Mittelschwaebische Nachrichten

Das Wagner Festspiel

Nationalma­nnschaft Sandro Wagner präsentier­t sich als ernsthafte Alternativ­e im Angriff. Joachim Löw ist angetan von dem Spätberufe­nen – der kess reagiert nach seinen drei Toren

- VON HANS STRAUSS Foto: Peter Kneffel, dpa

Nürnberg Es lief die Nachspielz­eit, die Pflicht war mit sieben Toren erfüllt. Aber Amin Younes und Leon Goretzka zogen im Mittelfeld nochmals energisch einen Angriff an. Sie kamen zwar nicht durch, aber die kleine Begebenhei­t belegte letztmals an diesem schönen, lauen Frühsommer­abend: Da war zur Freude der 32 000 Zuschauer eine deutsche B-Mannschaft mit 1a-Haltung am Werk. „Man spürt die Energie der Spieler, alles richtig machen zu wollen“, sagte Bundestrai­ner Joachim Löw.

Das stimmt optimistis­ch, dass Löws Experiment­alkader mit Youngstern und Spätberufe­nen aus der reichhalti­g besetzten zweiten Reihe des deutschen Profifußba­lls beim am Wochenende beginnende­n Confed Cup dem DFB-Anspruch genügen könnte. „Wir fahren mit Vorfreude zum Turnier“, sagte Löw als Fazit der Kennenlern­woche, „auch wenn natürlich schwierig zu sagen ist, was rauskommt.“

Die Gegner Australien, Chile und Kamerun werden von einem anderen Kaliber sein als Dänemark beim freundscha­ftlichen 1:1 am vergangene­n Dienstag. Gar nicht zu reden vom im WM-Qualifikat­ionsspiel mit 7:0 (4:0) bezwungene­n FußballZwe­rg San Marino, der in seiner ganzen Länderspie­l-Historie erst einen Sieg aufzuweise­n hat. Doch die Zeiten sind vorbei, dass man selbst einen solchen Gegner im Vorbeigehe­n zweistelli­g nach Hause schickt. Man muss etwas tun. Und das beherzigte die ehrgeizige DFBElf, die Löw so aufgestell­t hatte, dass bis auf die Leverkusen­er Benjamin Henrichs und Bernd Leno vor Russland nun alle Kadermitgl­ieder ihre Einsatzmin­uten gehabt haben.

Der Bundestrai­ner schien fast verblüfft, dass die Trainingsv­orbereitun­g auf einen mit zehn bis elf Spielern im letzten Spielfeldd­rittel stehenden Gegner „in einer Häufigkeit, wie man sie nicht erwarten kann“, umgesetzt worden war. Zudem sei es darum gegangen, sich Selbstbewu­sstsein und Sicherheit zu holen. So schaffte der bei Ajax Amsterdam ins Rampenlich­t gerückte Dribbler Younes sein PremierenT­or im DFB-Dress.

Das gelang aber insbesonde­re Sandro Wagner, der schon mit seinem ersten Länderspie­ltreffer zufrieden gewesen wäre, aber nach starker Leistung mit einem Dreierpack vom Rasen ging. „So etwas tut einem Stürmer immer gut, egal gegen wen“, sagte Löw. Schließlic­h hatte Wagner, der selbst ernannte „beste Stürmer in Deutschlan­d“, einer glänzenden Hinserie in der Bun- desliga eine weniger erfolgreic­he Rückrunde folgen lassen. „Das war natürlich ein absolut toller Abend für mich“, bestätigte er, „aber ich kann es richtig einschätze­n: Der Gegner war nicht England oder Italien.“

Er vergaß mit einem gewohnt kessen Spruch nicht zu erwähnen, wem er die Gelegenhei­t zu seinen beiden Kopfballtr­effern zu verdanken hatte: „Die Flanken von Joshua Kimmich sind sensatione­ll. Wenn der nächste Saison bei Bayern mal spielt, macht Lewandowsk­i zehn Tore mehr. Eigentlich müssten wir Kimmich nach Hoffenheim holen.“Das wird wohl nicht klappen, aber – Stand jetzt – ist der spät gereifte 29-Jährige sogar ein Aspirant auf einen Platz im WM-Kader 2018. Wagner habe in der vergangene­n Woche „einen großen Schritt nach vorne gemacht“, sagte Löw – fast ein Ritterschl­ag durch den früher als Mittelstür­mer-Verächter gescholte- nen Bundestrai­ner. Wagner würde als zweite zentrale Angriffskr­aft dann Druck machen auf Mario Gomez.

Genau das ist eines der Ziele, die Löws wohlüberle­gter Confed-CupPlan beinhaltet: Alternativ­en herauszusc­hälen für die etablierte­n Weltmeiste­r von 2014. Das andere: Seinen strapazier­ten Stars ein Jahr vor dem WM-Turnier einen erholsamen Urlaub zu bescheren, in dem sich die Akkus aufladen lassen. Beides zusammen soll verhindern, dass es Deutschlan­d 2018 in Russland so geht wie Spanien 2014 in Brasilien: Als Titelverte­idiger nach der Vorrunde heimzufahr­en.

Auf Wagner als Angreifer Nr. 1 für den Confed Cup ließ sich Löw bei aller Begeisteru­ng nicht festlegen. „Vielleicht müssen wir auch mal auf Konter spielen. Dann brauchen wir Stürmer, die in die Tiefe gehen.“Timo Werner und Julian Brandt, dem in Nürnberg ebenfalls der erste Länderspie­l-Treffer gelang, werden also ihre Chance bekommen. Deutschlan­d ter Stegen – Kimmich, Mustafi, Hector ( 55. Plattenhar­dt) – Can – Goretzka, Draxler (75. Demme) – Brandt, Stindl (55. Ti. Werner), Younes – Wagner San Marino Be nedettini – Bonini, Della Valle, Biordi, Cesari ni (89. Brolli), Palazzi – Golinucci, Cervellini, Zafferani, Mazza (69. Bernardi) – Rinaldi (78. Hirsch) Tore 1:0 Draxler (11.), 2:0 Wagner (16.), 3:0 Wagner (29.), 4:0 Younes (39.), 5:0 Mustafi (47.), 6:0 Brandt (72.), 7:0 Wag ner (85.) Zuschauer 32467 Schiedsric­hter Petrescu (Rumänien)

 ??  ?? Man muss die Tore feiern, wie sie fallen und da es im Weltfußbal­l ja keine Kleinen mehr gibt, darf man auch Treffer gegen San Ma rino so zünftig bejubeln wie Amin Younes und Sandro Wagner.
Man muss die Tore feiern, wie sie fallen und da es im Weltfußbal­l ja keine Kleinen mehr gibt, darf man auch Treffer gegen San Ma rino so zünftig bejubeln wie Amin Younes und Sandro Wagner.

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