Mittelschwaebische Nachrichten
Zu verschenken
Früher war weniger Einladung zur Selbstbedienung. Da stand zwar der Sperrmüll draußen auf der Straße und die Leute griffen im Schutz der Dunkelheit zu, wenn sie etwas gebrauchen konnten. Aber gern gesehen waren die Durchwühler und unautorisierten Mitnehmer nicht. Heutzutage ist das anders. Kartons und Kram mit einem Zettel „Zu verschenken“sind zu einem Massenphänomen auf den Bürgersteigen geworden.
Die Straße wird an manchen Tagen zur Geschenkboutique. Alle paar Meter steht etwas, versehen mit der Aufforderung, sich zu bedienen. Bücher, Geschirr, Schuhe, Kinderspielzeug und Nippes füllen Kisten, die freilich niemals leer werden, weil die Geschenk annahme bereitschaft der Lauf kundschaft begrenzt ist. Darüber, was ein Geschenk ist und was Abfall, gehen die Meinungen natürlich auseinander. Die Entsorgung von Klein müll, das wissen sicher auch die Kartonaufsteller, geht schneller an der Tonne. Insofern darf man den Schenkenden die gute Absicht nicht absprechen. Etwas anders liegt der Fall bei größeren Geschenken. Trimmräder, alte Badewannen oder Wohnzimmerwände: Solche Trümmer, an denen ein „Zu verschenken“-Zettel baumelt, werden zumindest mit der Hoffnung offeriert, sich selbst die Mühsal des Fortschaffens zu ersparen.
Die neue Geschenkkultur auf unseren Straßen tangiert natürlich auch Vorschriften, kommunale Satzungen und was es sonst Einschlägiges gibt. Fast überall gelten die Präsentkisten als illegale Ablagerung und sind streng genommen (und es wird ja vieles gern streng genommen) nicht erlaubt. Außerdem finden viele Vernünftige (und es finden sich ja viele vernünftig), dass es doch sinnvoller ist, seine Gaben direkt zu karitativen Einrichtungen zu bringen. Die beiläufige Unterhaltung von Passanten und das kleine Zufallsglück? Ist den Ordentlichen egal.