Mittelschwaebische Nachrichten
Schmutziges Geld
EU will Finanzquellen von Terroristen kappen
Brüssel Ein Aufschrei ging um die Welt, als Kämpfer des sogenannten Islamischen Staates (IS) vor zwei Jahren den historischen Baaltempel in der syrischen Stadt Palmyra sprengten. Doch zumindest ein Teil der öffentlichen Empörung war wohl nur gespielt. Denn schon seit Jahren machen kriminelle Kunsthändler mit den afghanischen Taliban, den Ansar-Dine-Terroristen in Mali und auch dem IS milliardenschwere Geschäfte mit wichtigen Kulturgütern. „Geld ist Sauerstoff für terroristische Operationen. Daher ergreifen wir Maßnahmen, um alle Finanzquellen der Extremisten zu kappen“, sagte Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans nun in Brüssel bei der Vorstellung eines Maßnahmenpaketes zum Schutz von Kulturgütern.
Wie dringend notwendig eine solche Regulierung ist, belegen die Experten der Internationalen Polizeizentrale (Interpol) im französischen Lyon. Dort heißt es, der Schwarzmarkt für Kunstwerke habe sich zu einem ebenso lukrativen Geschäft wie die Märkte für Drogen, Waffen und gefälschte Waren entwickelt. Die Rede ist von Umsätzen zwischen 2,5 und fünf Milliarden Euro im Jahr. Allein im Jahr 2015 seien 94 Objekte von unschätzbarem Wert aus dem Museum von Mossul (Irak) gestohlen worden. Experten berichten von der Beschlagnahme eines syrischen Frieses, der am Pariser Flughafen Roissy gestoppt wurde. Er sollte als Gartendekoration eingeführt werden.
Zwar gibt es bisher bereits Einfuhrbeschränkungen in Deutschland, Frankreich, Österreich und den Niederlanden. Doch auch diese unterscheiden sich. Schon der Begriff des Kulturgutes wurde nie einheitlich geregelt. Das Ergebnis ist ein europäisches Flickwerk, durch dessen Lücken skrupellose Exporteure und Importeure schlüpfen können. Wie perfekt dieser Handel inzwischen organisiert ist, bestätigen Kunstexperten wie Markus Hilgert vom Vorderasiatischen Museum in Berlin. In einem Interview beschrieb er schon vor einigen Wochen, dass es nicht nur zielgerichtetes Plündern gibt, sondern auch die Vergabe von Lizenzen durch den Islamischen Staat, damit Privatpersonen plündern und graben können und dann eine Abgabe an die Terrororganisation zahlen.
Die EU-Kommission will nun ein strengeres Zertifizierungssystem für alle Mitgliedstaaten einführen. Für archäologische Funde, Reste historischer Monumente sowie alte Manuskripte und Bücher, die älter als 250 Jahre sind, muss eine Importlizenz beantragt werden. Dafür sind Belege nötig, die bestätigen, dass die Ware legal ist. Für alle anderen Arten von Kulturgütern soll eine eidesstattliche Erklärung ausreichen, aus der hervorgeht, dass die Ausfuhr aus dem Drittstaat rechtens war. Kontrollen sind Sache der Zollbehörden oder anderer zuständiger nationaler Behörden. Vor 2019 wird sich allerdings wenig tun. Das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten müssen erst noch zustimmen.
Ob diese Maßnahmen ausreichen, wird allerdings von einigen Fachleuten sowie der Unesco bezweifelt. In fast allen europäischen Staaten gebe es einen schwunghaften Handel über das Internet. In relativ kurzen Zeiträumen würden teilweise zweistellige Millionenbeträge umgesetzt, um in den Besitz illegaler Kunstgegenstände von historischen Orten zu kommen. Dabei ist das Handelsverbot beispielsweise mit Fundstücken aus Syrien keine Erfindung der Neuzeit: Es besteht bereits seit dem 19. Jahrhundert. Selbst große internationale Polizeibehörden räumen ein, diesen Markt noch viel zu wenig zu kennen.