Mittelschwaebische Nachrichten
Auf Stimmenfang im Internet
Noch rund vier Wochen, dann ist es so weit: Ein neuer Bundestag wird gewählt. K!ar.Text hat einige Direktkandidaten des Wahlkreises unter die Social-Media-Lupe genommen. So stellen sie sich auf Facebook und Twitter dar
Landkreis Wahlplakate, Kundgebungen, Fernsehauftritte oder Interviews in Zeitungen und Magazinen – das ist der klassische Weg, wie Politiker ihre Botschaften unter die Leute bringen wollen. Doch erreichen sie so noch die jungen Leute? Kaum mehr. Denn viele holen sich ihre Informationen über Facebook und Twitter. So nutzen laut einer aktuellen Studie 73 Prozent der Jugendlichen zwischen zwölf und 19 Jahren Facebook. Ein Großteil der Informationen und Nachrichten fließt also über die Sozialen Medien an die Jugendlichen. Dem sind sich zunehmend auch Politiker bewusst – und versuchen über Facebook, Twitter und Co. die Jungwähler zu erreichen – aber nicht alle.
K!ar.Text hat die Social-MediaProfile einiger Bundestagskandidaten genauer angeschaut und einem Check unterzogen.
Georg Nüßlein, CSU
Der CSU-Politiker stammt aus Münsterhausen im Landkreis Günzburg. Seit 2002 ist er als Abgeordneter des Wahlkreises Neu-Ulm im Bundestag. Auf Facebook hält er seine Wähler auf dem Laufenden.
● Follower: Nüßlein beschränkt seine Posts auf die Mutter aller sozialen Netzwerke: Facebook. 1149 Fans (Stand diese Woche) hat er dort. Seine Beiträge bekommen allerdings selten mehr als 20 Likes, kommentiert werden nicht alle Posts.
● Aktivität: Der 48-Jährige stellt regelmäßig einen Beitrag ins Netz. Mehrmals die Woche, phasenweise sogar täglich, informiert er die Facebook-Community in der heißen Phase des Wahlkampfes über seine Politik.
● Themen: Bilder vom Abendessen oder ein hübscher Sonnenuntergang? Das sucht der User bei Georg Nüßlein vergeblich. Stattdessen lässt er die Wähler seine Meinung zum Beispiel zum geplanten Dieselverbot in Stuttgart wissen (kann er nicht nachvollziehen). Auch den türkischen Präsidenten Erdogan kritisierte Nüßlein kürzlich. In der Chronik des Bundestagsabgeordneten finden sich auch Bilder von typischen Politiker- und Wahlkampfterminen. Bürgernah zeigte er sich bei einer Diskussion mit Partei-Kollegen und potenziellen Wählern im Biergarten. Auch ein Bild von einem Gottesdienst an Mariä Himmelfahrt hat Nüßlein bei Facebook veröffentlicht, schließlich ist er Mitglied der Christlich-Sozialen Union.
Karl Heinz Brunner, SPD
Der 64-jährige Illertisser vertritt seit 2013 die SPD in Berlin. Der Vater von zwei erwachsenen Kindern setzt sich vor allem auch für die Gleichstellung von homosexuellen Menschen ein.
● Follower: Der SPD-Kandidat hat mehr als 2000 Gefällt-mir-Angaben. Nicht so schlecht. Denn sein Kontrahent von der CSU – Georg Nüßlein – hat rund 500 Likes weniger. Anders schaut es auf Twitter aus. Da hat Brunner gerade einmal 86 Follower.
● Aktivität: Täglich grüßt der Brunner. Zumindest, wenn man einen Blick auf seine Facebookseite wirft: Im Wahlkampf postet er täglich. Twitter dagegen wird von ihm vernachlässigt. Gerade einmal knapp 40 Tweets hat der SPD-Politiker vorzuweisen. Wenn man aber mal genauer schaut: Sein erstes Posting stammt vom 6. Juli dieses Jahres. Brunner ist also ein Twitter-Neuling. ● Themen: Bei ihm ganz klar erkennbar: Der SPD-Politiker ist im Wahlkampfmodus. So postet er Fotos, auf denen Brezen und Flyer zu sehen sind – die er am Günzburger Bahnhof verteilt hat. Brunner präsentiert sich gern bürgernah: Lachend im Bierzelt, mitten unter den Leuten am Schwörmontag oder bei einer Demonstration für die Ehe für alle. Das Thema liegt Brunner sichtlich am Herzen. Als das Gesetz im Parlament beschlossen wurde, hielt der Illertisser eine Rede – und trug dabei eine regenbogenfarbene Krawatte. Die Folge: Berichterstattung in internationalen Medien und die Forderung, dass seine bunte Krawatte einen eigenen Twitter-Account bekommt. Die Idee wurde aber bis jetzt von niemanden umgesetzt. Ekin Deligöz Die türkischstämmige Politikerin will dieses Jahr für ihre sechste Wahlperiode in den Bundestag einziehen. Noch als Schülerin trat Deligöz 1988 der Partei Bündnis 90/Die Grünen bei. ● Follower: Die 46-jährige Deligöz präsentiert sich auf den beiden Plattformen Facebook und Twitter. Während bei Facebook knapp 2400 Menschen Like geklickt haben, hat sie bei Twitter rund 6100 Follower.
● Aktivität: Die Politikerin bespielt beide Kanäle regelmäßig. Bei Facebook gibt es öfter was Neues, fast schon täglich, bei Twitter deutlich seltener, dennoch hat Deligöz es da bereits auf mehr als 8000 Tweets genannte Beiträge gebracht.
● Themen: #Darumgrün. Deligöz nutzt diese beiden Sozialen Medien natürlich im Moment für den Wahlkampf. Auf Facebook postet sie nicht nur aus ihrem politischen Leben. Derzeit macht sie auch viel Werbung für ihre Partei und postet Videos, in denen die politischen Ziele der Grünen erklärt oder aktuelle Themen behandelt werden. Dieselaffäre, E-Mobilität und die mit Insektengift verseuchten Eier sind natürlich mit dabei. Aber auch darüber, wo Deligöz auf ihrer Wahlkampftour überall hin kommt und was sie dabei erlebt, gibt es Posts. Sie ist die Einzige der vier hier vorgestellten Kandidaten, die davon auch regelmäßig Videos macht.
Gerhard Großkurth, AfD
Die Alternative für Deutschland hat Gerhard Großkurth als Direktkandidat für den Wahlkreis aufgestellt. Laut seinem FacebookProfil wohnt er in Neu-Ulm und ist verheiratet. Vielmehr Privates lässt er nicht raus.
● Follower: Großkurth hat die meisten Facebook-Fans: Über 2700 Menschen verfolgen, was der AfDPolitiker in dem Sozialen Netzwerk postet. Das ist beachtlich, denn anders als Deligöz, Nüßlein und Brunner hat er bisher kein Bundestagsmandat inne. Einen Twitter-Account betreibt Großkurth nicht.
● Aktivität: Facebook wird von dem Bundestagskandidaten sehr häufig genutzt. Mehrmals die Woche teilt er Artikel und erstellt Postings.
● Themen: Anders als bei den anderen Bundestagskandidaten ist Großkurths Facebook-Profil sehr textlastig. Er teilt gerne Artikel aus den Medien und kommentiert diese ausführlich. Dafür schreibt der AfDPolitiker gut und gerne auch mal an die 2000 Zeichen – keine Bilder, keine Videos. Die 140 Buchstaben, die Twitter-Nutzer maximal für ein Posting verwenden können, würde Großkurth locker sprengen. In seinen Postings beschäftigt er sich mit aktuellen, politischen Ereignissen. Dabei lässt er kein gutes Haar an der Regierung, der EU und der Einwanderung.
Die übrigen Bewerber
Elmar Heim (Die Linke), Richard Böhringer (FDP), Wolfgang Schrapp (Freie Wähler), Rudolf Ristl (Piraten), Gabriele SchimmerGöresz (ÖDP) und der unabhängige Kandidat Andreas Beier sind auf Facebook nicht mit einem offiziellen Auftritt vertreten. Schimmer-Göresz postet auf ihrem privaten, zum Teil öffentlich einsehbaren Profil jedoch regelmäßig Politisches. Schrapp ist Twitter erst im Juli dieses Jahres beigetreten. Seine SocialMedia-Bilanz bisher: 40 Tweets und zwölf Follower. Auch Ristl ist bei Twitter, wo er jedoch selbst kaum Beiträge verfasst, sondern hauptsächlich Posts seiner Partei oder anderer User teilt.
Es zeigt sich: Politiker sind nicht anders als die beste Freundin oder der gute Kumpel. Jeder präsentiert sich in den Sozialen Medien von der besten Seite. Daher sollte man nicht alles für bare Münze nehmen, was auf Facebook, Twitter und Co. gepostet und geteilt wird. Denn es wird jeweils nur eine Perspektive auf die Politik gezeigt. Das sollte man sich beim Scrollen über die Timeline bewusst machen.