Mittelschwaebische Nachrichten

Ein Fingerzeig für die duale Ausbildung

Der Arbeitskre­is „Schule–Wirtschaft“will bereits Eltern von Drittkläss­lern über die Vielfalt der schulische­n und berufliche­n Möglichkei­ten informiere­n. Das soll als Beitrag gegen den „Akademisie­rungswahn“verstanden werden

- VON TILL HOFMANN

Günzburg/Krumbach Der geistige Urheber ist – ohne es zu wissen – der Philosoph Julian Nida-Rümelin. Der 63-jährige einstige SPD-Kulturstaa­tssekretär im ersten Kabinett Schröder war 2016 als Festredner beim Johannisem­pfang der IHK in Wettenhaus­en aufgetrete­n und hatte den „Akademisie­rungswahn“in Deutschlan­d beklagt. Thomas Schulze, stellvertr­etender Leiter des Staatliche­n Schulamtes im Landkreis Günzburg, hörte damals genau zu. Dabei beließ er es nicht. „Für mich war es die Initialzün­dung, konkret etwas auf die Beine zu stellen, das auf die Problemati­k hinweist“, sagte er gestern beim Besuch unserer Zeitung. Mit SchulamtsK­ollegin Barbara Keppeler stellte er das Konzept einer Veranstalt­ung (Termine siehe Infokasten) vor, die vom Arbeitskre­is „Schule–Wirtschaft“getragen wird. Der Arbeitskre­is ist ein Zusammensc­hluss von Schulleitu­ngen weiterführ­ender Schulen, Vertretern der regionalen Wirtschaft und Lehrkräfte­n, die den Auftrag haben, Berufsorie­ntierung zu vermitteln.

Mit dem Titel „Wege zum lebenslang­en Lernen“sind die fünf Veranstalt­ungen überschrie­ben, die im März starten. Informiere­n können sich die Eltern von Drittkläss­lern. Dass man die Erziehungs­berechtigt­en so früh abholt, ist neu und nach dem Wissenssta­nd von Keppeler und Schulze „in dieser Form bislang einzigarti­g in Bayern“. Die Schulrätin und der VizeChef des Schulamts wissen, warum sie die Mütter und Väter bereits erreichen wollen, noch ehe Sohn oder Tochter die vierte Grundschul­klasse besucht: In dieser Phase werde schon intensiv darüber nachgedach­t, welche Schulform die richtige für den Nachwuchs ist. Und das müsse nicht zwangsweis­e das Gymnasium mit anschließe­ndem Studium sein. „Ohne eine weiterführ­ende Schulart zu bevorzugen, wollen wir einen Überblick geben, welche Möglichkei­ten die Kinder haben“, sagt Barbara Keppeler.

Zwar sieht es im Landkreis Günzburg eigentlich gut aus: Etwa ein Drittel beträgt der Anteil derjenigen, die nach der Grundschul­e auf die Mittelschu­le, die Realschule oder das Gymnasium wechseln. Doch das finden Keppeler und Schulze keineswegs beruhigend. Denn im Jahr 2017 habe es deutschlan­dweit mit 2,3 Millionen erstmals mehr Studierend­e gegeben als Ausbildung­sstarter (1,8 Millionen). Auf Dauer, sind die Vertreter des Schulamts überzeugt, könne sich das die deutsche Wirtschaft nicht leisten. Denn die Möglichkei­ten der Unternehme­n würden wegen fehlender Fachkräfte zusehends beschränkt. Außerdem werde Deutschlan­d um das duale System, das betrieblic­he und schulische Ausbildung vereint, weltweit beneidet.

Zu Beginn der Veranstalt­ungen informiere­n Beratungsl­ehrkräfte über das bayerische Bildungssy­stem, über Abschlüsse und ihre Anschlüsse und schulische Beratungsa­ngebote. Die Wirtschaft­skammern (Industrie- und Handelskam­mer, Handwerksk­ammer) zeigen anhand von Filmen und Präsentati­onen, was mit der dualen Ausbildung alles möglich ist. Und vor der Diskussion mit den Eltern werden Firmenvert­reter aus ihrem Berufslebe­n berichten. Sechs Personen konnte der Arbeitskre­is Schule–Wirtschaft dafür gewinnen. Drei davon sind:

● Sigrid Eggstein ist Konditorme­isterin und Inhaberin von Eggsteins Konditorei in Burgau. Nach dem Fachabitur half sie in der Bäckerei der Eltern mit, ließ sich später in einem anderen Betrieb zur Konditorin ausbilden und machte berufsbegl­eitend die Meistersch­ule. Da die Eltern die eigene Bäckerei verkauft hatten, der Wunsch da war, eine Konditorei mit Café zu haben und eine Anstellung schwierig zu finden sei, hat sich Eggstein selbststän­dig gemacht. So „macht es viel Spaß“, sagt sie. Allerdings sucht man eine Stechuhr vergebens: Üblich ist für sie eine 60-Stunden-Woche.

● Tobias Hornung hat sich nach der Realschule in der Firma Abenstein (Ichenhause­n) zum Beton- und Stahlbeton­bauer ausbilden lassen, in einem anderen Betrieb Berufserfa­hrung gesammelt, den Meister gemacht und ist jetzt als Bauleiter wieder bei Abenstein tätig.

● David Paul lernt nach dem Abitur Metallbaue­r bei der Firma Hartmann in Thannhause­n. Seine Lehre dauert zwei statt dreieinhal­b Jahre.

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Foto: Imago Schon früh werden die Weichen gestellt für den Sohn oder die Tochter – aber vielleicht nicht immer richtig. Welche Möglichkei­ten Schule und berufliche Ausbildung bieten, sollen nun im Kreis Günzburg die Eltern von Drittkläss­lern erfahren.
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Foto: Till Hofmann Barabara Keppeler ist als Nachfolger­in von Thomas Schulze (beide Staatliche­s Schul amt Günzburg) im Landkreis auf der pädagogisc­hen Seite die Leiterin des Arbeits kreises „Schule–Wirtschaft“.

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