Mittelschwaebische Nachrichten
Türkei verlangt Auslieferung
Ankara will Can Dündar
Ankara Zwischen der Türkei und Deutschland bahnt sich kurz nach der Bundestagswahl neuer Krach an. Die türkische Justiz verlangt von der Bundesrepublik die Auslieferung des in Berlin lebenden regierungskritischen Journalisten Can Dündar, weil dieser Propaganda für die verbotene Terrororganisation PKK verbreitet habe.
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan erklärte erstmals öffentlich seine Absicht, in der Türkei inhaftierte Ausländer gegen türkische Regierungsgegner im Ausland auszutauschen. Wie die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, gibt es neue Vorwürfe gegen Dündar wegen Äußerungen des Journalisten bei einer Konferenz im südostanatolischen Diyarbakir im April vergangenen Jahres. Dabei solle sich Dündar lobend über PKK-Gewaltaktionen geäußert haben.
Da Dündar in Deutschland lebe, habe die zuständige Staatsanwaltschaft in Diyarbakir beim Justizministerium in Ankara beantragt, eine Dringlichkeits-Suchanfrage über Interpol zu verschicken und Dündars Auslieferung zu beantragen. Auf ähnliche Weise hatte Ankara kürzlich die Festnahme des türkischstämmigen deutschen Autors Dogan Akhanli in Spanien erreicht. Ob das türkische Ministerium auch im Fall Dündar eine offizielle Suchanfrage an Interpol richtet, war am Freitag noch offen.
Dündar hatte vor zwei Jahren den Zorn Erdogans auf sich gezogen, indem er als Chefredakteur der Oppositionszeitung Cumhuriyet einen Bericht über mutmaßliche Waffenlieferungen der Türkei an syrische Rebellen verantwortete. Erdogan kündigte damals an, Dündar werde einen hohen Preis zahlen. Der Journalist wurde wegen Geheimnisverrats angeklagt und saß drei Monate in
Dündar saß drei Monate in Untersuchungshaft
Untersuchungshaft, bevor er im vergangenen Jahr nach Deutschland floh, wo er die regierungskritische Nachrichten-Website Özgürüz (Wir sind frei) betreibt.
Auf die neue Initiative der türkischen Staatsanwaltschaft reagierte Dündar gelassen. Interpol habe erkannt, dass Erdogan alle Andersdenkenden ins Gefängnis bringen wolle und nehme türkische Anträge deshalb nicht mehr ernst, schrieb er auf Twitter. Eine Auslieferung Dündars an die Türkei aufgrund der Forderung der Staatsanwaltschaft in Diyarbakir ist unwahrscheinlich. Nach dem Dauerstreit der vergangenen Monate könnten sich deshalb neue Spannungen zwischen Ankara und Berlin andeuten. Deutsche Politiker sehen eine Abwendung Erdogans von Europa; der türkische Präsident traf sich diese Woche in Ankara mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, um über den Kauf eines russischen Raketenabwehrsystems zu sprechen.