Mittelschwaebische Nachrichten
Der Wanger Schors auf den Spuren von Karl von Drais
Georg Rößle aus Schönebach baute das „Urfahrrad“aus dem Jahr 1817 nach. Und dann gab es noch eine besondere „Jungfernfahrt“
Ziemetshausen/Schönebach Der beschauliche kleine Ziemetshauser Ortsteil Schönebach gelangte vor zwei Jahren durch den asiatischen Laubholzbockkäfer in die Schlagzeilen der Medien und wurde so bundesweit bekannt. Nicht in diesem Ausmaß, aber für die Schönebacher und die nähere Umgebung hat der „Wanger-Schors“einen ebenso nicht unbedeutenden Bekanntheitsgrad. Unter seinem offiziellen Namen Georg Rößle wird der waschechte Schönebacher nur in der Einwohnerstatistik und im Telefonbuch geführt, ansonsten kennen ihn seine Mitbürger mit seinem Hausnamen „Wanger-Schors“.
Diese Bezeichnung geht zurück auf seinen Beruf als Wangler, einem Handwerk, das es heute so gut wie nicht mehr gibt. Der Wangler war in Zeiten, als die Bauern noch mit Kuh- oder Pferdefuhrwerk ihre Felder bewirtschafteten, in unserer Gegend in vielen Orten anzutreffen und hat auch in Schönebach eine lange Tradition.
Er war vor allem bei den Landwirten eine gefragte Anlaufstelle, fertigte er doch die zum Transport benötigten Leiterwagen, deren Räder oder sonstigen Zubehörteile in seiner Werkstatt an. Reparaturen der aus Holz hergestellten Teile fielen ebenso in den Zuständigkeitsbereich des Wanglers.
Auch manches Holzwägelchen für den privaten Gebrauch trägt sein Handzeichen. Neben handwerkli- chem Können, nur mit einfachen technischen Hilfsmitteln ausgestattet, waren in diesem Beruf Einfallsreichtum und Fleiß gefragt.
So kam es nicht von ungefähr, dass der „Wanger-Schors“als Tüftler auch schwierige Probleme beheben konnte. Seinen Ideenreichtum hat er bis heute mit 82 Jahren erhalten und neulich in die Tat umgesetzt. Inspiriert von den Berichten über die 200-jährige Geschichte des Fahrrades und die damalige Erfindung durch Freiherrn Karl von Drais aus Karlsruhe, erwachte in ihm der Wunsch, diese Urform des heutigen Fahrrades nachzubauen.
Als Vorlage dienten ihm lediglich die vorhandenen Fotos und in viertägiger Arbeit entstand in seiner Werkstatt die „Laufmaschine“, wie sie von Drais bezeichnete. Als Material verwendete Rößle Eichenholz, die Laufräder mit Holzspeichen, mit Eisenreifen beschlagen, verleihen dem Gefährt eine solide Stabilität und ein ansprechendes Aussehen.
Mit einer parallel zum „Rahmen“verlaufenen Stange ist es natürlich auch lenkbar und außerdem „bergauf schneller als ein Mensch im Laufschritt, auf der Ebene bei trockenen Wegen schnell wie ein Pferd und bergab schneller als ein Pferd im Galopp“, wie es bereits von Drais in seiner Patentanmeldung beschrieb.
Rößle glaubt nicht, dass sein Laufrad in Serie geht, er will es lieber als Prototyp belassen. Seine „Jungfernfahrt“führte ihn nach Maria Vesperbild, wo die Draisine bei der Fahrzeugsegnung eine besondere Attraktion darstellte und von vielen Besuchern bestaunt wurde.