Mittelschwaebische Nachrichten
Das Elektroauto allein ist nicht die Lösung
Wer ökologische Mobilität will, sollte die Verantwortung dafür nicht nur der Technik zuschieben. Ein zweiter Weg wäre viel einfacher – und zugleich sehr schwierig
Detroit ist weit weg. Die Messe, die in dieser Stadt traditionell das Autojahr einläutet, kann nichts anderes im Fokus haben als den amerikanischen Markt. Dort führen schwere Spritschlucker die Zulassungsstatistiken nach wie vor an. Der Anteil an Elektroautos fällt sogar noch geringer aus als hierzulande.
Die Detroit Motor Show ist eben genau das: eine Motor-Show. Mit auf Beobachter naiv wirkender Begeisterung beklatschen Amerikaner dort die neuesten Großkaliber. Was haben sie nur für ein unerhört entspanntes Verhältnis zu ihrer Autoindustrie!
Sogar der Diesel kommt zu neuen Ehren. Die großen drei – Ford, General Motors und Chrysler – nehmen den Selbstzünder lustvoll ins Programm. Sie halten die Antriebstechnik gerade im ewig boomenden Segment der schweren Pick-ups und SUVs für fortschrittlich. Ob die US-Behörden den einheimischen Modellen mit der gleichen Strenge auf den Abgasstrahl schauen wie den deutschen?
Der Diesel-Skandal nahm zwar in den USA seinen Anfang. Drastische Folgen hat er dort aber nicht, abgesehen von saftigen Strafzahlungen, die Amerika dankend entgegennimmt. In Deutschland dagegen geriet die meistverbreitete Antriebstechnik fast über Nacht in Verruf. Mit der ihnen eigenen moralischen Überlegenheit schwören die Deutschen dem Diesel ab. Sie sind mit solchem Eifer bei der Sache, dass sogar Fahrverbote kein Tabu darstellen. Darüber können wiederum Amerikaner nur den Kopf schütteln.
Es ist an der Zeit, dass die DieselHysterie nachlässt. Gleiches gilt für den parallel entstandenen Elektro-Hype. Bei aller Liebe zu den alternativen Antrieben: Sie verlangen eine ebenso nüchterne Bewertung wie herkömmliche. Dazu gehören drei Wahrheiten. Erstens: Wer das Auto neu erfinden will, muss aus alten Denkmustern ausbrechen. Es reicht nicht, einen großen Tank durch eine große Batterie zu ersetzen. Der PS-Fetischismus jedoch kennt keine Grenzen. Viele der im Scheinwerferlicht stehenden E-Modelle definieren sich in überholten Kategorien wie dem Sprint von null auf hundert. Der „Elektropionier“Tesla geht hier mit schlechtem Beispiel voran.
Zweitens: Veränderung lässt sich nicht einfach politisch verordnen. Das willkürlich festgelegte Elektroauto-Ziel wird Deutschland verpassen. Die Elektro-Prämie ist ein Flop. Besser hätte sich die Politik ernsthaft um den Ausbau der Infrastruktur gekümmert und darum, dass der Strompreis nicht unaufhaltsam steigt – die Energiewende lässt grüßen.
Drittens: Viele Stromer verfügen derzeit über eine schlechtere Ökobilanz als Verbrenner. Schon ihre Produktion verschlingt mehr Ressourcen, als sie im Betrieb je wieder einsparen können. Ein Gutteil des Stroms wird nach wie vor schmutzig erzeugt. Das belastet das ÖkoKonto zusätzlich.
Das Elektroauto allein wird es also kaum richten, so wie es generell in die Irre führt, alle Hoffnung in Technologie zu setzen. Die Lösung ist in Wahrheit viel einfacher – und zugleich ungemein schwierig: Wir brauchen weniger Autos! Gelingt es, ihre Zahl spürbar zu reduzieren, spielt es letztlich eine untergeordnete Rolle, mit welchem (modernen) Antrieb sie unterwegs sind.
Natürlich wollen und sollen die Menschen ihre individuelle Mobilität nicht der Zukunft opfern. Sie benötigen eine echte Alternative zum eigenen Pkw. Hier sind zuerst die öffentlichen Verkehrsmittel gefragt. Das Angebot muss radikal besser und billiger werden. Vielerorts geschieht das Gegenteil. In Augsburg wurden die Tarife für Einzeltickets in Bus und Tram zuletzt um bis zu 100 Prozent erhöht.
Augsburg ist nicht weit weg.
Es reicht nicht, einen Tank durch eine Batterie zu ersetzen