Mittelschwaebische Nachrichten
Der heiße Riese
Porsche bringt die dritte Generation des Cayenne. Sie kommt mit einem superagilen Fahrwerk – und vorerst ohne Dieselmotor. Eine erste, beeindruckende Ausfahrt
Anders als die andern zu sein, gehörte schon immer zur PorscheDNA. Gerade beim Design schwimmen die Zuffenhausener gerne gegen den Strom. Während der Rest der Welt „nachschärft“, was das Zeug hält, hat Porsche im neuen Cayenne alle unnötigen Kanten einfach weggelassen, wie Designer Peter Varga erklärt. „Wir haben das Auto weich modelliert.“Dabei ist und bleibt der Cayenne der härteste Tempobolzer im Segment. Auch an der dritten Generation wird so schnell keiner vorbeiziehen.
Seine Überlegenheit spielt der Porsche Cayenne vor allem dort aus, wo derartige Riesen-SUVs normalerweise wenig verloren haben: auf kurvenreichen (Berg-)Strecken. Die spult er so präzise, agil und atemberaubend schnell ab, als wäre er dem 911 Carrera ein Bruder im Geiste. Wie spielerisch leicht zwei Tonnen wirken können, wenn ein Auto einfach nur das macht, was es soll!
War die „normale“Lenkung im Cayenne schon immer ultradirekt, steuern jetzt sogar die Hinterräder mit. Volle Kontrolle ermöglicht auch die neue Wankstabilisierung, die selbst bei starken Fliehkräften verhindert, dass sich die Karosserie ungebührlich neigt. Die neue DreiKammer-Luftfederung macht das Fahrwerk perfekt. Das Gesamtpaket stellt den Bestseller breiter auf denn je: Es verwandelt den Cayenne auf Wunsch von einem komfortablen Reisemobil in einen dynamischen Sportwagen. Sogar OffroadAusflüge sind drin, sofern man das einem dermaßen prestigeträchtigen 100 000-Euro-Auto antun möchte.
Auf den in Mode gekommenen Country-Look verzichtet der Cayenne. Stattdessen präsentiert er sich athletischer und eleganter als der Vorgänger. Man erkennt ihn am besten an den flacheren, dreidimensional gestylten Frontscheinwerfern und dem gefälligeren Heck, das von einem glutroten Leuchtenband strukturiert wird. Der Wagen ist in der Länge um 63 und in der Breite um 23 Millimeter gewachsen, spart aber an der Höhe (minus neun Millimeter) und am Gewicht. Bis zu 65 Kilogramm hat der Porsche abgespeckt. Das Kofferraumvolumen legte dagegen um 100 Liter zu.
Im Innern ist endlich das digitale Zeitalter angebrochen. Der dritte Cayenne besitzt Annehmlichkeiten wie volle Smartphone-Integration, Online-Navigation, Wifi Hotspot oder USB-Anschlüsse, vier an der Zahl. Der mittig im Blickfeld des Fahrers angeordnete Drehzahlmesser ist das letzte verbliebene AnalogInstrument. Er versprüht RetroCharme. Ansonsten beherrscht ein großer Berührbildschirm das Cockpit, über den sich viele Funktionen zentral und intuitiv steuern lassen. Den Fahrmodus – von komfortabel bis Sport Plus – stellt man über ein Rädchen direkt am Lenkrad ein.
Bei der Motorenauswahl ist vor allem das Triebwerk interessant, das es zunächst nicht gibt: der Diesel. Hier will die stolzeste VW-Tochter die Nachwehen des hausgemachten Selbstzünder-Skandals erst einmal abwarten. Dass die Maschine, die aus dem einst vergifteten Audi-Regal stammt, irgendwann angeboten wird, ist aber sicher. Auf Dauer will Porsche auf den Diesel-Anteil, der für den Cayenne bei weltweit 14 Prozent liegt, nicht verzichten. Außerdem braucht man die Ölbrenner dringend zur Aufhübschung der CO2-Bilanz. Dabei hilft ferner ein Plug-in-Hybrid, der schon bald nachgeschoben werden soll.
Im Basis-Cayenne (ab 74828 Euro) arbeitet ein drei Liter großer V6, der 340 PS leistet – Prädikat völlig ausreichend. Ein weiterer V6 verfügt über minimal weniger Hubraum, besitzt aber einen zweiten Turbo und stattet den dann Cayenne „S“genannten Wagen (ab 91964 Euro) mit standesgemäßen 440 PS aus. Darüber residiert nur noch der mindestens 138850 Euro teure Cayenne Turbo. Sein Biturbo-V8 böllert mit 550 PS und katapultiert das Monster in 3,9 Sekunden auf 100 km/h – ein unserer Welt entrücktes Kaliber, aus dem man aussteigt und sich bange vergewissert, wirklich in einem SUV gesessen zu sein.