Mittelschwaebische Nachrichten
Man schlägt sich, man verträgt sich
Ein 35-Jähriger verprügelt seine Freundin und zwingt sie, Pornos anzusehen. Sie soll ihn mit einem anderen betrogen haben. Als sie sich vor Gericht treffen, sind sie trotzdem noch ein Paar
Günzburg Vor Gericht als Zeuge auszusagen, ist immer schwer. Man muss Dinge, die teils schon Jahre zurückliegen, so genau wie möglich wiedergeben. Wer Opfer eines Verbrechens wurde, muss das Erlebte noch einmal durchleben. Wenn der eigene Partner der Täter ist, ist es für Zeugen noch schwieriger. Kein Wunder also, dass die kleine, blonde Frau auf dem Zeugenstuhl am Amtsgericht Günzburg irgendwann zu weinen beginnt. Sie soll aussagen, was ihr Freund ihr in einer Nacht im Juli 2016 angetan hat. Ihr Freund, das ist der hochgewachsene Mann mit dem dunklen Bart, der auf der Anklagebank sitzt. Immer wieder werfen sie sich Blicke zu, mal irritiert, mal bestärkend.
Es war Eifersucht, die den heute 35-Jährigen damals komplett ausrasten ließ. Nicht zum ersten Mal haben die beiden an diesem Abend Streit. Sie soll ihn mit einem anderen Mann betrogen haben. Auf der Heimfahrt von einem Fest konfrontiert der Angeklagte seine Freundin mit dem Vorwurf, sie beschimpfen sich. Schließlich wirft sie ihn am Günzburger Bahnhof aus dem Auto. Er nimmt ein Taxi zur gemeinsamen Wohnung in Burgau. Dort eskaliert in den frühen Morgenstunden der Streit.
Der Mann zerrt die damals 28-Jährige aus dem Bett und in den Nebenraum zu einem Computer. Laut Anklage zwingt er sie, sich dort Pornos anzusehen. Angeblich, so sagt der Angeklagte, seien es Beiträge auf der Website „Tumblr“gewesen, die seine Freundin selbst dort geteilt habe. So hätten sie sich über sexuelle Vorlieben ausgetauscht. „Es gab Zeiten, da hat man darüber noch miteinander geredet“, kommentiert Richter Walter Henle trocken.
An Sex hat die junge Frau in der damaligen Situation aber sicher nicht gedacht. Ihr Freund zieht ihr mit Gewalt Hose und Unterhose aus, drückt sie zu Boden und schlägt ihr auf das Gesäß. Er werde mit ihr dasselbe machen, „wie die im PC“, soll der Mann gesagt haben. Zu einer Vergewaltigung kommt es zwar nicht. Doch auch danach lassen die beiden nicht voneinander ab. Der schlägt seine Freundin mit dem Kopf mehrfach gegen einen Stromkasten und schmettert aus Wut ihre Tasche zu Boden, sodass ihr Mobiltelefon zu Bruch geht. Dass er mit einem Messer in der Hand droht, sich und die Frau umzubringen, dieser Vorwurf wird im Laufe des Prozesses fallengelassen.
Als dann ein Nachbar klingelt, flieht die Frau zu einer Arbeitskollegin. Wenig später erstattet sie Anzeige bei der Polizeiinspektion in Burgau. Die junge Frau trägt Verletzungen an Hals, Oberarmen, Handgelenk, Brust, Becken, Schulter, Gesäß und am Schädel davon.
Ob sie es für eine gute Idee halte, trotz dieser Tortur immer noch mit dem Angeklagten zusammen zu sein, will Richter Henle von der 29-Jährigen wissen. Doch die Frau sucht die Schuld bei sich selbst. Schließlich habe sie ihn betrogen. „Er war an diesem Abend nicht bei Sinnen. Wir haben geredet, er hat sich entschuldigt. Seitdem war nie wieder was. Ich habe ihm verziehen.“
Ein Blick ins Vorstrafenregister des Mannes zeigt, was ihn in jener Nacht vielleicht so weit getrieben hat. Insgesamt vier Mal wurde er bereits wegen Drogenmissbrauchs verurteilt, verstieß dabei zwei Mal gegen bestehende Bewährungsauflagen. Bisher kam er mit Geld- und Bewährungsstrafen davon. Und so bleibt es auch in diesem Fall. Weil die Ermittler es damals versäumten, eine Blutprobe zu entnehmen, kann ein möglicher Drogeneinfluss nicht nachgewiesen werden.
Der Richter verhängt eine Bewährungsstrafe von zehn Monaten und folgt der Forderung von VerteiMann diger Matthias Egger. Die Staatsanwältin hatte ein Jahr und zehn Monate ohne Bewährung gefordert. Dass der 35-Jährige auf freiem Fuß bleiben darf, hat er laut Henle nur der Tatsache zu verdanken, dass er bisher nicht wegen Gewalttaten auffällig war. Auch dass seine Freundin und er sich wieder versöhnt haben, fällt ins Gewicht. Dass der Angeklagte damals auch alkoholisiert war, spielt keine Rolle. Ein Gutachter sieht keine verminderte Schuldfähigkeit aufgrund der etwa 1,1 Promille Atemalkohol, die er zur Tatzeit gehabt haben dürfte. Als Teil der Bewährungsauflagen muss der Mann, der als Geschäftsführer eines Günzburger Unternehmens gutes Geld verdient, 1500 Euro an die Caritas zahlen. Wie seine Beziehung das Urteil verkraftet, steht auf einem anderen Blatt.