Mittelschwaebische Nachrichten
Der Euro verlangt den Deutschen enorm viel Geduld ab
Wir profitieren über den Export von der Währung, müssen dafür Prügel einstecken und werden als Sparer weiter abgestraft. Dennoch ist der Euro gut für uns
Das Geduldsspiel für Sparer geht weiter. Es kann „quälend lange dauern“, wie Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer gestern nach der Sitzung der Europäischen Zentralbank festgestellt hat. Denn EZBChef Mario Draghi ist noch nicht in der Lage, den ersehnten Einstieg aus dem Ausstieg der Null- und Negativzinspolitik zu verkünden. Das ist eine schlechte Nachricht für alle, die den Wert ihres Geldes bei einer wieder bemerkbaren Inflation zumindest erhalten wollen.
Aus den wie immer kryptischen Äußerungen des Zentralbankchefs können Anleger und Banker zumindest schließen, dass der EZB-Chef seinen Kurs nicht weiter verschärft, schließlich schätzt er die Euro-Zone konjunkturell stabiler als 2016 ein. So bleibt der Strafzins für Banken, die Geld bei der Notenbank parken, bei 0,4 Prozent – ein schwacher Trost, weil dieses Ärgernis damit andauert. Denn Kreditinstitute geben die für sie schlechten Konditionen an Sparer weiter, indem sie Gebühren erhöhen und zum Teil Strafzinsen verlangen, vor allem von solchen, die größere Beträge auf ihren Konten bunkern.
Generell gilt: Wer spart und so Vorsorge für die Risiken des Lebens wie Krankheit, Verlust des Arbeitsplatzes oder Alter trifft, wird bestraft – ein unhaltbarer Zustand. Das Anreizsystem „Zins“fällt also noch für geraume Zeit aus. Ob der Skandal zwei, drei oder vier Jahre währt, vermag kein Experte vorherzusagen. Wenn sich das Ärgernis irgendwann auflöst, ist die Geldwelt noch lange nicht im Lot. Dann dürfen Sparer auf zwei bis drei Prozent Zinsen und wohl nicht so schnell auf vier, fünf Prozent hoffen. Derzeit führt die nach Europa zurückgekehrte Inflation trotz ihrer moderaten Form zu einer weiteren schleichenden Enteignung risikoscheuer Anleger, die ihr Geld nicht in mit ordentlichen Renditen lockenden Aktien anlegen wollen.
Dabei mag mancher Bürger frustriert sein, wenn er die EZB-Rechnung der DZ Bank studiert. Demnach hat die Niedrig- und Nullzinspolitik allein den deutschen Sparern seit 2010 satte 436 Milliarden Euro gekostet, im Durchschnitt also rund 5300 Euro je Bundesbürger.
Fairness gegenüber der Notenbank gebietet es aber, ehrlich zu rechnen. Denn die Deutschen profitieren auch vom Nullzinskurs in Form günstiger Kredite, etwa wenn sie eine Immobilie finanzieren. Das bringt nach der DZ Bank-Analyse eine Ersparnis von 188 Milliarden Euro, sodass die heimische EZB-Bilanz mit 248 Milliarden Euro immer noch negativ ausfällt.
Am härtesten trifft die Politik der Notenbank aktienscheue Anleger, die keine Kredite brauchen, also viele Rentner. Entsprechend skeptisch sehen ältere Menschen den Euro. Doch es gibt keine Alternative zu der Währung. Volkswirtschaftlich betrachtet fällt die EuroBilanz für uns insgesamt deutlich positiv aus, weil Deutschland als Exportnation der große Profiteur des Einheitsgeldes ist. Ohne den Euro würden nationale Währungen in Krisensituationen wie in den 90er Jahren schwanken und unseren Firmen Einbußen bescheren. Dass die deutsche Wachstums- und Jobbilanz derart gut ist, hängt mit dem gemeinsamen Geld zusammen.
Draghi hat mit seiner radikalen Strategie nach der Finanzmarktkrise im Jahr 2008 Schuldenländer zumindest stabilisiert. Der große Knall blieb aus, auch wenn Europa an einer Katastrophe nur knapp vorbeigeschrammt ist. Das wiederum nützt der Exportnation Deutschland. Dumm nur, dass unser Erfolg reichlich Neider auf den Plan ruft, die dem ökonomischen Musterschüler raten, schlechtere Noten zu schreiben – ein absurder Vorschlag. Auch gegenüber solchen populistischen Besserwissern brauchen die Deutschen im EuroZeitalter vor allem eines: Geduld.
Insgesamt fällt die Euro-Bilanz positiv aus