Mittelschwaebische Nachrichten
Landet der Kruzifix Streit vor Verfassungsgericht?
Ein Kreuz in jeder Behörde: So denken Juristen, Politiker und Geistliche
Augsburg Neue Runde im bayerischen Kruzifix-Streit: Während die Opposition und renommierte Juristen die Entscheidung der Bayerischen Staatsregierung, im Eingangsbereich staatlicher Gebäude ein Kreuz aufzuhängen, wahlweise für ein Wahlkampfmanöver oder einen Verfassungsverstoß halten, verteidigt die CSU den Beschluss mit deftigen Tönen. Man führe damit „keinen Kulturkampf und keinen Kreuzzug“, betonte Generalsekretär Markus Blume. Bei den Kritikern handle es sich um eine „unheilige Allianz von Religionsfeinden und Selbstverleugnern“. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte am Abend in den ARDTagesthemen: Das Kreuz sei „in erster Linie ein religiöses Symbol“, es gehöre „aber auch zu den Grundfesten des Staates“. Er glaube nicht, dass sich Muslime, Juden oder Atheisten durch das Aufhängen des Kreuzes bedrängt fühlen. Er wundere sich, dass „wir über Toleranz für andere Religionen reden und uns nicht trauen, zu unserer eigenen Religion zu stehen“.
Bei einem harten Schlagabtausch im Landtag hatte die grüne Fraktionschefin Katharina Schulze der Staatsregierung und der CSU zuvor vorgeworfen, die Verordnung sei ein „kaltes Kalkül für mehr Wählerstimmen“. Das Kreuz sei das Symbol des gekreuzigten und wiederauferstandenen Christus und das zentrale Symbol des Christentums. Es stehe „für Hoffnung auf Erlösung, nicht für Hoffnung auf Mehrheiten“.
Der angesehene Würzburger Staatsrechtler Horst Dreier rechnet fest damit, dass der Kruzifix-Streit am Ende vom Bundesverfassungsgericht geklärt wird. Mit der Anweisung, Kreuze aufzuhängen, verstoße der Freistaat klar gegen das im Grundgesetz verankerte religiösweltanschauliche Neutralitätsgebot. Kreuze hätten in amtlichen Räumen genauso wenig etwas zu suchen wie Kopftücher bei Richterinnen und Lehrerinnen. Wörtlich sagte er: „Es würde mich wundern, wenn die Sache nicht vor Gericht landet.“
Auch der frühere bayerische Kultusminister Hans Maier (CSU) kritisierte Söder scharf: Es wäre besser gewesen, so Maier, „alle bei uns lebenden Religionen zur Verständigung aufzurufen, anstatt Andersdenkende durch Symbolpolitik auszugrenzen“. Der Leiter des katholischen Büros in München, Lorenz Wolf, betonte dagegen: „Wir begrüßen es, wenn christlich geprägte Grundwerte unseres Gemeinwesens, insbesondere Menschenwürde, Nächstenliebe, Toleranz und Solidarität, wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken.“
In der Region sind die Reaktionen geteilt. Der Donau-Rieser Landrat Stefan Rößle (CSU) hat nach Auskunft seiner Pressestelle bereits zwei Kreuze im Amtsgebäude hängen. „Weitere werden vermutlich folgen.“Sein Unterallgäuer Kollege Hans-Joachim Weirather (Freie Wähler) dagegen ist skeptisch: Das Kreuz sei kein Bekenntnis zur Identität und zur kulturellen Prägung Bayerns. „Vielmehr ist es das zentrale Zeichen des Christentums, und zwar weltweit!“Mit dem Streit beschäftigt sich auch der von Gregor Peter Schmitz.
Was die Kirche darf und soll, weiß Markus Söder ganz genau. Sie soll sich zurückhalten, vor allem wenn es um Kritik an seiner Politik geht.
Als Kirchenobere voriges Jahr den harten Kurs der CSU in der Flüchtlingspolitik zu monieren wagten, zog Söder eine klare Obergrenze. Die Kirche dürfe sich nicht als „Ersatzpartei“bewerben, dekretierte er – sie solle lieber die Frohe Botschaft mit mehr Freude verkünden und so die Spiritualität im Volk fördern, schließlich sei auch esoterische Literatur gerade in Buchhandlungen sehr gefragt.
Von ähnlicher Zurückhaltung im Spannungsfeld zwischen Religion und Politik hält Söder umgekehrt aber nichts, das zeigt das aktuelle Kreuz mit der Kreuz-Debatte. Die dreht sich ja gar nicht darum, ob Kruzifixe in bayerischen Amtsstuben hängen sollen (in vielen hängen sie schon). Auch nicht darum, ob das Aufhängen im Eingangsbereich das staatliche Neutralitätsgebot verletzt oder nicht (das muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden). Und schon gar nicht um die Frage, ob das Christentum und seine Symbole zu Bayern gehören (bestreitet dies jemand?).
Es geht vielmehr um den Akt der Aufhängung, den man nicht anders bezeichnen kann als: übergriffig. Aus allen Winkeln ließ sich der Landesvater fotografieren, wie er das Kreuz anbrachte. Söder wirkte dabei ganz bei sich, er gilt nicht umsonst als der erste Instagram-Ministerpräsident. Der Franke posierte professionell mit dem Kreuz, ähnlich wie er es früher beim Anlegen seiner Karnevalskostüme getan hat, wie er sich einst neben seinen Hunden ins Bild rückte oder das Strauß-Poster über seinem Jugendbett stolz vorzeigte.
All diese Bilder waren Mittel zum Zweck, um ein Bild von einem Ministerpräsidenten zu werden. Und auch mit dem KreuzBild glaubte Söder offenbar, politisch punkten zu können. Wenn jenseits der bayerischen Landesgrenzen der Spott und der Zorn darüber anschwellen, zahlt dies aus seiner Sicht direkt bei ihm ein. Natürlich erinnerte sich Söder zudem, wie 1995 CSU, Kirche und weite Teile der Bevölkerung gegen das Kruzifix-Urteil protestierten. Und selbstredend hatte er registriert, wie Horst Seehofers IslamKritik bei der Parteibasis ankam.
Daher hat Söder, bewusst oder unbewusst, das Kreuz auch ein wenig als Waffe geschwenkt, als Ausgrenzung derer, die nicht an dieses Kreuz glauben. Dass das Bundesverfassungsgericht dies monieren könnte? Bis die entscheiden, ist die Landtagswahl vorbei.
Wie gesagt: Den Politstrategen Söder mussten all diese Vorteile ungeheuer reizen. Aber sein politischer Instinkt müsste ihn auch spüren lassen, dass Bayern sich verändert hat. Hierzulande fragen Personalchefs nicht mehr nach der Religion, sondern wollen die Besten einstellen. Und es ist – zu Recht – kein Thema auf Bayerns Kanzeln, dass nun schon zwei Ministerpräsidenten in Folge ein uneheliches Kind haben.
Weil er das eigentlich weiß, wollte Söder ja im Amt weg von allzu tumbem Auftreten. Mehr Staatsmann, weniger Krawallbruder. In den ersten Wochen ist ihm das erstaunlich gut gelungen. Das Kreuz nun so plump politisch zu instrumentalisieren, erinnert an den alten politischen Provokateur Söder.
Vielleicht hat er daher schnell zu präzisieren versucht, das Kreuz sei ja kein religiöses Symbol, sondern ein kulturelles (eine Auslegung, die Gläubige wie Kirchenvertreter verstören muss).
Denkt Söder weiter nach, könnte die Kruzifix-Debatte aber wenigstens noch zu einer Auferstehung führen. Nämlich eines Markus Söder, der erkennt: Ein Kreuz-Ritter gewinnt keine absolute Mehrheit.
Wollte Söder nicht weg vom Krawall-Image?