Mittelschwaebische Nachrichten
Hoch auf dem bunten Wagen
Die Fahrzeuge werden aufwendiger, die Auflagen dafür strikter: Narren brauchen mehr Einfallsreichtum denn je. Wie sich die Gefährte in den vergangenen Jahren verändert haben
Dillingen Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel zum „Mammutti“wird und der türkische Präsident zu „Erdowahn“, dann regieren die Narren. Alleine an diesem Wochenende – kurz bevor die Faschingssaison ihren Höhepunkt erreicht – ziehen 22 Umzüge durch die Region. Die besonderen Hingucker sind dabei die zum Teil aufwendig gestalteten Faschingswagen.
Das war jedoch nicht immer so. Vor einigen Jahren tat es schon mal ein geschmückter, einfacher Traktoranhänger – oder ein Wagen aus Brettern. Den fertigten 1998 Andreas Lernhard und Alexander Gerstmayr an. Mit dem Motto „Schwarzbräuklinik“starteten die Faschingsfreunde Zusamaltheims (Landkreis Dillingen) in die Saison. Ein Balken diente als provisorisches Geländer. Das Motto wurde in schwarzer und roter Farbe auf weiße Tücher gesprayt. „Ich glaube, wir hatten nicht einmal eine richtige Musikanlage – höchstens die Stereoanlage aus dem Wohnzimmer“, erinnert sich Gerstmayr. 20 Jahre später bauen sie immer noch Faschingswagen. Verändert habe sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten viel, weiß Gerstmayr: „Die Fahrzeuge sind mittler- weile deutlich aufwendiger als früher.“
Eine Entwicklung, die auch Christian Kamrath, Veranstalter des Dillinger Nachtumzugs, der gestern Abend wieder zahlreiche Besucher anlockte, kennt: „Das Motto lautete: höher, größer, lauter.“Es habe ein Wettbewerb zwischen den Wagenbauern begonnen. Die Kehrseite: Auf vielen Umzügen sind Unfälle passiert, dazu haben sich Anwohner über die hohe Lärmbelästigung beschwert. In der Folge machten die Landkreise den Faschingsvereinen immer striktere Auflagen – ein weiterer Unterschied zu früher.
In Dillingen beispielsweise hat das Landratsamt ein Merkblatt im Internet veröffentlicht: Darin sind die Höchstmaße des Wagens genau geregelt – 2,55 breit, vier Meter hoch, zwölf Meter lang darf er sein. An jedem offenen Rad muss zudem eine Begleitperson nüchtern und in Warnweste neben dem Wagen herlaufen. Die Musikanlage – oft Ursache des Streits zwischen Narren und Anwohnern – darf nur noch jeweils eine Stunde vor Beginn und nach Ende des Umzugs die Gäste beschallen. Und zwar mit maximal 95 Dezibel, also immerhin so laut wie eine Holzfräsmaschine. Sogar zum TÜV muss der Faschingswagen. Fällt er durch, bleibt er stehen. Wie wichtig die Sicherheitsvorschriften sind, haben kürzlich zwei Vorfälle aus der Region bewiesen: In Donauwörth (Landkreis Donau-Ries) hat sich ein 21-Jähriger bei dem Versuch, ein Stromaggregat mit Benzin zu betanken, schwere Verbrennungen zugezogen. In Scheuring (Landkreis Landsberg) ist ein 34-Jähriger von einem der Faschingswagen überrollt und verletzt worden.
Trotz solcher Auflagen mangelt es den Wagenbauern Gerstmayr und Lernhard nicht an Einfallsreichtum: In ihrem rund 5000 Euro teuren „Schneeflittchen und die sieben Zwerge“-Wagen haben sie nicht nur ein DJ-Pult verbaut, sondern auch ein Stromaggregat mit 70-LiterTank. Zudem verfügt der Wagen über zwei Stockwerke. Das Motto wurde aufwendig auf den Wagen gemalt. Auf insgesamt sieben Umzügen präsentieren die Zusamaltheimer in dieser Saison ihren Wagen. Acht Wochen Arbeit haben sie in den Bau investiert.
Trotz der vielen Einschränkungen der Narrenfreiheit will Organisator Kamrath auch in den kommenden Jahren den beliebten Nachtumzug in Dillingen ausrichten: „Fasching ist eine Brauchtumspflege, deshalb werden wir darum kämpfen.“