Mittelschwaebische Nachrichten
Das schlechte Gewissen der Autobauer
Sind die Konzerne zu billig davongekommen? Barbara Hendricks spielt nach dem Diesel-Gipfel die Stimmungskillerin. Doch die Umweltministerin hat ein Problem
Wir kennen das aus dem Tatort: Wenn die Kommissare einen Verdächtigen verhören, gibt es immer den guten und den bösen Polizisten – Good Cop und Bad Cop. Im Krimi um die Betrügereien deutscher Autobauer ist Barbara Hendricks definitiv die Böse. Die Umweltministerin will die Konzerne nicht so einfach davonkommen lassen. Während Good Cop Alexander Dobrindt im Verkehrsministerium dafür wirbt, jetzt nicht zu hart mit den Abgas- und KartellSchummlern ins Gericht zu gehen, macht Bad Cop Hendricks Druck auf die Bosse.
,,Es ist wohl so, dass der Staat es in der Vergangenheit an Distanz zur Automobilindustrie hat mangeln lassen“, stellte die Politikerin vor ein paar Tagen nüchtern fest. Dabei ging es nicht nur darum, was sie sagte, sondern auch, wo sie es sagte: auf dem Volkswagen-Werksgelände in Wolfsburg. Dort, wo viele das Herz der deutschen Autobranche vermuten. Neben ihr stand Konzernchef Matthias Müller. Er versuchte tapfer zu lächeln, doch es blieb beim Versuch. Die Herren in den Chefetagen von VW, Daimler oder BMW sind es nicht gewohnt, dass sich Regierungsmitglieder mit ihnen anlegen. An der Branche hängen so viele Jobs und mindestens genauso viele Emotionen – daran verbrennt man sich ganz schnell die Finger.
Womöglich liegt darin der Keim für die aktuellen Skandale. Bei den Autobauern hat die Politik nicht so genau hingeschaut. Hendricks will das jetzt ändern. Auch nach dem Krisen-Gipfel am Mittwochabend war sie die Stimmungskillerin. Während nicht nur die AutoManager, sondern auch viele Politiker erleichtert schienen, dass überhaupt konkrete Ergebnisse herauskamen, kommentierte die Umweltministerin die Beschlüsse ebenso kurz wie kühl: „Das reicht noch lange nicht aus.“Hendricks will sich nicht so schnell damit abfinden, dass die Konzerne eine für sie vergleichsweise billige Lösung herausgehandelt haben. Seit sie vor vier Jahren ihr Ministeramt angetreten hat, arbeitet sie weitgehend geräuschlos. Die 65-Jährige ist die ideale Frau für die zweite Reihe. Große Show ist nicht ihre Art, Politik zu machen. Erst zum Ende einer unaufgeregten Legislaturperiode steht sie doch noch im Rampenlicht. Offen spricht sie aus, was andere erst zugeben, wenn die Mikrofone wieder aus sind: Mit ein bisschen Software-Kosmetik wird das Schadstoff-Problem nicht zu lösen sein. Auch eine technische Umrüstung älterer Dieselmotoren ist für Hendricks nicht vom Tisch – mögen sich die Autobosse noch so sehr dagegen wehren.
Während Verkehrsminister Dobrindt von der CSU in seiner Rolle als Good Cop immer wieder ins Schleudern gerät und sich mit dem Vorwurf der „Kumpanei“herumschlagen muss, wirkt seine Gegenspielerin von der SPD in dieser Phase souveräner und glaubwürdiger. Zur Wahrheit gehört aber auch: Hendricks hat ein entscheidendes Problem, sie saß beim Gipfel mit am Tisch, hat dort aber nicht viel erreicht. Ihren Part als schlechtes Gewissen der verhätschelten deutschen Autoindustrie kann sie einigermaßen unbehelligt spielen, solange es in der Bundesregierung sowieso keinen erkennbaren Willen gibt, die Konzerne zu einer echten Kurskorrektur zu bewegen.