Mittelschwaebische Nachrichten
Hellersberg hat einiges, was andere Orte nicht haben
Durch Hellersberg führen nur zwei Straßen. Aber der Ortsteil von Ziemetshausen hat einiges, was andere Orte nicht haben
Hellersberg Sind wir jetzt im Allgäu? Natürlich noch nicht. Aber wenn man in die schmale Teerstraße zwischen Muttershofen und Bauhofen abgebogen ist und sich auf dem Weg nach Hellersberg befindet, dann könnte man das fast meinen. Die sanften „Buckel“mit grünen Wiesen, ein paar Mais- und Getreidefeldern und vor allem die Abgeschiedenheit lassen wirklich den Eindruck entstehen, sich irgendwohin in höhere Gefilde zu bewegen. Immerhin: Hellersberg ist mit seinen 577 Metern einer der höchsten Punkte im Landkreis. Dort angelangt wird man mit gewaltigen Ausblicken belohnt: Im Südwesten reichen diese über Burg und Mindelzell bis weit über das Mindeltal. Im Norden grüßen Schloss Seyfriedsberg und die Kirchturmspitze von Maria Vesperbild und sogar die Windräder vom Scheppacher Forst sind zu sehen. Hellersberg ist einer der zehn Ortsteile des Marktes Ziemetshausen. Und um dorthin zu gelangen, mussten die Hellersberger früher den Umweg über Memmenhausen in Kauf nehmen. Der Weg über Muttershofen existierte bis Anfang der 90er Jahre nämlich nur als Feldweg.
Hellersberg hat 44 Einwohner. Halt, inzwischen sind es 46, denn vor zwei Monaten sind noch zwei weitere dazugekommen: Mit den Zwillingen, Katharina und Christoph Rau, hatte es Nachwuchs gegeben. Die insgesamt 13 Anwesen wirken irgendwie größer als anderswo, liegen alle auf einem Haufen und so ziemlich jedes davon hat seinen eigenen Walnussbaum davor. Von den früher neun Landwirtschaften sind heute zwar nur noch vier übrig geblieben, trotzdem: So ungefähr 250 Kühe dürften es schon sein, die es in Hellersberg gibt, sagt Hubert Frey lachend. Immerhin: Hellersberg habe damit mehr als fünfmal so viel Rindviecher wie Bewohner.
Wie es sich in so einem Dorf gehört, hat man natürlich auch einen eigenen „Bulldog“, nicht einen Traktor oder Trecker. Auch ohne Landwirtschaft, sondern vielmehr für den Wald und für’s Holz und weil das halt so ist. Was gibt es denn sonst noch in Hellersberg? „Wir ham’ a Internet“, sagt Claudia Kugelmann. Und ihre Schwägerin Karin Kugelmann fügt scherzend hinzu: „A Telefon hammer auch“. „Dau gibt’s nette Leut – ond vor allem scheane“, erzählen sie schmunzelnd weiter. Hellersberg liegt zwar etwas abgelegen, hat aber etwas, was es in vielen kleineren Orten nicht gibt: Seinen Jugendtreff. Das Holzhaus, das früher in Muttershofen stand und nach dem Krieg als Unterkunft für Heimatvertriebene diente, stand über 30 Jahre leer und wurde zu einem Treffpunkt für die Hellersberger Jugend umfunktioniert. Die Riesenfeten würden dort zwar nicht gefeiert, da passe man schon auf – und mit den beiden Bänken und dem Tisch davor wirkt das Häuschen mit den gelben Fensterläden schon eher gemütlich. Der Hügel der ehemaligen Wasserversorgung dahinter gleicht dagegen schon eher einem Abenteuerspielplatz mit jeder Menge Schaukeln und Kletterpfaden für die noch etwas jüngeren Kinder. Eben „der schönste Spielplatz der Welt“, wie man hier sagt. Die Wasserversorgung selbst wurde übrigens 1922 mit Walderträgen finanziert, Hellersberg hatte damals schon eine gewisse Vorreiterrolle inne. Heute wird der Ort mit „Staudenwasser“versorgt.
Vor dem Krieg hatte Hellersberg sogar zwei Wirtschaften. Die Gastwirtschaft Schedel gibt es heute noch. Zurzeit werde sie gerade „a bissle“renoviert sagt Hermann Schedel, der ebenfalls eine Landwirtschaft betreibt. Aber bis Weihnachten soll sie wieder geöffnet haben. Die Gastwirtschaft selbst – für die ist seine Schwester Lucia zuständig – ist übrigens ein Begriff für die guten Kuchen am Sonntagnachmittag. Vor allem bei Wanderern, wenn sie von Maria Vesperbild über Bauhofen nach Hellersberg kommen.
Eines der schlimmsten Ereignisse für Hellersberg dürfte im Jahr 1933 der Großbrand gewesen sein: Stall, Stadel und Teile des Wohnhauses der Wirtschaft fielen damals den Flammen zum Opfer. Apropos Brennen und Feuerwehr: Eine eigene Feuerwehr hat Hellersberg zwar nicht, da gibt es die Freiwillige Feuerwehr Lauterbach-Hellersberg. Mit der „Außenstelle Hellersberg“einer Maschinenhalle am Ortsrand, die in einem Nebenraum das Nötigste beherbergt, sei man für einen Schnellangriff in jedem Falle gerüstet, lacht Hubert Frey, während er an der Kurbel der alten handbetriebenen Sirene dreht.
Durch den Ort führen zwei Straßen: „Am Berg“, klar, die führt ja auch den Berg hinauf, und die „Kapellenstraße“, dort, wo sich die Rochuskapelle, das „Käppele“befindet. Das Kirchlein wurde 1972 eingeweiht, nachdem die frühere Rochuskapelle, die etwas weiter oben an der Kurve stand, abgebrochen wurde. Dreimal im Jahr findet dort ein Gottesdienst statt und jeden Sonntag um 13 Uhr wird der Rosenkranz gebetet. Auch wenn die Rosenkränze „scho a weng“besser besucht sein könnten, wie Erich Frey bemerkt.
Um das Käppele kümmern sich die Hellersberger selbst: Jeder hat eine Woche lang den Schlüssel, sperrt am Sonntag auf und kümmert sich um alles, was sonst noch zu tun ist. Nur das Läuten der Glocke von Hand am Abend zum Gebet sei jetzt nicht mehr erforderlich, denn die funktioniere jetzt elektrisch, erzählt Frey weiter.
Einen gelben Briefkasten der Deutschen Post gibt es in Hellersberg auch. Der steht am Haus von Ulrike und Alois „Louis“Fischer und wird täglich geleert, egal, ob sich darin ein Brief befindet oder nicht. Man sei allerdings schon darauf bedacht, nicht dass der Postbote irgendwann nicht mehr nach Hellersberg käme. Die Zeitung – so ziemlich alle Hellersberger haben die Heimatzeitung abonniert – wird auch nicht ins Haus zugestellt, sondern in einem Holzkasten am „Bushäusle“deponiert. Die wird dann von jedem dort abgeholt. „Da kann es schon auch mal vorkommen, dass der letzte, der kommt, mal keine Zeitung mehr kriegt“, meint Ferdinand „Ferdi“Eschenlohr. Grad’ wenn vom selben Haus der eine nicht mitbekommen habe, dass der andere die Zeitung schon geholt hat. Aber da könne man sich ja mit den anderen arrangieren.
Seit zwei Jahren wieder ein Maibaum
Fast vergessen zu erwähnen: Hellersberg hat seit zwei Jahren wieder einen Maibaum. Den hat nach 30 Jahren die Dorfjugend wieder ins Leben gerufen. Dieses Jahr zierten ihn Bilder von allen Anwesen des Ortes mitsamt ihren Hausnamen wie „beim Sebess“, „beim Schtoile“oder „beim Weabr“.
Beim Besuch in Hellersberg wird klar: Dort geht es noch beschaulich zu. Ohne, oder sagen wir mal mit wenig Stress und Hektik. „Ma trinkt gern mitanand’ Kaffee, geht aber au gern wieder hoim“, sagt Karin Kugelmann. „Es ist eine schöne Gegend und man hat viel, viel Platz“, meint Ulrike Fischer. Und Hochwasser ham’ mir au keins“, fügt Biobauer Anton Specht hinzu. Nur der Berg, der nerve manchmal.
Gerade im Winter, wenn unten schon alles grün sei und oben der Wind die frisch geräumten Wege wieder zuwehe. Die letzten Jahre habe sich aber auch das geändert.