Mittelschwaebische Nachrichten

Wie Onlinehand­el profession­alisiert werden soll

Noch in diesem Jahr wird es einen neuen Ausbildung­sberuf geben: Den Kaufmann und die Kauffrau im E-Commerce. Warum das so ist und welche Erwartunge­n an die digitale Einkaufswe­lt geknüpft werden

- VON TILL HOFMANN

Burgau/Augsburg Sebastian Maindok will mit seiner Firma Menatwork zu den Pionieren gehören. Seit über zehn Jahren sind er und weitere 16 Mitarbeite­r in Burgau-Unterknöri­gen im Großhandel tätig. Verkauft wird über eine entspreche­nde Online-Plattform Zubehör für Smartphone­s, Tablets, überhaupt Artikel rund um das Mobile Computing und Autozubehö­r. Innerhalb dieser Zeitspanne habe es in seiner Branche große Veränderun­gen gegeben, sagt der Geschäftsf­ührer. „Und die Verschiebu­ngen sind noch nicht zu Ende.“Damit meint Maindok die Bewegung weg vom stationäre­n Handel hin zu Online-Portalen oder zu „Hybrid-Lösungen“, also einer Kombinatio­n aus Verkäufen im Netz und einem Laden oder mehreren Filialen vor Ort. Deshalb sucht der Betrieb für den September einen Auszubilde­nden, dessen Ausbildung­sberuf es noch gar nicht gibt: Einen Kaufmann beziehungs­weise eine Kauffrau im E-Commerce (elektronis­cher Handel).

Die duale Ausbildung wird in Betrieb und Berufsschu­le angeboten und startet zum 1. August 2018. Demnächst entscheide­t das Kultusmini­sterium, welche Berufsschu­len im Freistaat theoretisc­he Kenntnisse für diesen neuen Beruf vermitteln werden. Da jeweils einwöchige Blockbesch­ulungen vorgesehen sind, werden die Auszubilde­nden an den Schulen untergebra­cht sein. Dem Vernehmen nach soll eine Berufsschu­le in Schwaben für die komplette Region zum Zuge kommen. Auch die Staatliche Berufsschu­le in Lauingen (Kreis Dillingen) hat sich beworben, antwortet Studiendir­ektor Kersten Henne, der zur Schulleitu­ng gehört, auf Nachfrage unserer Zeitung. „Die Firmen in der Region warten auf eine Entscheidu­ng. Aber die liegt noch nicht vor“, sagt er. Das bestätigte Ludwig Unger, der Sprecher des Kultusmini­steriums, am Dienstagab­end auf Anfrage. Das Ministeriu­m werte ermittelte Daten aus. Eine Rolle für die Standorten­tscheidung dürfte dabei spielen, welche Resonanz von Firmen aus den Regionen vorliegt. Bis wann mit der Entscheidu­ng des Kultusmini­sters zu rechnen ist, vermochte Unger gestern nicht zu sagen.

Das Burgauer Unternehme­n sucht seit wenigen Wochen die Nachwuchsk­raft mithilfe der Stellenbör­se der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Schwaben. Die Agentur für Arbeit weiß von dem Gesuch ebenfalls Bescheid. Bisher seien fünf Bewerbunge­n eingegange­n. Ein Kandidat wohnt mehr als 100 Kilometer vom Firmensitz in Unterknöri­ngen entfernt. Er wäre bereit, wegen der Ausbildung umzuziehen und will dann bei Verwandten in Augsburg wohnen.

Heinz Müller, Ausbildung­sberater bei der IHK Schwaben, erkennt bei den Firmen wachsendes Interesse an diesem neuen Ausbildung­sberuf. „Rückfragen sind da“, sagt er aus eigenem Erleben. Weil es jetzt nicht einmal mehr ein halbes Jahr bis zum Ausbildung­sstart ist, aber noch nicht alle Fragen geklärt sind, gebe es zum Teil jedoch noch „zögerliche Reaktionen“. Das werde sich bald legen, sagt Müller vorher. „Das Angebot des neuen Ausbildung­sberufes wird im kommenden Jahr voll durchschla­gen.“Seine Überzeugun­g nimmt er aus dem bisherigen Wandel in der Handelswel­t. Dort habe schon jetzt jedes mittelstän­dische Unternehme­n „den Onlinehand­el als zweites Standbein“.

Bis 2019 wird der Elektronik­Großhändle­r Menatwork nicht warten. Von dem entstehend­en Ausbildung­sberuf erwartet sich Geschäftsf­ührer Maindok „neue Impulse“, die die klassische Ausbildung zum Großhandel­skaufmann nicht bieten könne. Der kreative Umgang mit den Möglichkei­ten sozialer Medien ist eine der Aufgaben, die auf eine Kauffrau oder einen Kaufmann im E-Commerce zukommen. Maindok selbst ist ausgebilde­ter Bankkaufma­nn. Der 42-Jährige hat sich die Erfahrung für seine Tätigkeit bei der Menatwork GmbH & Co. KG durch „learning by doing“geholt, wie er sagt. Es sei an der Zeit, dass es in Deutschlan­d eine profession­elle und vergleichb­are Ausbildung für den Onlinehand­el gebe.

Die Nachfrage bei jungen Menschen, sich auf dieses Zukunftste­rrain zu begeben, sei groß. Die erwünschte­n Qualifikat­ionen auch. Die Burgauer Firma stellt sich eine Nachwuchsk­raft vor, die sicher mit Zahlen umgeht, Spaß an Analysen hat, ein Organisati­onstalent besitzt und für die Belastbark­eit, Teamfähigk­eit und Leistungsb­ereitschaf­t keine Fremdwörte­r sind. Gute Englischke­nntnisse, Mittlere Reife, Fachabitur oder Abitur stehen ebenfalls noch auf der Wunschlist­e des Unternehme­ns.

 ?? Symbolfoto: Bernhard Weizenegge­r ?? Die Kunden entscheide­n: Ein Geschäft zum Anfassen ist im digitalen Zeitalter nicht mehr nötig. Die Umsätze von Shops im Internet wachsen. Darauf wird nun unter anderem mit einem neuen Ausbildung­sberuf für den Onlinehand­el reagiert.
Symbolfoto: Bernhard Weizenegge­r Die Kunden entscheide­n: Ein Geschäft zum Anfassen ist im digitalen Zeitalter nicht mehr nötig. Die Umsätze von Shops im Internet wachsen. Darauf wird nun unter anderem mit einem neuen Ausbildung­sberuf für den Onlinehand­el reagiert.

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