Mittelschwaebische Nachrichten
Zimmermüll
Wer dachte, in dem schönen Wort „Reiseabfälle“, das sich an manchen Autobahnrastplätzen findet, sei die höchste Ausdifferenzierung des Müllwesens gefunden, sieht sich getäuscht.
So wie wir täglich neuen Müll produzieren und in gelbe, grüne, braune, blaue, graue und schwarze Tonnen, Container und Säcke werfen, so fallen auch zwangsläufig neue Müllwörter an. Während, was die stoffliche Eigenheit von Abfall angeht, alles bis hin zur manischen Pedanterie der Wertstoffhöfe getrennt und ausgeschildert ist (Alu, Kunststoff, Pappe, Glas, Papier, Grünschnitt…), bleibt sprachschöpferisch noch Raum, was die Herkunfts- und Entstehungsorte von Müll betrifft. Wir kennen die Gartenabfälle und die Küchenabfälle. Sogar von Badmüll hat man schon gehört.
Nun aber, an einer Müllpresse im Hinterhof eines Wohnheims, ist dieses Hausmeisterwort aufgetaucht: Zimmermüll. Nur für Zimmermüll. Als werfe man einen Blick in einen transparenten Abfallsack, tauchen sofort Bilder dazu auf. Man sieht zerknüllte Papiere, Pizzaschachteln, braune Zimmerpflanzenblätter, leere Knabberzeugtüten, Kippen, Socken mit Löchern, ein paar leere Flaschen, Kugelschreiber, zerbrochene CD. Nur wer sich das Alltagsleben in einem Zimmer vorstellen kann (wie Zimmermädchen oder eben Hausmeister von Wohnheimen), ist in der Lage, den Müll einzuschätzen, der dabei produziert wird. Niemand denkt bei Zimmermüll an große Mengen, an Ekelhaftes, Sperriges oder gar Wertvolles. Zimmermüll ist gleichsam Abfall in Zimmerlautstärke, ist Abfall in seiner beiläufigsten und banalsten Form, wie das Zeug, das sich in Autos und Manteltaschen und Büroschubladen ansammelt. Andere Gewichtsklasse, kein Vergleich zum Hausmüll.