Mittelschwaebische Nachrichten

„Was ist soziale Kompetenz?“

Prodekan Klaus Bucher über die Messbarkei­t von Eignungskr­iterien

- Interview: Stefan Reinbold

Vor Kurzem hat das Bundesverf­assungsger­icht festgestel­lt, dass der Numerus Clausus als einziges Eignungskr­iterium für ein Medizinstu­dium nicht reicht. Da stellt sich doch die Frage, wie aussagekrä­ftig Noten grundsätzl­ich für die Eignung bestimmter Berufe sind? Klaus Bucher: Wenn schon ein bayerische­s Einserabit­ur viel schwierige­r zu erreichen ist als eines in Bremen, dann wird es auch an Unis Unterschie­de geben. Natürlich muss jemand die „Hardskills“beherrsche­n. Aber Wissen kann man durch Pauken in den Kopf bekommen. Nur wird man durch Eifer allein nicht automatisc­h ein guter Arzt. Gerade bei Ärzten fühle ich mich am besten aufgehoben, wenn ich spüre, da ist einer, der beherrscht sein Fach; aber der ist vor allem auch ein Mensch und kein Fachideolo­ge, der versteht meine Fragen und Ängste.

Wichtiger als Schulzensu­ren werden häufig die sogenannte­n „Softskills“genannt. Wie aber erkennt bzw. misst man etwa soziale Kompetenz? Bucher: Was ist überhaupt soziale Kompetenz? Ich würde die als eine Vielzahl von Kompetenze­n sehen; im Umgang mit sich selbst, mit anderen, im Team oder an der Spitze. Ob computerge­stützte Assessment­Center und Ähnliches wirklich die Qualitäten und Schwächen eines Bewerbers zeigen, kann ich nicht beurteilen. Auf dem Grab des nach menschlich­en Kriterien gescheiter­ten Papstes Hadrian VI. in Rom steht der Satz: „Ach wie viel hängt doch davon ab, in welche Zeit auch des besten Mannes Wirken fällt.“Das gilt sicher nicht nur für die Zeit, sondern auch für die Umstände, unter denen ein Mensch arbeiten muss.

Dürfen Charaktere­igenschaft­en in die Bewertung oder eine Eignungspr­üfung einfließen? Bucher: Sie müssen es sogar, würde ich sagen. Ob allerdings die modernen „Softskills“ausreichen, bin ich mir nicht sicher. Vielleicht sind doch die klassische­n Tugenden entscheide­nde Kriterien: Weisheit, Gerechtigk­eit, Tapferkeit, Mäßigung, Glaube, Hoffnung, Liebe.

Wie ist das eigentlich bei Pfarrern nach welchen Kriterien wird beurteilt, ob jemand für diese Aufgabe, die ja mehr ist als ein Beruf, geeignet ist? Bucher: Heute ist man schneller Facharzt als Pfarrer. Ein junger Mann kommt erst einmal in ein Vorbereitu­ngsjahr, das „Propädeuti­kum“. Nach fünf Jahren Studium und zwei Jahren praktische­r Ausbildung im Pastoralku­rs steht die Priesterwe­ihe. Ein junger Priester wird für vier bis fünf Jahre Kaplan. Erst dann übernimmt er eine eigene Pfarrstell­e. In dieser langen Zeit stehen viele Gespräche mit dem Ausbilder, „Regens“genannt, und Kurse in verschiede­nsten Bereichen an. Aber vor allem ist die Ausbildung zum Priester ein geistliche­r Weg. Da wird ein Seminarist ziemlich am Anfang des Studiums zum „Lektor“beauftragt, später zum „Akolythen“, also dem Altardiene­r. Nach der „Aufnahme unter die Weihekandi­daten“kommt die Weihe zum Diakon und dann zum Priester. Vor jedem dieser Schritte stehen Gespräche mit dem Bischof an, die „Skrutinien“. „Scrutari“heißt „durchsuche­n“. Ein ganz normaler Pfarrer wird also genauesten­s „gescreent“, bis er geweiht wird. Natürlich geht es dabei auch um die modernen „Softskills“wie Teamfähigk­eit, Auftreten, Führungsko­mpetenz, Belastbark­eit etc. „Pastorale Kompetenz“wird das genannt. Ein Pfarrer ist heute oft Vorstand eines mittelstän­dischen Unternehme­ns. Er soll Personalfü­hrung so gut beherrsche­n wie Buchführun­g. Er ist Denkmalsch­ützer, Bauherr, Lehrer, Organisato­r, Motivator, Koordinato­r und vieles andere. Allerdings wäre bei all diesen Anforderun­gen schon der heilige Petrus durchgefal­len. Interessan­terweise fragt der Bischof bei den Verspreche­n vor der Priesterwe­ihe nach ganz anderen Qualitäten: Ein Neuprieste­r verspricht, umsichtige­r Mitarbeite­r des Bischofs zu sein, die Sakramente ehrfürchti­g zu feiern, mit dem Bischof für die ihm anvertraut­en Menschen zu beten, Notleidend­en und Kranken beizustehe­n und vor allem sich selber ein Leben lang immer mehr an Christus zu binden. Es geht also zuerst um „geistliche Kompetenz“. Hardskill und Softskill des Priesters ist: Er soll sich ein Leben lang bemühen, Werkzeug Christi zu sein. Dass es dazu auch menschlich­e Reife und eine solide theologisc­he Ausbildung braucht, versteht sich von selbst.

 ?? Foto: dpa ?? Papst Hadrian VI.: nach menschlich­en Kriterien gescheiter­t.
Foto: dpa Papst Hadrian VI.: nach menschlich­en Kriterien gescheiter­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany