Mittelschwaebische Nachrichten
Die Extra Portion Eiweiß
Immer mehr Lebensmittel sind mit Protein angereichert. Die Hersteller versprechen purzelnde Pfunde und mehr Muskeln. Experten halten den Trend für überflüssig und teuer
Augsburg Sind Sie auch schon auf dem Protein-Trip? Was früher nur Bodybuilder kauften, ist jetzt in Supermärkten Trend. Die ExtraPortion Eiweiß steckt in immer mehr Lebensmitteln. Da gibt es Vanillemilch mit extra Protein, Protein-Quark, Protein-Smoothies oder Skyr, den Joghurt mit dem komplizierten Namen, aber ganz viel Protein. Auch Eiweißbrote sind gefragt oder proteinreiche Müslis und Breie. Der neuste Schrei sind FitnessLandjäger mit 50 Prozent Eiweißgehalt sowie Eiweiß-Grillwürste. 2018 sei ein neuer Wachstumsschub für Protein-Lebensmittel zu erwarten, sagt Robert Kecskes, Handelsexperte der Gesellschaft für Konsumforschung, kurz GfK. Experten halten Protein-Nahrung dagegen für überflüssig und teuer.
Was bewirken Proteine?
Leistungssportler und Bodybuilder setzen schon lange darauf, Eiweiß in Pulverform oder Riegeln zu sich zu nehmen, um mehr Muskelmasse aufzubauen. Eiweiß steht zudem im Ruf, beim Abnehmen zu helfen. Proteinreiche Kost sättigt gut, besser als eiweißarme. Wer viel Protein zu sich nimmt, um schlanker zu werden, sollte aber wissen: Das klappt Untersuchungen zufolge nur etwa drei bis sechs Monate lang, wie Antje Gahl, Sprecherin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, erläutert. Der Abnehm-Effekt werde kleiner oder verschwinde ganz, wenn man auf Dauer auf ProteinKost setzt. „Auch Eiweiß liefert Energie und hat genauso viele Kalorien wie Kohlenhydrate.“
Was sagen Verbraucherschützer?
Die Lebensmittelindustrie hat den guten Ruf von Eiweiß inzwischen für sich entdeckt. Abnehm-Willige sollen die Extra-Portion Protein als vorgefertigte Kost beim Einkauf griffbereit im Regal finden. Und so werden Müslis mit Soja-, Erbsenoder Weizen-Eiweiß angereichert. Milch bekommt zusätzliches Milcheiweiß dazu. Knäcke- und Mischbrote werden mit extra Weizeneiweißkonzentrat gebacken, Smoothies mit Soja-Proteinen aufgepeppt. „Wir halten den mit billigen Zutaten kreierten Trend für die neuste Masche, Verbrauchern das Geld aus der Tasche zu ziehen“, kritisiert Andreas Winkler, Sprecher von Foodwatch. Protein-Produkte seien deutlich teurer als herkömmliche Angebote. So koste ein Protein-Drink Vanille mit 41 Cent pro 100 Milliliter knapp 40 Prozent mehr als die gängige Vanille-Milch.
Wie laufen die Eiweiß-Geschäfte?
Der bequeme Protein-Kick kommt gut an. Nicht zuletzt auch durch Werbebotschaften, die Muskelwachstum, Schlanksein oder gar Schutz vor Herzinfarkt suggerieren. Und es zahlt sich für die Hersteller kräftig aus. Allein im vergangenen Jahr erzielten Protein-Produkte einen Umsatz von über 200 Millionen Euro. Vier Jahre zuvor waren es nur rund 50 Millionen, wie eine gemeinsame Studie der Lebensmittelindustrie und der GfK ergab. „Wir werden eine weitere Steigerung sehen in diesem Jahr“, sagt Marktforscher Kecskes. „Die Käufer sind bereit, etwas mehr Geld für die ExtraPortion Eiweiß zu zahlen.“Nach der GfK-Studie kommen ProteinProdukte vor allem bei jungen und fitnessorientierten Bürgern an. Es greifen aber auch Konsumenten zu, die nur gelegentlich Sport treiben.
Kann man auch anders genug Proteine zu sich nehmen?
Eiweiß-Zusätze sind nach Ansicht von Expertin Gahl für einen gesunden Erwachsenen einfach nicht notwendig. Normaler Quark tut’s also auch. „Sogar Kraftsportler im Leistungssportbereich, Veganer und Abnehm-Willige können ohne Probleme ihren Proteinbedarf mit normalen eiweißreichen Lebensmitteln decken“, sagt Wiebke Franz, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Hessen. Ein Viertelliter Milch, drei Scheiben Vollkornbrot, ein kleiner Becher Joghurt, eine Portion Linsen und ein Stück Fisch – damit komme man schon auf gut 60 Gramm Protein. Das ist mehr als ein erwachsener Mann am Tag überhaupt an Eiweiß benötigt. Bei einer 60-Kilo-Frau seien es nur circa 48 Gramm. Selbst ein Breitensportler, der vier- bis fünfmal pro Woche eine halbe Stunde trainiert, muss nicht mehr Protein zu sich nehmen.