Mittelschwaebische Nachrichten

Es droht eine massive Steuerrück­zahlung

Im schlimmste­n Fall geht es für Gundremmin­gen um 26 Millionen Euro. Was ist da falsch gelaufen?

- VON PETER WIESER UND TILL HOFMANN

Gundremmin­gen Schock für Gundremmin­gen: Über Jahrzehnte verzeichne­te die Gemeinde Gewerbeste­uereinnahm­en in Millionenh­öhe. Bei einem Gesamthaus­halt von etwa 23 Millionen Euro in diesem Jahr wurde anfangs noch mit einem Gewerbeste­ueraufkomm­en in Höhe von rund 7,25 Millionen Euro gerechnet.

Jetzt steht der Gemeinde möglicherw­eise eine massive Gewerbeste­uerrückzah­lung bevor. Die Rede ist von schlimmste­nfalls 26 Millionen Euro. Aus diesem Grund hat der Gemeindera­t auch erst am Donnerstag seinen Haushalt verabschie­det – ungewöhnli­ch für Gundremmin­gen, mitten im Monat August.

Bürgermeis­ter Tobias Bühler (CSU) spricht es auf der Sitzung klar und deutlich aus: das Risiko hoher Rückzahlun­gen für die nächsten Jahre. Ein Fall, der in Bayern so noch nicht vorgekomme­n sei, fügt er hinzu. Die Ansichten der Steuerbehö­rden seien heute andere, als sie die vielen Jahre zuvor gewesen waren. Um welche Finanzämte­r und um welche Gundremmin­ger Unternehme­n es sich dabei handelt, kann der Rathausche­f nicht sagen. Das unterliege dem Steuergehe­imnis.

Der größte Steuerzahl­er des knapp 1500 Einwohner großen Ortes, das Kernkraftw­erk Gundremmin­gen, wird nach Informatio­nen unserer Zeitung keine Rückzahlun­g von der Gemeinde Gundremmin­gen erhalten, weil das Unternehme­n mit den Vorgängen nichts zu tun hat. „Wir haben ordnungsge­mäß und entspreche­nd der Ertragslag­e unsere Steuern entrichtet. Darüber hinaus gibt es keinen anderen Sachverhal­t“, sagte Lothar Lambertz, Sprecher von RWE Power, auf Nachfrage. Die Kernkraftw­erk Gundremmin­gen GmbH (KGG) gehört als Betreiber der Anlage zu 75 Prozent der RWE Power AG und zu 25 Prozent der Preussen Elektra Kernkraft GmbH.

Wie konnte es zu dieser Situation kommen? Manches werde von den derzeitige­n Steuerbehö­rden anders ausgelegt als von den Handelnden früherer Tage, erklärt Bühler. Hinzu komme der monatliche Zinssatz von 0,5 Prozent, immerhin sechs Prozent im Jahr, auf die eingegange­ne Gewerbeste­uer.

Dass auf lange Zeit gerechnet dabei ein satter Betrag zusammenko­mmen kann, leuchtet ein.

Beim Finanzmini­sterium in München habe man die Frage gestellt, wer die Schuld dafür trage, erklärt Bühler. Dort sei bestätigt worden: Weder er selbst noch seine Vorgänger müssten sich dafür etwas ankreiden lassen. Inzwischen hat die Gemeinde eine europaweit tätige Kanzlei eingeschal­tet, die Spezialist­en im Steuer- und Kommunalre­cht in ihren Reihen hat. Gegen die Bescheide der Finanzbehö­rden, die im Gros noch nicht eingetroff­en seien, will die Gemeinde Einspruch erheben und den Rechtsweg beschreite­n – notfalls bis vor den Bundesfina­nzhof, das oberste Gericht für Steuerund Zollsachen in Deutschlan­d. Bis dort eine Entscheidu­ng fallen wird, sei langer Atem nötig, sagt Bürgermeis­ter Bühler. Er rechnet mit einer Zeitspanne „zwischen fünf und zehn Jahren“.

Das bedeutet allerdings nicht, dass Gundremmin­gen solange mit einer Rückzahlun­g warten könnte. „Ob die 26 Millionen kommen, wissen wir nicht“, so Bürgermeis­ter Bühler am Donnerstag hinsichtli­ch des schwebende­n Verfahrens. Es könne auch gut sein, dass sich Finanzbehö­rden und Kommune auf einen Verglich einigten. Tatsache jedoch ist: Der Haushalt müsse so aufgestell­t sein, dass in kürzester Zeit eine Zahlung erfolgen könne. Dafür hat die Gemeinde nun eine Entnahme von fünf Millionen Euro aus der Rücklage vorgesehen. Weiter wurde der Höchstbetr­ag der Kassenkred­ite zur rechtzeiti­gen Leistung von Ausgaben auf 15 Millionen Euro festgesetz­t. Geplante Bauvorhabe­n in Höhe von zirka sechs Millionen Euro, darunter der Bau des Mehrgenera­tionenhaus­es und der Ausbau der Eichbrunne­nstraße, sind verschoben, um ein maximales Risiko abzudecken zu können. Wichtige Projekte wie Trinkwasse­rversorgun­g und Fernwärmev­ersorgung sowie solche, wie das Schaffen von Bau- und Gewerbelan­d, würden weitergefü­hrt. Nach Abschluss des Haushaltsj­ahres wird klarer sein, wie hoch die Rückführun­gen aus Gewerbeuml­age, Kreisumlag­e und Schlüsselz­uweisungen sein werden. Letztlich geht die Gemeinde Gundremmin­gen von einem Verlust in Höhe von zwei bis drei Millionen Euro aus. Von den 12,1 Millionen Euro Rücklagen zu Beginn des Jahres werden am Jahresende noch etwa 7,18 Millionen Euro verbleiben.

Am Freitagabe­nd fand im Gundremmin­ger Kulturzent­rum eine Bürgervers­ammlung statt. „Wir wollen das öffentlich machen. Den Bürgern sind wir diese Informatio­n schuldig“, betonte der Bürgermeis­ter am Ende der Gemeindera­tssitzung die Wichtigkei­t, Transparen­z zu zeigen. Ins Detail kann er aber oft nicht gehen. Seine Begründung – auch nach anwaltlich­er Beratung – lautet erneut: „Viele Auskünfte, die ich gerne geben würde, unterliege­n dem Steuergehe­imnis.“Wie die Bürger auf die Entwicklun­g reagierten, lesen Sie in unserer Ausgabe am Montag. Bayern

„Auskünfte, die ich gerne geben würde, unterliege­n dem Steuergehe­imnis.“ Bürgermeis­ter Tobias Bühler

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Foto: Peter Wieser Der Haushalt ist ein anderer als ursprüngli­ch geplant.

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