Mittelschwaebische Nachrichten
Erdogan geht auf Berlin zu
Der Staatschef will von seinen Attacken nichts mehr wissen. Die Regierenden in der EU seien seine „alten Freunde“, sagt er
Istanbul Nach einem Jahr voll erbitterter Wortgefechte und Beleidigungen geht der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan auf Deutschland und andere EU-Staaten zu. „Natürlich hoffen wir, gute Beziehungen zur EU und den EUStaaten zu haben“, sagte Erdogan auf einem Flug nach Tunesien.
„Wir haben keine Probleme mit Deutschland, den Niederlanden oder Belgien. Im Gegenteil sind die Regierenden in diesen Ländern meine alten Freunde“, sagte Erdogan. Er hatte den Regierungen der drei Länder vor dem Referendum über die Einführung eines Präsidialsystems im April „Nazi-Methoden“vorgeworfen, da sie seinen Ministern verboten hatten, bei Auftritten vor den türkischen Gemeinden dieser Länder für die umstrittene Verfassungsreform zu werben.
Auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte sich kürzlich zuversichtlich gezeigt, dass es in der Türkei den Willen gebe, das angespannte Verhältnis zu Europa zu verbessern. Die Freilassung der deutschen Journalistin Mesale Tolu und des Pilgers David Britsch nannte er „ein gutes Zeichen“, kritisierte aber die Inhaftierung des Welt- Korrespondenten Deniz Yücel, der seit mehr als zehn Monaten ohne Anklage im Gefängnis sitzt. Gestern Abend wurde dann vermeldet, dass ein 45-jähriger deutscher Staatsbürger aus Hessen aus monatelanger türkischer Haft entlassen worden ist. Der Mann war wegen politischer Vorwürfe am Istanbuler Flughafen festgenommen worden. Er dürfe ausreisen, hieß es.
Erdogan versicherte nun, er habe „immer gute Kontakte“mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gehabt. Er hob hervor, dass die deutsche Führung seine Kritik an der Entscheidung von US-Präsident Donald Trump zur Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels teile. „All dies ist sehr erfreulich“, sagte Erdogan.
Wegen der Jerusalem-Krise hatte er zuletzt mit zahlreichen Staatsführern telefoniert, darunter Steinmeier, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wie auch Papst Franziskus. Es gebe „keinen Grund“, warum er Deutschland und die Niederlande nicht besuchen sollte.
Auch die Visa-Krise zwischen den USA und der Türkei geht offenbar zu Ende. So wollen beide Seiten ihre Visa-Dienste wieder vollständig aufnehmen. Die US-Botschaft in Ankara teilte am Donnerstag mit, die Sicherheitsbedingungen hätten sich „ausreichend verbessert“, um die Wiederaufnahme der VisaDienste in der Türkei zu erlauben. Die türkische Regierung habe sich an die „Zusicherungen“gehalten, die sie den USA gegeben habe. Die türkische Botschaft in Washington erklärte wenig später, dass „auf der Grundlage des Prinzips der Gegenseitigkeit“die Einschränkungen bei der Visa-Vergabe für US-Bürger aufgehoben würden.
Die USA hatten die Visa-Dienste in der Türkei am 8. Oktober ausgesetzt, nachdem ein türkischer Mitarbeiter des Istanbuler US-Konsulats festgenommen worden war. Die Türkei setzte daraufhin ebenfalls die Visa-Vergabe aus.