Mittelschwaebische Nachrichten
Der Genosse unter den Bossen
Ernst Prost hat das Ulmer Unternehmen Liqui Moly groß gemacht. Er provoziert gerne mit linken Ideen und zahlt seinen Mitarbeitern eine Siegprämie
Was ist so besonders daran, wenn ein Unternehmer seine Firmenanteile verkauft und künftig nur noch als Angestellter die Geschäfte weiterführt? Eigentlich nichts. Doch dieser Mann ist eben kein gewöhnlicher Chef, sondern eher der Genosse unter den Bossen, ein Kapitalist mit linken Ansichten – und einer, der so spricht wie seine Arbeiter: dialektsatt und ungekünstelt. Deshalb war das Medienecho enorm, als vor einer Woche bekannt wurde, dass der schillernde Ernst Prost seine Anteile am Schmierstoffhersteller Liqui Moly an den „Schraubenkönig“Würth verkauft hat. Er ist eben nicht nur eine regionale Berühmtheit, sondern ein besonders bunter Hund unter den deutschen Unternehmern.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass er früher in Talkshows gerne die Auswüchse des Kapitalismus geißel- te, die „Boni-Gier“der Banker, den „Rendite-Wahn“der Manager, die „Gewinnmaximierung als Selbstzweck“. Was andere Wirtschaftskapitäne als sozialistische Marterwerkzeuge brandmarkten, etwa die Einführung eines Mindestlohns oder eine Vermögenssteuer, preist Prost als Selbstverständlichkeiten einer gerechten Arbeitswelt und als Gebot der gesellschaftlichen Vernunft. „Geldgangster“und „Finanzterroristen“würden den Politikern diktieren, wo es langgeht. Seine Beschäftigten nennt er „Mitunternehmer“, weil sie mit ihrer Arbeit Anteil am ungebremsten Erfolg von Liqui Moly hätten. Dafür schüttet Prost gerne mal einen ungewöhnlich großzügigen Bonus aus: Er bezahlte im vergangenen Jahr jedem Vollzeitbeschäftigten 11 000 Euro „Siegprämie“, wie er es nennt – doppelt so viel wie Daimler. Auch heuer verspricht das Unternehmen wieder eine großzügige Ausschüttung. Kein Wunder, denn zum vierten Mal in Folge hat Liqui Moly einen Rekord-Umsatz eingefahren. Ernst Prost ist einer, der sich alles, was er besitzt, selber erarbeitet hat. Als Sohn einer Flüchtlingsfamilie wurde er 1957 in Altötting geboren. Sein Vater war Maurer, seine Mutter Fabrikarbeiterin. Nach dem Realschulabschluss lernte er Kfz-Mechaniker, arbeitete sich beim Autopflegemittel-Her- steller Sonax in Neuburg vom Juniorverkäufer zum Marketingleiter hoch. 1990 wechselte er zu Liqui Moly in Ulm und kaufte dem Gründer Hans Henle Schritt für Schritt die Anteile ab, bis ihm 1998 schließlich das Unternehmen gehörte. 2006 erwarb er das Mineralölwerk Méguin in Saarlouis dazu. Unter Ernst Prost gab es für Liqui Moly nur einen Weg: stetig nach oben. Heute erzielt das Unternehmen mit rund 820 Mitarbeitern einen Umsatz von über 500 Millionen Euro.
Ernst Prost lebt auf Schloss Leipheim bei Günzburg und liebt Skulpturen jeder Art. In seiner Freizeit tuckert er gerne mit der Harley Davidson über die Schwäbische Alb. Und was macht er nach dem Verkauf der Firma? Natürlich weiterarbeiten. Denn die beste Werbung für Liqui Moly ist der Geschäftsführer, Ernst Prost.