. Stickstoffdioxid wiederum reize die Atemwege, beeinträchtige die Lungenfunktion und führe zu chronischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Zuletzt erklärten aber sowohl Kretschmann als auch sein Vize Thomas Strobl (CDU), dass Verbote nur das letzte Mittel seien – wenn andere Maßnahmen zur Einhaltung der Grenzwerte nicht ausreichten.
Tatsächlich wuchs nach der Ankündigung der Fahrverbote der Druck auf den grünen Ministerpräsidenten. Daimler-Chef Dieter Zetsche hielt ebenso wenig mit Kritik hinter dem Berg wie der sonst zurückhaltende Bosch-Aufsichtsrat
Heilsamer Druck ist für die deutsche Autoindustrie ein Segen. Von sich aus würden die Hersteller derzeit nicht ein derartiges Innovations-Tempo an den Tag legen. Sie werden vielmehr von mehreren Seiten gehörig unter Druck gesetzt, Autos zu bauen, die Umwelt und Gesundheit nicht über Gebühr belasten. Dabei gibt es zwei besonders interessante Druckzentren.
Das eine ist China. Dort weist die Luft in Metropolen eine so schlechte Qualität auf, dass Menschen zum Teil krank werden, was immer wieder zu Protesten unter der Bevölkerung führt. Und eines können die Kommunisten partout nicht ausstehen: Menschen, die öffentlich Unmut kundtun. Deshalb legen die Funktionäre mit Nachdruck den Autoherstellern nahe, endlich die Wende zur Elektromobilität