Mittelschwaebische Nachrichten

Für Erdogan ist er ein Staatsfein­d

Politik Ercan Karakoyun ist Sprecher der Gülen-Bewegung in Deutschlan­d. Bei seinem Besuch in Günzburg erklärt er, welche Ziele Hizmet verfolgt

- VON WALTER KAISER

Günzburg Es ist noch nicht lange her, da musste Ercan Karakoyun unter Polizeisch­utz auftreten. Er ist einer der Sprecher von Hizmet in Deutschlan­d, besser bekannt als Gülen-Bewegung. Spätestens seit dem Putschvers­uch vom Juli vergangene­n Jahres gilt der Prediger Fethullah Gülen dem türkischen Präsidente­n Erdogan als Drahtziehe­r und damit als Staatsfein­d Nr. 1. Zahlreiche Morddrohun­gen hat auch Karakoyun erhalten, andere Gülen-Anhänger wurden beschimpft und beleidigt. In der Türkei wurden Tausende von ihnen verhaftet, aus dem Staatsdien­st entlassen oder schikanier­t. Was ist die Gülen-Bewegung, was sind ihre Ziele? Darüber sprach Karakoyun im gut besuchten Kolping-Saal in Günzburg. Hizmet ist auch im Landkreis vertreten – mit dem Verein Aktiv in Günzburg und der Mindeltals­chule in Jettingen.

Hizmet heißt Engagement. „Wir engagieren uns in der deutschen Gesellscha­ft, wir haben viel von diesem Land bekommen“, erklärt Karakoyun, der in Deutschlan­d geboren und nach dem Abitur Raumplanun­g und Soziologie studiert hat. „Dafür wollen wir etwas zurückgebe­n.“Getreu einem Wort des Propheten: „Wir wollen anderen Menschen von Nutzen sein.“

Oberste Priorität habe dabei die Bildung, der Schlüssel zum Ver- ständnis von Demokratie, Rechtsstaa­tlichkeit, Toleranz und Kritikfähi­gkeit. Hizmet unterhalte deshalb Schulen wie in Jettingen, Nachhilfee­inrichtung­en wie Aktiv in Günzburg und Vereine, in denen der interrelig­iöse und interkultu­relle Dialog gepflegt werde. „Insgewurde samt gibt es in Deutschlan­d etwa 300 Institutio­nen und rund 150 000 Menschen, die sich der Bewegung zurechnen.“Die Gülen-Bewegung ist seit den 1990er-Jahren in Deutschlan­d aktiv. Wahrgenomm­en wurde sie kaum. Das änderte sich nach dem gescheiter­ten Putsch und den anschließe­nden, von Erdogan als „Säuberunge­n“bezeichnet­en Willkürakt­en. Über die Ziele von Hizmet ist aber noch immer wenig bekannt.

Die Bewegung habe es früher versäumt, in die Öffentlich­keit zu gehen und zu informiere­n, übte Karakoyun Selbstkrit­ik. Das soll künftig besser werden. Im Gegensatz zu Erdogan träten Gülen, der seit Jahren im Asyl in den USA lebt, und seine Anhänger für Demokratie und Religionsf­reiheit, für Toleranz und die Rechte von Minderheit­en ein. Ebenso für die Trennung von Staat und Religion. Karakoyun: „Glauben braucht Freiheit. Ein Staatsisla­m ist ein Widerspruc­h in sich selbst.“Eine Geisteshal­tung, die in den meisten islamisch geprägten Ländern leider nicht selbstvers­tändlich sei.

Hizmet sei eine soziale, aber auch eine religiöse Bewegung, erklärte Karakoyun in der von der Augsburger Journalist­in Stefanie Schoene moderierte­n Diskussion. Ob an den Schulen, etwa in Jettingen, dann auch missionier­t werde, wollte ein Besucher wissen. Der Redner verneinte das.

An den Schulen gebe es keinen Religions-, sondern Ethikunter­richt. „Wir bieten einen säkularen Unterricht nach den staatliche­n Vorgaben.“In nicht wenigen Schulen seien muslimisch­e Kinder sogar in der Minderheit.

In der Nacht des Putschvers­uchs wurden die Fenstersch­eiben des Hauses von Aktiv am Günzburger Marktplatz mit Eiern beworfen, tags darauf fand vor dem Gebäude eine Demonstrat­ion von ErdoganAnh­ängern statt. Polizeisch­utz hatte Ercan Karakoyun bei seinem Auftritt am Donnerstag­abend in Günzburg nicht. „Die Lage hat sich etwas entspannt“, erklärte Ertan Altintas, der Vorstandsv­orsitzende von Aktiv. Die Polizei habe aber zugesagt, verstärkt Streife rund um das Kolpinghau­s zu fahren. Immerhin sagte Karakoyun zu den Besuchern: „Es ist mutig, dass Sie sich hier zeigen.“

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Foto: Kaiser Was ist und was will die Gülen Bewegung, die vom türkischen Präsidente­n Erdogan mit harter Hand verfolgt wird? Darüber sprach der Buchautor Ercan Karakoyun (links) in Günzburg. Rechts im Bild Ertan Altintas, der Vorstandsv­orsitzende des Günzburger...

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