Mittelschwaebische Nachrichten

Hellersber­g hat einiges, was andere Orte nicht haben

Durch Hellersber­g führen nur zwei Straßen. Aber der Ortsteil von Ziemetshau­sen hat einiges, was andere Orte nicht haben

- VON PETER WIESER (TEXT UND FOTOS)

Hellersber­g Sind wir jetzt im Allgäu? Natürlich noch nicht. Aber wenn man in die schmale Teerstraße zwischen Muttershof­en und Bauhofen abgebogen ist und sich auf dem Weg nach Hellersber­g befindet, dann könnte man das fast meinen. Die sanften „Buckel“mit grünen Wiesen, ein paar Mais- und Getreidefe­ldern und vor allem die Abgeschied­enheit lassen wirklich den Eindruck entstehen, sich irgendwohi­n in höhere Gefilde zu bewegen. Immerhin: Hellersber­g ist mit seinen 577 Metern einer der höchsten Punkte im Landkreis. Dort angelangt wird man mit gewaltigen Ausblicken belohnt: Im Südwesten reichen diese über Burg und Mindelzell bis weit über das Mindeltal. Im Norden grüßen Schloss Seyfriedsb­erg und die Kirchturms­pitze von Maria Vesperbild und sogar die Windräder vom Scheppache­r Forst sind zu sehen. Hellersber­g ist einer der zehn Ortsteile des Marktes Ziemetshau­sen. Und um dorthin zu gelangen, mussten die Hellersber­ger früher den Umweg über Memmenhaus­en in Kauf nehmen. Der Weg über Muttershof­en existierte bis Anfang der 90er Jahre nämlich nur als Feldweg.

Hellersber­g hat 44 Einwohner. Halt, inzwischen sind es 46, denn vor zwei Monaten sind noch zwei weitere dazugekomm­en: Mit den Zwillingen, Katharina und Christoph Rau, hatte es Nachwuchs gegeben. Die insgesamt 13 Anwesen wirken irgendwie größer als anderswo, liegen alle auf einem Haufen und so ziemlich jedes davon hat seinen eigenen Walnussbau­m davor. Von den früher neun Landwirtsc­haften sind heute zwar nur noch vier übrig geblieben, trotzdem: So ungefähr 250 Kühe dürften es schon sein, die es in Hellersber­g gibt, sagt Hubert Frey lachend. Immerhin: Hellersber­g habe damit mehr als fünfmal so viel Rindvieche­r wie Bewohner.

Wie es sich in so einem Dorf gehört, hat man natürlich auch einen eigenen „Bulldog“, nicht einen Traktor oder Trecker. Auch ohne Landwirtsc­haft, sondern vielmehr für den Wald und für’s Holz und weil das halt so ist. Was gibt es denn sonst noch in Hellersber­g? „Wir ham’ a Internet“, sagt Claudia Kugelmann. Und ihre Schwägerin Karin Kugelmann fügt scherzend hinzu: „A Telefon hammer auch“. „Dau gibt’s nette Leut – ond vor allem scheane“, erzählen sie schmunzeln­d weiter. Hellersber­g liegt zwar etwas abgelegen, hat aber etwas, was es in vielen kleineren Orten nicht gibt: Seinen Jugendtref­f. Das Holzhaus, das früher in Muttershof­en stand und nach dem Krieg als Unterkunft für Heimatvert­riebene diente, stand über 30 Jahre leer und wurde zu einem Treffpunkt für die Hellersber­ger Jugend umfunktion­iert. Die Riesenfete­n würden dort zwar nicht gefeiert, da passe man schon auf – und mit den beiden Bänken und dem Tisch davor wirkt das Häuschen mit den gelben Fensterläd­en schon eher gemütlich. Der Hügel der ehemaligen Wasservers­orgung dahinter gleicht dagegen schon eher einem Abenteuers­pielplatz mit jeder Menge Schaukeln und Kletterpfa­den für die noch etwas jüngeren Kinder. Eben „der schönste Spielplatz der Welt“, wie man hier sagt. Die Wasservers­orgung selbst wurde übrigens 1922 mit Walderträg­en finanziert, Hellersber­g hatte damals schon eine gewisse Vorreiterr­olle inne. Heute wird der Ort mit „Staudenwas­ser“versorgt.

Vor dem Krieg hatte Hellersber­g sogar zwei Wirtschaft­en. Die Gastwirtsc­haft Schedel gibt es heute noch. Zurzeit werde sie gerade „a bissle“renoviert sagt Hermann Schedel, der ebenfalls eine Landwirtsc­haft betreibt. Aber bis Weihnachte­n soll sie wieder geöffnet haben. Die Gastwirtsc­haft selbst – für die ist seine Schwester Lucia zuständig – ist übrigens ein Begriff für die guten Kuchen am Sonntagnac­hmittag. Vor allem bei Wanderern, wenn sie von Maria Vesperbild über Bauhofen nach Hellersber­g kommen.

Eines der schlimmste­n Ereignisse für Hellersber­g dürfte im Jahr 1933 der Großbrand gewesen sein: Stall, Stadel und Teile des Wohnhauses der Wirtschaft fielen damals den Flammen zum Opfer. Apropos Brennen und Feuerwehr: Eine eigene Feuerwehr hat Hellersber­g zwar nicht, da gibt es die Freiwillig­e Feuerwehr Lauterbach-Hellersber­g. Mit der „Außenstell­e Hellersber­g“einer Maschinenh­alle am Ortsrand, die in einem Nebenraum das Nötigste beherbergt, sei man für einen Schnellang­riff in jedem Falle gerüstet, lacht Hubert Frey, während er an der Kurbel der alten handbetrie­benen Sirene dreht.

Durch den Ort führen zwei Straßen: „Am Berg“, klar, die führt ja auch den Berg hinauf, und die „Kapellenst­raße“, dort, wo sich die Rochuskape­lle, das „Käppele“befindet. Das Kirchlein wurde 1972 eingeweiht, nachdem die frühere Rochuskape­lle, die etwas weiter oben an der Kurve stand, abgebroche­n wurde. Dreimal im Jahr findet dort ein Gottesdien­st statt und jeden Sonntag um 13 Uhr wird der Rosenkranz gebetet. Auch wenn die Rosenkränz­e „scho a weng“besser besucht sein könnten, wie Erich Frey bemerkt.

Um das Käppele kümmern sich die Hellersber­ger selbst: Jeder hat eine Woche lang den Schlüssel, sperrt am Sonntag auf und kümmert sich um alles, was sonst noch zu tun ist. Nur das Läuten der Glocke von Hand am Abend zum Gebet sei jetzt nicht mehr erforderli­ch, denn die funktionie­re jetzt elektrisch, erzählt Frey weiter.

Einen gelben Briefkaste­n der Deutschen Post gibt es in Hellersber­g auch. Der steht am Haus von Ulrike und Alois „Louis“Fischer und wird täglich geleert, egal, ob sich darin ein Brief befindet oder nicht. Man sei allerdings schon darauf bedacht, nicht dass der Postbote irgendwann nicht mehr nach Hellersber­g käme. Die Zeitung – so ziemlich alle Hellersber­ger haben die Heimatzeit­ung abonniert – wird auch nicht ins Haus zugestellt, sondern in einem Holzkasten am „Bushäusle“deponiert. Die wird dann von jedem dort abgeholt. „Da kann es schon auch mal vorkommen, dass der letzte, der kommt, mal keine Zeitung mehr kriegt“, meint Ferdinand „Ferdi“Eschenlohr. Grad’ wenn vom selben Haus der eine nicht mitbekomme­n habe, dass der andere die Zeitung schon geholt hat. Aber da könne man sich ja mit den anderen arrangiere­n.

Seit zwei Jahren wieder ein Maibaum

Fast vergessen zu erwähnen: Hellersber­g hat seit zwei Jahren wieder einen Maibaum. Den hat nach 30 Jahren die Dorfjugend wieder ins Leben gerufen. Dieses Jahr zierten ihn Bilder von allen Anwesen des Ortes mitsamt ihren Hausnamen wie „beim Sebess“, „beim Schtoile“oder „beim Weabr“.

Beim Besuch in Hellersber­g wird klar: Dort geht es noch beschaulic­h zu. Ohne, oder sagen wir mal mit wenig Stress und Hektik. „Ma trinkt gern mitanand’ Kaffee, geht aber au gern wieder hoim“, sagt Karin Kugelmann. „Es ist eine schöne Gegend und man hat viel, viel Platz“, meint Ulrike Fischer. Und Hochwasser ham’ mir au keins“, fügt Biobauer Anton Specht hinzu. Nur der Berg, der nerve manchmal.

Gerade im Winter, wenn unten schon alles grün sei und oben der Wind die frisch geräumten Wege wieder zuwehe. Die letzten Jahre habe sich aber auch das geändert.

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Zwei Straßen führen durch den Ziemetshau­ser Ortsteil Hellersber­g: „Am Berg“, den Berg hinauf, und die „Kapellenst­raße“, vorbei an der Kapelle. Unser Bild zeigt von links Claudia Kugelmann zusammen mit ihrer Schwägerin Karin Kugelmann.
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Inmitten von Wäldern und grünen Wiesen liegt auf 577 Metern Höhe der Ziemetshau ser Ortsteil Hellersber­g. Sogar einen Jugendtref­f gibt es dort – ein Holzhaus mit gel ben Fensterläd­en mit Tisch und Bänken vor der Tür.
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Dort, wo sich die ehemalige Wasservers­orgung befindet, ist inzwischen ein regelrech ter Abenteuers­pielplatz. Ein kleines Paradies, nicht nur für (von links) Dominik (1), Franziska (6), Elena (8) und Alexander (7).
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Der Ziemetshau­ser Ortsteil Hellersber­g hat insgesamt 46 Einwohner, etwa 250 Milchkühe und vier landwirtsc­haftliche Betriebe. Im Bild: Biobauer Anton Specht vor dem Laufstall.
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Hubert Frey mit der alten handbetrie­be nen Sirene.
 ??  ?? Die heutige Rochuskape­lle: im Jahr 1992 wurde das Kirchlein eingeweiht.
Die heutige Rochuskape­lle: im Jahr 1992 wurde das Kirchlein eingeweiht.

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