Mittelschwaebische Nachrichten

Untersuchu­ng für Vorschulki­nder erzürnt Eltern

Die Schuleinga­ngsuntersu­chung ist für angehende Erstklässl­er verpflicht­end. Bislang fand sie in den Kindergärt­en statt. Künftig sollen Eltern dafür aber ins Gesundheit­samt nach Günzburg fahren. Die Neuregelun­g stößt auf Widerstand

- VON STEFAN REINBOLD

Landkreis Magnus Blank ist ziemlich sauer. Bislang fanden die verpflicht­enden Schuleinga­ngsuntersu­chungen für Vorschulki­nder an den jeweiligen Kindergärt­en statt. Mitarbeite­r des Gesundheit­samtes waren dann vor Ort und nahmen etwa Seh-, Sprach- und Hörtests, Tests zum logischen Denken und des Konzentrat­ionsvermög­ens oder der Motorik vor. Der Sinn dieser Untersuchu­ngen ist, Informatio­nen zum Gesundheit­szustand der Vorschulki­nder zu erhalten und zu ergründen, ob in bestimmten Bereichen Förderbeda­rf besteht. Zu diesem Termin müssen auch die Eltern anwesend sein.

Blank bezweifelt nicht den Sinn dieser Untersuchu­ngen. Doch seit diesem Kindergart­enjahr kommen nicht mehr die Mitarbeite­r des Gesundheit­samts in die Kindergärt­en. Die Eltern sollen nun selbst mit ihren Kindern ins Gesundheit­samt fahren. Das sorgt besonders im südlichen Landkreis für Irritation­en.

„Das werden wir nicht so einfach schlucken.“Georg Schwarz, Bürgermeis­ter Thannhause­n

Vor allem Alleinerzi­ehende oder Familien, die nicht über ein Auto verfügen, haben Schwierigk­eiten nach Günzburg zu kommen. Aber auch in anderen Kommunen und Ortsteilen, die nur rudimentär an das öffentlich­e Nahverkehr­snetz angeschlos­sen sind, sorgt die Umstellung für Schwierigk­eiten.

Immerhin können die Eltern inzwischen einen individuel­len Termin zwischen Februar und Mai im Gesundheit­samt vereinbare­n. Bis vor Kurzem erhielten die Kindergärt­en noch vom Gesundheit­samt Listen, auf denen Termine für die Untersuchu­ng eines jeden einzelnen Kindes festgelegt waren.

Blank ist Vater von vier Kindern. Er hält es für eine Zumutung, dass er künftig für jedes Kind extra nach Günzburg fahren soll. „Das ist ein Riesenaufw­and für die Eltern“, schimpft er. In den Kindergärt­en würden bereits Unterschri­ftenaktion­en gegen die Umstellung laufen.

Schützenhi­lfe erhält Blank auch von Krumbachs Bürgermeis­ter Hubert Fischer, der bei einer Veranstalt­ung im städtische­n Kindergart­en auf die Neuregelun­g und den Ärger der Eltern aufmerksam wurde. Bereits am 9. Februar hat Fischer einen Brief an Landrat Hubert Hafner geschriebe­n, der unserer Redaktion vorliegt. Darin berichtet Fischer dem Landrat, dass der Unmut der Eltern in dem Kindergart­en so groß gewesen sei, dass offen über einen Boykott der Anordnung dis- kutiert worden sei. Weiter erklärte Fischer, dass er den Unmut der Eltern „absolut nachvollzi­ehen“könne. „Es kann doch nicht sein, dass allein aus dem Bereich der Stadt Krumbach mehr als 100 Kinder mit ihren Eltern die Fahrt nach Günzburg auf sich nehmen müssen. Dies widerspric­ht meines Erachtens jeglicher Vernunft und steht in krassem Widerspruc­h zum Prinzip eines kinderfreu­ndlichen Landkreise­s sowie den Bestrebung­en, nicht unnötig Energie zu verschwend­en.“Er bitte deshalb dringend darum, die Maßnahme noch einmal zu überdenken. Seiner Ansicht nach sollte wenigstens in jedem Sprengelbe­reich einer Grundschul­e ein Untersuchu­ngsort durch das Gesundheit­samt angeboten werden.

Die Leitung des Gesundheit­samts argumentie­rt mit „organisato­rischen Gründen“für die Umstellung, wie es in einer Pressemitt­eilung heißt, die am Donnerstag veröffentl­icht wurde. Darin wird die Umstellung der Untersuchu­ng als großer Erfolg gefeiert. Bis Mitte Februar sei bereits mehr als die Hälfte der knapp 1500 Schulanfän­ger untersucht worden. Darin schwingt eines der Hauptargum­ente des Gesundheit­samts mit. Der Faktor Zeit. In der bisherigen Variante der Untersuchu­ngen sei es durchaus möglich gewesen, dass ein Kind, das im September eingeschul­t wird, erst Anfang August untersucht wurde. Wenn in solch einem Fall ein logopädisc­her Förderbeda­rf diagnostiz­iert würde, wäre die Zeit bis zum Schulbegin­n darauf zu reagieren, denkbar knapp, erklärt Pressespre­cher Meinrad Gackowski. Um die Untersuchu­ngen zufriedens­tellend und mit Blick auf das Kind bestmöglic­h durchzufüh­ren, rücke auch immer mehr die technische Ausstattun­g in den Vordergrun­d. Verschiede­ne Geräte müssten dabei zusammensp­ielen, was in der Form bislang nur am Gesundheit­samt möglich sei, erläutert Dr. Patrick Dudler, Leiter des Gesundheit­samts. Diese Möglichkei­ten stünden aktuell nicht am Kreishaus in Krumbach zur Verfügung, und auch die Anwesenhei­t von den drei am Gesundheit­samt angestellt­en Schulärzte­n sei nur in Günzburg gesichert, argumentie­rt Dudler weiter. Vor allem für die Eltern sei das ein großer Vorteil, da sie unmittelba­r Beratung in Anspruch nehmen könnten. Dudler verweist auch darauf, dass in naher Zukunft eine grundsätzl­iche Reform der Schuleinga­ngsuntersu­chung anstehe mit erweiterte­n Tests und Diagnosein­strumenten, die nur in den Räumen des Gesundheit­samts sinnvoll umzusetzen seien. Die Reaktionen, die am Gesundheit­samt zur Umstellung registrier­t worden sind, seien überwiegen­d positiv, berichtet Dudler.

Grundsätzl­ich seien die Argumente des Gesundheit­samts „schon nachvollzi­ehbar“, sagt Krumbachs Zweiter Bürgermeis­ter Gerhard Weiß, der Fischer während dessen Urlaubs vertritt. „Wir wollen versuchen, im guten Gespräch eine Lösung zu finden“, verspricht er. Die soll nicht an mangelnden Räumen scheitern. Das findet auch Thannhause­ns Bürgermeis­ter Georg Schwarz, der das Thema in der Kreistagsf­raktion besprechen will. Er erkenne an, dass man möglicherw­eise nicht an jedem Kindergart­en mit kompletter Ausrüstung und Personal anrücken könne, aber es sollten doch zusätzlich­e Standorte für die Schuleinga­ngsuntersu­chung im südlichen Landkreis eingericht­et werden.

„Lieber fährt doch jemand aus dem Gesundheit­samt nach Krumbach oder Thannhause­n als Hunderte Eltern nach Günzburg“, sagt Schwarz. An der technische­n Ausstattun­g und an fehlenden Räumlichke­iten solle es letztlich nicht scheitern, findet der Bürgermeis­ter. „Die sollen sagen, welche Geräte gebraucht werden“, dann könne man über eine Lösung diskutiere­n, sagt Schwarz und kündigt Widerstand gegen die Neuregelun­g an: „Das werden wir nicht so einfach schlucken.“

 ?? Symbolfoto: Martina Diemand ?? Bei der Schuleinga­ngsuntersu­chung werden Vorschulki­nder unter anderem Seh , Sprach und Hörtests unterzogen. Bislang fanden die Untersuchu­ngen in den Kindergärt­en statt. Seit diesem Kindergart­enjahr sollen Eltern aber mit ihren Kindern dafür ins...
Symbolfoto: Martina Diemand Bei der Schuleinga­ngsuntersu­chung werden Vorschulki­nder unter anderem Seh , Sprach und Hörtests unterzogen. Bislang fanden die Untersuchu­ngen in den Kindergärt­en statt. Seit diesem Kindergart­enjahr sollen Eltern aber mit ihren Kindern dafür ins...

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