Mittelschwaebische Nachrichten
Alles andere als ein Leisetreter
Dirigent Daniel Barenboim weiht morgen Abend die runderneuerte Berliner Lindenoper ein. Dort führte seine musikalische Autorität zu einem Vertrag auf Lebenszeit
Wenn er morgen Abend endlich die sanierte Berliner Staatsoper einweiht, diesen historischen Vorzeige-Musentempel der Hauptstadt, dann weiht er 2017 bereits den zweiten Musiksaal an der Spree ein: Im Frühjahr hob er dirigierend und eigenhändig am Klavier den spektakulär-ovalen Pierre-Boulez-Saal seiner Barenboim-Said-Musikakademie aus der Taufe; nun folgt das Herzstück der weiß Gott kostenträchtig und verschleppt runderneuerten „Lindenoper“.
Und Maestro Daniel Barenboim, der schon einmal in einer mehrteiligen TV-Vorlesungsreihe beispielhaft dargelegt hat, warum die Musik im Zentrum dessen steht, was menschlich ist, dieser Daniel Barenboim wird bei einem Robert-Schumann-Abend in seinem Element sein. Vor allem, weil er – nicht zu- fällig am Tag der Deutschen Einheit – einmal mehr die Frucht jener beharrlichen, klugen, provokanten, appellierenden kunstpolitischen Überzeugungsarbeit ernten kann, für die er schon Preise in Hülle und Fülle und aller Couleur hat entgegennehmen können. Neben zig Auszeichnungen für seine künstlerische Arbeit auch zig Ehrungen für seinen Einsatz in Sachen Frieden, Toleranz und Menschenrechte.
Daniel Barenboim wurde 1942 in Buenos Aires mit russisch-jüdischen Wurzeln nicht zum Leisetreter geboren. Die Eltern – beide Klavierlehrer – beförderten selbstverständlich den genial lautgebenden Frühentwickler, der achtjährig öffentlich am Flügel debütierte und mit 13 sein Diplom der berühmten römischen Accademia di Santa Cecilia entgegennahm. Schon damals sollte es nicht beim Klavierspiel bleiben: Studien des Dirigierens und der Komposition schlossen sich umgehend an. Ab Mitte der 60er Jahre nahm die Orchesterleitung einen immer größeren Raum ein, was ihm schließlich feste Posten erst in Paris, dann in Chicago, schließlich „auf Lebenszeit“an der Staatsoper Berlin einbrachte.
Ein Leisetreter blieb Barenboim, der sechs Sprachen spricht und sich speziell für den Frieden in Nahost starkmacht, auch politisch nicht: Mindestens drei Mal erntete er Empörung und Wut in Israel: 1981, als er dort mit der Staatskapelle Berlin unerwartet die unerwünschte Musik von Wagner dirigierte; 2004, als er sich bei einer Ehrung in der Knesset für die Palästinenser einsetzte; 2015, als er – letztlich nicht zustande gekommene – Konzerte im Iran ankündigte. Es ist nicht leicht, ein musikalischer Friedensbotschafter mit dezidierter Auffassung zu sein.
Nach dem tragischen Tod seiner ersten Frau, der begnadeten Cellistin Jacqueline du Pré, heiratete Barenboim noch einmal. Mit der russischen Pianistin Elena Baschkirowa hat er zwei Söhne: den Geiger Michael und den Rap-Produzenten David.