Mittelschwaebische Nachrichten
In Texas ist es noch lange nicht vorbei
Sturm Harvey hat unglaubliche Zerstörung hinterlassen. Jeden Tag werden neue Schäden bekannt – so viele, dass sie sich kaum aufzählen lassen. Auch auf Europa wirkt der Hurrikan sich aus
Houston Während über dem Atlantik schon der nächste Sturm in Richtung Amerika unterwegs ist, wächst in Texas die Furcht vor den gesundheitlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen von „Harvey“. Mediziner warnen vor Gesundheitsrisiken durch verunreinigtes Wasser. Chemieund Ölanlagen sind durch das Wasser in Gefahr. Die Folgen einer Explosion in einer Chemiefabrik nahe Houston sind noch immer nicht vollends geklärt. „Texas heilt schnell“, twitterte Präsident Donald Trump am Freitag. „Aber es ist noch so viel zu tun.“
Der Washington Post zufolge dürften weit mehr als die 100000 Häuser von Flutschäden betroffen sein, die das Weiße Haus genannt hatte. Allein 93 000 Häuser seien nach Angaben aus Texas außerhalb der Millionenmetropole Houston, der viertgrößten Stadt der USA, betroffen. Die Behörden im Harris County erklärten, allein dort seien 136000 Gebäude geflutet worden – zehn Prozent des Häuserbestandes.
Über die Zahl der Todesopfer der Flutkatastrophe gab es weiterhin keine Klarheit. US-Fernsehsender wie und CNN gaben am Freitag die inoffizielle Zahl von 39 Toten an. In der Stadt führte dies nach Medienberichten zu Engpässen bei Beerdigungsinstituten. Der Flugverkehr der Region sollte über das Feiertagswochenende in den USA aber wieder aufgenommen werden. „Unser Plan ist, schrittweise zum Normalbetrieb zurückzukehren“, teilten die beiden großen Flughäfen Houstons am Freitag mit.
Feuerwehrleute hatten am Donnerstagabend damit begonnen, alle Häuser in den Flutregionen abzuklappern und nach Überlebenden zu suchen. „Wir kriegen die Kurve“, sagte Houstons Bürgermeister Sylvester Turner am Freitag.
Allerdings spitzte sich die Situation in einigen Gegenden weiter zu. Die Stadt Beaumont war wie eine Insel völlig von der Außenwelt abgesperrt. Das örtliche Krankenhaus plante, Neugeborene vorsichtshalber per Hubschrauber in andere Kliniken zu bringen. Neben Trinkwasser wurde auch die Versorgung mit Benzin und Nahrungsmitteln mancherorts knapp, die Benzinpreise stiegen rapide. Weil rund ein Viertel der US-amerikanischen Raffineriekapazitäten ausfiel, wird derzeit auch Benzin verstärkt aus Europa in die USA verschifft. Die Autofahrer in Deutschland bekommen dank des starken Euro davon jedoch nur wenig zu spüren, wie der Mineralölwirtschaftsverband am Freitag in Berlin mitteilte. Im bundesweiten Schnitt stieg der Preis für einen Liter Super E10 um einen Cent. Der Gouverneur des Bundesstaats North Carolina rief den Notstand aus. Dieser hebt Verkehrsregeln auf, damit Kraftstoff schneller durch den Bundesstaat transportiert werden kann. In Port Arthur im Osten von Texas, wo „Harvey“als Tropentief zum zweiten Mal auf Land getroffen war, sollen 75 Prozent der Bewohner ihre Wohnungen verloren haben. Die Behörden erwarten aber, dass das Wasser am heutigen Samstag aus den meisten Teilen Houstons und dem Bezirk Harris County weiter zurückgehen wird.
Insgesamt werden Schäden in dreistelliger Milliardenhöhe erwartet. Mehr als 80 Prozent der Betroffenen sind nach Schätzungen nicht gegen Hochwasser versichert. Der Heimatschutzberater Trumps, Tom Bossert, erklärte jedoch: „Es ist genug Geld vorhanden.“Wie die Nachrichtenagentur afp aus Regierungskreisen erfahren haben will, will das Weiße Haus beim Kongress voraussichtlich rund 5,9 Milliarden Dollar (rund 4,96 Milliarden Euro) Nothilfe für die Katastrophengebiete nach dem Sturm „Harvey“beantragen. Donald Trump kündigte an, aus seinem Privatvermögen eine Million Dollar für die Flutopfer zu spenden.