Mittelschwaebische Nachrichten
Selbstfahrer
Eben noch wurde das erwartungsfrohe „Selbst ist der Mann“, dieses alte Heimwerker-Motto, um ein erwartungsfrohes „Selbst ist die Frau“ergänzt, da scheint schon beides nicht mehr zu gelten. Mit 120 rast uns der Selbstfahrer als ein Selbstläufer entgegen, der ja nur ein Teil ist unter all den selbstständigen Kameraden, die dem Menschen alles und noch mehr abnehmen, so dass dieser gar keinen Anlass mehr hat zu Selbstbewusstsein, weil er die Dinge beherrscht. Bald übernimmt der Selbstfahrer das Steuer, und wenn er doch einmal das Geschwindigkeitsgebot übertritt, dann steht da bestimmt gleich eine Kamera mit Selbstauslöser.
Es gab eine Zeit, da wurde noch selbst gestrickt und selbst gebacken und selbst geschlachtet und selbst eingeweckt. Wenn aber heute das Wort selbst auftaucht, dann scheint man hundert pro davon ausgehen zu können, dass hinter dem selbst kein Schwein mehr steht. Mit dem Selbstlader fing es womöglich an, mit der Selbstschussanlage ging es weiter; heute haben wir – auf der friedlicheren Seite – sogar schon den selbstspielenden Flügel, der Lang Lang perfekt digital ersetzt – und auch unseren Wunsch, selbst die Hand anzulegen, um es dem Chinesen auf den Tasten nachzutun. Lang Lang bräuchte eigentlich gar nicht mehr eigenhändig um die Welt zu sausen; seine Kunst ist mittlerweile überall an echten Flügeln abrufbar. Würde quasi seine Auftritte auch deutlich billiger machen – jede Selbstbeschleunigung im Finalsatz, jede Selbstvergessenheit im Adagio.
Jetzt brauchen wir nur noch ein Selbst, das uns das Selbsthören abnimmt. Und das Selbststudium und die Selbstverwirklichung. Dann endlich sind wir selbstbestimmt.