Mittelschwaebische Nachrichten
Wie Wiederkäuer Bienen und Schwalben helfen
Was sich Experten von einem Beweidungsprojekt mit irischen Dexter-Rindern im Bremental versprechen
Jettingen Scheppach Ein orangefarbener Eimer, zu einem guten Drittel mit geschnittenen Gelben Rüben gefüllt, dient Josef Hörmann am Mittwochvormittag als Lockmittel. Damit lassen sich die zwei Jahre alten Kühe Frieda und Rosi aus dem hinteren Teil der ein Hektar großen Feuchtwiese ebenso nach vorne holen wie der halb so alte Stier Schweizer. Ab und zu zeigen sie sich dennoch widerspenstig, wenn der Eigentümer dreier irischer DexterRinder die eigenwilligen Vierbeiner für den Vor-Ort-Termin vorführt. Hörmann rät auch nicht zur Kontaktaufnahme. „Das hier ist kein Streichelzoo“, sagt er. Ein Elektrozaun schützt die Besucher des Torferlebnispfades unweit von Jettingen-Scheppach davor, dass die Tiere allzu aufdringlich werden. Umgekehrt werden so auch die Rindviecher in Ruhe gelassen. So können sich die drei Vertreter der kleinsten Rinderrasse Europas auf das konzentrieren, was ihnen mit am besten liegt: fressen.
Josef Krumm freut sich über die Wiederkäuer. Nach der Anlage des knapp zwei Kilometer langen Erlebnispfades und dem Bau des Torfstadels sei die Idee der Beweidung der dritte Baustein gewesen, sagt der Vorsitzende des Fördervereins Torferlebnispfad Bremental. Dass mit Hörmann ein Mitglied des Fördervereins nun diese Aufgabe übernommen und in erster Linie aus Liebhaberei in die Tiere investiert hat, ist für Krumm ein „Glücksfall“. In der Früh vor der Arbeit kommt Hörmann zu den schwarzen Kühen und dem Stier mit braunem Fell. Am Abend ist er wieder da und hält sich dort mindestens eine Stunde auf. Und zwischendurch stattet Ehefrau Ruth einen Besuch ab, wenn sie mit dem Hund ihre Runde dreht. Aber warum steht das Beweidungsprojekt, eines von derzeit sieben im Landkreis Günzburg, so hoch im Kurs? Das erklärt Ottmar Frimmel von der Unteren Naturschutzbehörde. Eines der Hauptziele ist der Erhalt alter Haustierrassen, sagt er. Dazu gehörten auch die gefährdeten Dexter-Rinder. „Es geht darum, einen weltweiten Genpool zu sichern.“Deshalb sei es gut, wenn sich die ursprünglich aus Irland stammenden Tiere nicht aus- schließlich dort aufhielten. „Stellen Sie sich vor, alles würde sich an einem Ort sammeln und dann rafft eine Krankheit den kompletten Bestand dahin“, gibt Frimmel zu bedenken. Neben der Bewahrung der seltenen Haustierrassen nennt der Umweltexperte den ökologischen Nutzen einer Beweidung im Gegensatz zur Mahd. Nichts geschieht auf der Wiese mit den Dexter-Rindern gleichmäßig. Die Huftiere zupfen Gräser und Kräuter vom Boden, wo es ihnen gerade gefällt. Durch Trittschäden werden offene Stellen geschaffen. Das sorgt insgesamt für eine Artenvielfalt, die im Bremental besonders reichhaltig ist. Im Allgäu, erzählt Frimmel, wird aus ökonomischen Gründen fünf, sechs oder gar sieben Mal gemäht. „Da kann nicht mal mehr ein Löwenzahn in Ruhe wachsen.“Die Folge davon: „Bienen verhungern heute regelrecht auf den Wiesen. In den Städten und an Stadtrandlagen ist das Nahrungsangebot für sie inzwischen besser als in ländlichen Regionen.“
Fünf, sechs oder sieben Grasarten gibt es laut Frimmel noch auf bewirtschaftetem Allgäuer Grünland. Im Bremental, das vor wenigen Jahrzehnten allenfalls zum Abladen von Bauschutt und Grünabfällen diente, wüchsen zwischen 70 und 90 Grasarten. „Und jede Pflanzenart hat im Durchschnitt etwa 20 Tierarten im Schlepptau“, sagt der Naturschutzbeauftragte für den Kreis. In aller Regel sind das Insekten.
Aber nicht nur das Abgrasen der Wiesen dient dem Artenreichtum. Die Hinterlassenschaften der Dexter-Rinder tun es ebenso. Frimmel zufolge ernährt im Schnitt ein Kuhfladen eine Schwalbenfamilie den ganzen Sommer. Das kommt so: Insekten legen gerne ihre Eier in den tierischen Exkrementen ab. Und für Schwalben (und viele andere Vogelarten) stehen nun mal Insekten ganz oben auf dem Speisezettel.
10 000 Euro hat der Landkreis für dieses Beweidungsprojekt über Mittel aus dem Naturschutzfonds ausgegeben. Das Geld wurde vor allem dafür verwendet, insgesamt zwei Hektar Grünland einzuzäunen – mit 900 Meter Weidezaun, berichtet Verena Weitmann. Sie ist Geschäftsführerin des Landschaftspflegeverbandes Günzburg, der die Einzäunung organisiert hat.
Irgendwann sollen beide Hektar von den Tieren niedergehalten werden. Die drei Rinder reichen dafür nicht aus. Aber Nachwuchs naht, sagt Josef Hörmann erfreut. Beide Kühe seien trächtig.
Die kleinste Rinderrasse Europas ist zu sehen