Mittelschwaebische Nachrichten
„Was ist soziale Kompetenz?“
Prodekan Klaus Bucher über die Messbarkeit von Eignungskriterien
Vor Kurzem hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass der Numerus Clausus als einziges Eignungskriterium für ein Medizinstudium nicht reicht. Da stellt sich doch die Frage, wie aussagekräftig Noten grundsätzlich für die Eignung bestimmter Berufe sind? Klaus Bucher: Wenn schon ein bayerisches Einserabitur viel schwieriger zu erreichen ist als eines in Bremen, dann wird es auch an Unis Unterschiede geben. Natürlich muss jemand die „Hardskills“beherrschen. Aber Wissen kann man durch Pauken in den Kopf bekommen. Nur wird man durch Eifer allein nicht automatisch ein guter Arzt. Gerade bei Ärzten fühle ich mich am besten aufgehoben, wenn ich spüre, da ist einer, der beherrscht sein Fach; aber der ist vor allem auch ein Mensch und kein Fachideologe, der versteht meine Fragen und Ängste.
Wichtiger als Schulzensuren werden häufig die sogenannten „Softskills“genannt. Wie aber erkennt bzw. misst man etwa soziale Kompetenz? Bucher: Was ist überhaupt soziale Kompetenz? Ich würde die als eine Vielzahl von Kompetenzen sehen; im Umgang mit sich selbst, mit anderen, im Team oder an der Spitze. Ob computergestützte AssessmentCenter und Ähnliches wirklich die Qualitäten und Schwächen eines Bewerbers zeigen, kann ich nicht beurteilen. Auf dem Grab des nach menschlichen Kriterien gescheiterten Papstes Hadrian VI. in Rom steht der Satz: „Ach wie viel hängt doch davon ab, in welche Zeit auch des besten Mannes Wirken fällt.“Das gilt sicher nicht nur für die Zeit, sondern auch für die Umstände, unter denen ein Mensch arbeiten muss.
Dürfen Charaktereigenschaften in die Bewertung oder eine Eignungsprüfung einfließen? Bucher: Sie müssen es sogar, würde ich sagen. Ob allerdings die modernen „Softskills“ausreichen, bin ich mir nicht sicher. Vielleicht sind doch die klassischen Tugenden entscheidende Kriterien: Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Mäßigung, Glaube, Hoffnung, Liebe.
Wie ist das eigentlich bei Pfarrern nach welchen Kriterien wird beurteilt, ob jemand für diese Aufgabe, die ja mehr ist als ein Beruf, geeignet ist? Bucher: Heute ist man schneller Facharzt als Pfarrer. Ein junger Mann kommt erst einmal in ein Vorbereitungsjahr, das „Propädeutikum“. Nach fünf Jahren Studium und zwei Jahren praktischer Ausbildung im Pastoralkurs steht die Priesterweihe. Ein junger Priester wird für vier bis fünf Jahre Kaplan. Erst dann übernimmt er eine eigene Pfarrstelle. In dieser langen Zeit stehen viele Gespräche mit dem Ausbilder, „Regens“genannt, und Kurse in verschiedensten Bereichen an. Aber vor allem ist die Ausbildung zum Priester ein geistlicher Weg. Da wird ein Seminarist ziemlich am Anfang des Studiums zum „Lektor“beauftragt, später zum „Akolythen“, also dem Altardiener. Nach der „Aufnahme unter die Weihekandidaten“kommt die Weihe zum Diakon und dann zum Priester. Vor jedem dieser Schritte stehen Gespräche mit dem Bischof an, die „Skrutinien“. „Scrutari“heißt „durchsuchen“. Ein ganz normaler Pfarrer wird also genauestens „gescreent“, bis er geweiht wird. Natürlich geht es dabei auch um die modernen „Softskills“wie Teamfähigkeit, Auftreten, Führungskompetenz, Belastbarkeit etc. „Pastorale Kompetenz“wird das genannt. Ein Pfarrer ist heute oft Vorstand eines mittelständischen Unternehmens. Er soll Personalführung so gut beherrschen wie Buchführung. Er ist Denkmalschützer, Bauherr, Lehrer, Organisator, Motivator, Koordinator und vieles andere. Allerdings wäre bei all diesen Anforderungen schon der heilige Petrus durchgefallen. Interessanterweise fragt der Bischof bei den Versprechen vor der Priesterweihe nach ganz anderen Qualitäten: Ein Neupriester verspricht, umsichtiger Mitarbeiter des Bischofs zu sein, die Sakramente ehrfürchtig zu feiern, mit dem Bischof für die ihm anvertrauten Menschen zu beten, Notleidenden und Kranken beizustehen und vor allem sich selber ein Leben lang immer mehr an Christus zu binden. Es geht also zuerst um „geistliche Kompetenz“. Hardskill und Softskill des Priesters ist: Er soll sich ein Leben lang bemühen, Werkzeug Christi zu sein. Dass es dazu auch menschliche Reife und eine solide theologische Ausbildung braucht, versteht sich von selbst.