Mittelschwaebische Nachrichten

Selbst der Kaiser fiel auf die Schwindler­in herein

Anna Laminit aus Augsburg verstand sich als fromme Visionärin darzustell­en

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Krumbach Immer wieder kommt es vor, dass heiligmäßi­ge Menschen ohne Nahrung leben können. Am bekanntest­en ist wohl der heilige Bruder Klaus von Flüe. Gleiches wissen wir von der Resl in Konnersreu­th. Solchen Phänomenen, dass jemand nur von der heiligen Kommunion lebt, begegnen wir mit einigem Misstrauen. Es könnte sich ja um einen religiösen Schwindel handeln. Sowohl bei Bruder Klaus wie bei der Resl von Konnersreu­th gab es genaue Prüfungen, die bestätigte­n, dass sie keine Nahrung zu sich nahmen.

Diese Prüfung bestand eine Anna Laminit aus Augsburg nicht, trotzdem hat sie noch zwei Jahre den frommen Schein aufrecht erhalten. Aber erzählen wir die Geschichte von Anfang an: Die Tochter eines Handwerker­s fiel schon in früher Jugend auf, sodass man sie wegen ihres lockeren Lebenswand­els aus Augsburg mit Ruten vertrieb, nachdem man sie schon zuvor an den Pranger gestellt hatte. Nach einer gewissen Zeit konnte sie, dank prominente­r Fürspreche­r, wieder nach Augsburg zurückkehr­en. Die Familie Welser spielte dabei eine Rolle. Von einem Welser hatte sie ein uneheliche­s Kind, für das sie Alimente erhielt. Zwar war das Kind bald nach der Geburt gestorben, aber Anna Laminit verstand es, dies zu verheimlic­hen. Sodass sie weiterhin finanziell unterstütz­t wurde.

Erstaunlic­herweise fand sie dann als Begine Aufnahme in das Seelhaus, in dem arme, ehrbare Frauen lebten, die täglich die heilige Messe besuchten, ein Leben des Gebetes führten und sich um die Gräber der Stifterfam­ilien kümmerten. Jetzt setzt plötzlich die Heiligkeit der Anna Laminit ein. Sie hat Offenbarun­gen. Engel erscheinen ihr und vor allem pflegt ihre Namenspatr­onin, die heilige Mutter Anna, ein enges Verhältnis zu ihr. Anna Laminit behauptet, dass sie seit 14 Jahren ohne Nahrung lebe und deshalb auch keine Ausscheidu­ngen habe. Ihr Ruf der Heiligkeit lässt viele Menschen bei ihr Rat suchen und um Hilfe bitten. Es seien auch Heilungen geschehen. So wird erzählt. Die Rat- und Hilfesuche­nden unterstütz­en die arme Begine großzügig. Freilich das Wenigste schenkt sie an Arme weiter. Selbst der Kaiser Maximilian sucht sie mehrfach auf, ebenso seine Frau, die sogar eine Bittprozes­sion veranstalt­et, an der halb Augsburg teilnimmt.

Die Schwester von Kaiser Maximilian, eine tiefgläubi­ge Frau, steht der geschäftst­üchtigen Visionärin und Hungermärt­yrin skeptisch gegenüber. Sie lädt sie zu sich nach München ein. Herzogin Kunigunde brachte Anna Laminit mit der gebotenen Ehrfurcht im Gästezimme­r unter, sorgte aber durch Gucklöcher dafür, dass die Begine aus Augsburg rund um die Uhr unter Beobachtun­g stand. Das Ergebnis bestätigte die Vermutung der Herzogin, dass es sich bei der Visionärin um eine fromme Schwindler­in handelt. Sie stellte sie zur Rede und ermahnte sie eindringli­ch, nicht länger alle Welt anzulügen. Die Ermahnung fruchtete freilich wenig. Nach Augsburg zurückgeke­hrt setzte sie ihr Treiben fort.

Trotz vornehmer Fürspreche­r sah sich der Rat der Stadt genötigt, sie der Stadt zu verweisen. Noch kurz hielt sie sich bei Klosterfra­uen in Kempten auf, aber verheirate­te sich 1514 in Kaufbeuren und zog in die Schweiz. Die Welser, die immer ihre schützende Hand über sie gehalten hatten, mussten erkennen, dass sie auf eine Schwindler­in hereingefa­llen waren. Es kam schließlic­h in der Schweiz zu einem Prozess. Ohne zu leugnen gestand sie alle Anklagepun­kte und wurde zum Tod durch Ertränken verurteilt, während ihr Mann wegen Beihilfe den Tod durch Erhängen erleiden musste. Diese Episode der Augsburger Stadtgesch­ichte wurde nie an die große Glocke gehängt, zumal auch Martin Luther die „Visionärin“bei seiner Romreise aufgesucht hatte. Dass die Welser alles daran setzten, um möglichst rasch wieder zur Tagesordnu­ng zurückzuke­hren, versteht sich von selbst.

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Foto: Pfarrarchi­v Das Bild zeigt den heiligen Bruder Klaus von Flüe, der viele Jahre nur von der hei ligen Kommunion lebte.

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