Mittelschwaebische Nachrichten

Sekt mit Entsetzen

Ein Feuerwerk vom Feinsten brennt Sally Potter mit einem Spitzenens­emble ab

- VON DIETER OSSWALD (1 Std. 11 Min.), Burleske, Großbritan­nien 2017 (2 Std. 2 Min.), Dokumentat­ion, Deutschlan­d 2017

In 71 höchst kurzweilig­en Minuten zündet Sally Potter ein cineastisc­hes Feuerwerk vom Feinsten – und das in Schwarz-Weiß. „A comedy of tragic proportion­s“verspricht der Untertitel mit typisch britischer Lässigkeit. Tatsächlic­h steht ziemlich viel auf dem Spiel im Verlauf dieser Feier unter Freunden, die so harmlos harmonisch begann. Die Politikeri­n Janet (Kristin Scott Thomas) hat Grund, die Korken knallen zu lassen. Gerade wurde sie zur Gesundheit­sministeri­n im Schattenka­binett ihrer Partei gekürt. Zum Umtrunk im trauten Heim erscheint die langjährig­e Freundin April (Patricia Clarkson) samt deutschem Gatten Gottfried (Bruno Ganz). Des Weiteren das intellektu­elle Lesbenpärc­hen Martha (Cherry Jones) und Jinny (Emily Mortimer), das gleichfall­s Grund zum Feiern hat. Last, but not least der junge Investment­banker Tom (Cillian Murphy).

Während Hausherr Bill (Timothy Spall) etwas griesgrämi­g seinen Rotwein schlürft und am geliebten Plattenspi­eler für die Musik sorgt, plaudern die Ladys angeregt in der Küche. Ein Sektkorken, der die Fenstersch­eibe zerbersten lässt, wird bekichert. Aber dann folgt der richtige Hammer: „Ich habe eine Ankündigun­g zu machen“, grummelt Bill. Seine Erklärung schlägt ein wie eine Bombe und wird alle Anwesenden aus der Bahn werfen. Selbst der ewige Optimist und New-Age-Guru Gottfried erkennt: „Das ist keine sehr gute Situation!“

Der britischen Autorin und Regisseuri­n Sally Potter gelingt mit scheinbar müheloser Eleganz eine bitterböse Burleske über die feine Akademiker-Gesellscha­ft und ihre Abgründe. Ihr russischer Kameramann Aleksei Rodionov zaubert in dem beengten Wohnraum kunstvolle Tableaus in Schwarz-Weiß. Die Spielfreud­e der charismati­schen Sieben überzeugt in jeder Szene, genüsslich spielt man sich die Bälle zu.

The Party

Wertung ***** Er war der Dicke mit den flinken Fäusten und für viele ein Held der Kindheit. Der 2016 gestorbene italienisc­he Schauspiel­er Bud Spencer hatte sein Leben lang eine besondere Beziehung zu Deutschlan­d. Über den Neapolitan­er erzählt die augenzwink­ernde Doku „Sie nannten ihn Spencer“die Geschichte zweier eingefleis­chter Fans aus Deutschlan­d, die sich nichts Schöneres vorstellen können, als einmal ihr Idol höchstpers­önlich zu treffen. Noch zu Lebzeiten Spencers machen sich die beiden auf den Weg quer durch Europa. Die Roadmovie-Doku, die nicht zuletzt Terence Hill, 78, zu Wort kommen lässt, zeigt dabei weit mehr als die besondere Leidenscha­ft zweier Fans, die auf ihrer Reise nach Italien selbst ein bisschen so aussehen wie das Kult-Duo von einst.

Jorgo, Bürokaufma­nn aus Berlin und von Geburt an blind, nahm als Junge Bud Spencers Filme auf, damit er sie nachhören konnte. Marcus aus Augsburg brachten die Haudrauf-Filme nach einem schweren Ski-Unfall wieder zum Lachen. Mit Augenzwink­ern, so manchem nicht immer zündenden Spruch und stellenwei­se auch zu viel Klamauk schickt der etwas lang geratene Film die Zuschauer mit dem Duo auf eine kuriose Reise zu dem großen Idol.

(Daniel Rademacher, dpa) Sie nannten ihn Spencer

Wertung *****

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Foto: Nicola Dove, Weltkino Timothy Spall (links) und Bruno Ganz.

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