Mittelschwaebische Nachrichten
Alles begann mit einem ausgezeichneten Hopfen
Wie die Krumbacher Faschingsgilde zum Zylinder kam. Die Zylinderer blicken mit einer Ausstellung im Heimatmuseum auf 150 Jahre Geschichte zurück
Krumbach Tragen den Zylinder, stolz zur Faschingszeit. Freuen uns nicht minder, wie die anderen Leut. Der Zylinder-Hut, stehet uns so gut. Steigt vereint im Chor, Krumbacher Humor. Lasst die Gläser klingen, Brüder stoßet an. Lasset froh uns singen, Freundschaft jedermann. Bier und Hering hoch – viele Jahre noch… … das Lied der Krumbacher Faschingsgesellschaft bündelt in gewisser Weise die „Philosophie“der Zylinderer, die den Zylinder-Hut nicht nur auf dem Kopf, sondern auch im Vereins-Wappen tragen. Und jetzt wird das Lied zum Jubiläums-Chorgesang gehoben: Ja, die Faschingsgilde der Zylinderer feiern ihr 150-jähriges Bestehen.
Der Rückblick auf die Gründerzeit und die Ur-Geschichte der Krumbacher Faschingsvereinigung der Zylinderer entrollt ein interessantes Zeitbild: Krumbach, ein bayerisch gewordener Markt entwickelt Mitte der 1800er Jahre ein reges geschäftliches und fröhlich geselliges Leben.
Aus der alten Landwehr war die königlich privilegierte Schützengesellschaft entstanden und aus dem musikalischen Kränzchen der Liederkranz. Dazu kamen die Turner und die Feuerwehr und der Gewerbeverein. Im Grünen Baum hatten die weitbekannten Schweinehändler ihren berühmten Stammtisch aufgemacht. Ein blühender und rentabler Hopfenbau gab weiten Kreisen einen zusätzlichen Verdienst.
Und man wollte das Tun auch präsentieren und so wagte der Hopfenbauverein Krumbach-Hürben die Teilnahme an einer internationalen Hopfenprämiierung („Exposition de Houblon et de Bière“), die im Oktober 1866 im französischen Dijon stattfand. Weitere Teilnehmer kamen aus 321 Anbaugebieten der Länder Frankreich, Österreich, England, Baden, Bayern, Belgien, Holland, Italien, Preußen, Sachsen, der Schweiz und aus Württemberg.
Was niemand erwartet hatte, trat ein: Der Hopfenbauverein Krumbach-Hürben wurde mit dem ersten Preis ausgezeichnet und erhielt neben Siegerpreis und Urkunde eine Goldenen Medaille mit dem Bildnis des Kaisers Napoleon III ausgehän- Dieses Ereignis wurde alsdann festlich gewürdigt. Also, am Rosenmontag anno 1868 geschah es: In der Postbräu wurde aus einem besonders gut gelungenen Sud ein großes Fass Bier angestochen, ausschließlich gebraut mit dem prämiierten Hopfen. Als delikates Festessen wurden Weinbergschnecken und Heringe servieret. Bedingung für alle Geladenen war, als Kopfbedeckung festlichen Zylinder zu tragen. Am Präsidium saßen neben dem Hausherrn der Herr Landrichter, der Herr Notar, der Herr Forstmeister, der Herr Assessor und der Kaufmann Biber. Diese würdige Runde vervollständigten die Herren Materialist Reiß, Posamentier Neidhart, Zimmerermeister Striegel, Kupferschmied Jochner, Kaufmann Böller, Maurermeister Kling, Buchdrucker Ziegler, Silberschmied Reiner und andere…
Wie der Chronist berichtet, wurden in vielen launigen Reden und Gesängen die Vorkommnisse der siegreichen Hopfenprämiierung in Frankreich glossiert und die goldene Plakette mit dem Bildnis des Franzosenkaisers herumgereicht. Das war dann also auch die Geburtsstunde der Rosenmontags-Zylinderer.
Wenn die Gepflogenheiten der Gilde-Brüder in späteren Jahren auch mit Veranstaltungen anderer Vereine zusammentrafen: Es gab immer eine Reihe von unentwegten, die zusammenkamen und feuchtfröhliche „Zylinderer-Abende“abhielten. Das damalige Bundeslied war das „Zimmermännle“. Es soll beim Fortissimo vom Rathaus bis zur Kirche hörbar gewesen sein.
Nach dem Ersten Weltkrieg war es Robert Steiger, der berichtete, dass in seiner alten Heimat Söflingen auch eine Rosenmontagsgemeindigt. schaft mit Zylinder bestand, und so ging es mit Präsident Steiger in Krumbach wieder weiter. Es gab, wie in den Aufzeichnungen nachzulesen ist, „viel fröhliches Stammtischgaudium“. Und dann holte der Konrad Ferdl nicht selten zu einer fulminanten Bierrede aus oder er gab die „Ritterballade von Bruno und Kunigunde“zum Besten. Dazu bildeten die Herren Einsle, Zeiner und Wurzer das Preisrichterkollegium und alles hatte im Terzett oder Quartett zum Preissingen anzutreten. Nur der Kaiser Ferdl durfte als Solist auftreten. Auf dem Tisch stehend schmetterte er sein „Jägerlied“und bekam den Siegerpreis. Das waren drei Bismarckheringe.
Besonders turbulent ging es wohl zu, wenn der Rosenmontag mit dem Fasnachts- Viehmarkt zusammentraf. Der spätere Zylinderer-Ehrenpräsident, Baumeister Karl Kling, hat die Szene in seinen Erinnerungen beschrieben: „Da waren die Zuckerrübenbarone aus Norddeutschland da, die im Viehkt markt viele Waggon Ochsen aufkauften um sie mit Rübenschnitzel zu mästen. Aber wenn die Preußen hereinwollten, mussten sie zuerst beim Planer einen Papierzylinder kaufen und sich melden. Und diese Herren haben tüchtig mitgemacht! Einmal geschah es, dass wir acht Tage später zum ersten Fastenstammtisch zusammenkamen.“Da stand ein großes volles Bierfass da mit folgender Widmung: Ich kenn zu Haus den Karneval. Auch sonstwo – bis Berlin. Doch staunet – die verschwinden all, wenn ich in Krumbach bin. Stecht fröhlich dieses Bierfass an, trinkt aus und singt im Chor: Ein preußischer Zylindermann grüßt schwäbischen Humor.
Allmählich wurde der Kreis der Teilnehmer größer, der Platz reichte nicht mehr aus, es kam zur Teilung. Unter Gut Franz und Mayer Hans zogen die Schlorper zum Diem. Natürlich wurden sie dort mit Marschmusik und Festreden besucht. Der ebenso feierliche Gegenbesuch wurde zur Tradition. Auch mit Reden und mit Gelbwurst. Zu der Gelbwurst hatte dann der Küchenchef der Post allerhand Besonderheiten gerichtet: Hochfein marinierte Salzheringe und Meermuscheln auf Austernart. Wenn dann nach solch einem Genuss der Humorist „Romulus“(Roman Junginger) in die Bütt stieg, war ein Höhepunkt erreicht, der „Mainz und Köln übertraf“.
Allmählich fand das fröhliche Treiben der Zylinderer- und Schlorperleute auch in der Öffentlichkeit Interesse. Als der Gasthof zur Post geschlossen wurde, sammelten sich die Zylinderer-Männer beim Bärenwirt und zogen dann mit Musik in die neue Stammburg, zum Weißen Roß. Auch den Schlorpern wurde bei Diem der Raum zu eng, sie wählten dann als Sammelplatz den Sternwirt und zogen dann mit Marschmusik in den Traubensaal, der ihre neue Unterkunft wurde.
Wie gesagt: Mittlerweile blicken die Zylinderer auf 150 Jahre Gilden-Geschichte zurück. Zum Jubiläum also Hut ab! Respektive: „Zylinder auf, Bier und Hering hoch, viele Jahre noch!
Jubiläum gibt es eine Aus stellung im Mittelschwäbischen Heimatmuseum. Sie ist vom 12. bis 26. November donnerstags bis sonntags je weils von 14 bis 17 Uhr geöffnet.