Mittelschwaebische Nachrichten
Sündenbock wird gesucht
Katholiken mussten für die Brände in Rom und 1666 in London herhalten
Krumbach Wenn man die Berichte über den verheerenden Brand Londons von 1666 liest, wird man an den Brand Roms unter Kaiser Nero erinnert. Es wird erzählt, dass der römische Kaiser selbst den Brand angestiftet habe. Aus sicherer Entfernung habe er das gewaltige Flammenmeer beobachtet. Gleich dem Dichter Homer, der den Untergang Troias besungen hat, habe auch der Kaiser den Untergang Roms besungen und dabei auf der Harfe gespielt. Ob dies wirklich so war oder nur von Gegnern des Kaisers erzählt wurde, lässt sich nicht mit Sicherheit nachweisen.
Sicher aber ist, dass Schuldige gesucht wurden. Dass der Kaiser nicht schuldig sein darf, das stand von vorneherein fest. Es wurden auch nicht die mangelnden Brandschutzvorrichtungen gerügt, oder die enge Bauweise verantwortlich gemacht, sondern man kam zu der Überzeugung, dass die Anhänger eines gewissen Christus den Brand ausgelöst hätten, um das Ende der Welt zu beschleunigen. Aus dem Verdacht wurde eine Anklage. Man hatte einen Sündenbock. Die erste Christenverfolgung brach aus.
Ein Sündenbock wurde auch für den Ausbruch des großen Brandes in London 1666 vom 2. bis zum 5. September gesucht. Schuld war ein Bäcker, der in seiner Backstube fahrlässig hantierte und dabei sein Haus in Brand steckte. Der Bäcker und seine Familie konnten sich in Sicherheit bringen, aber eine Magd, die nicht rechtzeitig aus dem Haus kam, wurde das erste Opfer. Da ein starker Wind herrschte, griff das Feuer rasend schnell auf die benachbarten Häuser über. Die enge Bauweise tat ein übriges. Man konnte auch nicht genügend Löschwasser herbeibringen, sodass sich der Brand des Bäckerhauses zu einem wahrhaften Inferno ausweitete. Ganze Straßenzüge sanken in Schutt und Asche. Vier Fünftel der Innenstadt Londons fielen den Flammen zum Opfer, darunter die meisten mittelalterlichen Bauten. 100000 Menschen wurden obdachlos.
Bald wurde ein Schuldiger gefunden. Es war nicht der Bäcker, der auf fahrlässige Weise den Brand ausgelöst hat, sondern ein französischer und dazu noch katholischer Uhrmacher, der im Auftrag des Papstes in Rom Westminster angezündet hat und damit die Feuersbrunst absichtlich verursacht habe. Seit Jahrzehnten war der Hass auf alles Katholische geschürt worden, deshalb konnte nur ein Katholik schuld sein. Es lag ja erst ein paar Jahre zurück, seit Oliver Cromwell diktatorisch regiert hat und die Katholiken nicht nur in Irland mit Brutalität verfolgte. Inzwischen wieder Königreich hatte die anglikanische Kirche das Sagen. Wer sich ihr nicht anschloss, konnte kein Staatsamt erhalten. Katholiken waren von der Thronfolge ausgeschlossen, deshalb konnte nur ein Katholik einen so maßlosen Hass auf England haben, dass er London in Brand steckte.
Der Uhrmacher wurde verhaftet, grausam gefoltert und wie nicht anders zu erwarten, gestand er die Brandstiftung und dass er ein Agent des Papstes sei. Die Hinrichtung erfolgte unter allgemeinem Beifall. Die Altstadt wurde wieder aufgebaut. Es durften nur Steine und Ziegel verwendet werden, um die Brandgefahr zu verringern. Die Stadt Rom hat nach dem Brand bessere Häuser und bessere Straßen erhalten, so war es auch in London. In London genügte ein Sündenbock, während in Rom bald drei Jahrhunderte Christen verfolgt wurden. Inzwischen kann man sich in England einen geschiedenen König und sogar einen katholischen vorstellen, aber dazu müsste die Verfassung noch geändert werden.