Mittelschwaebische Nachrichten
Das ist die Silberdistel unserer Zeitung
Augsburg Das Thema Wohnen treibt die Bürger um: Bezahlbarer Wohnraum fehlt, Menschen mit einem geringen Einkommen, Studenten, Senioren, Alleinerziehende und auch Flüchtlinge tun sich schwer, eine passende und bezahlbare Bleibe zu finden. Für Matthias SchopfEmrich und Thomas KörnerWilsdorf vom Augsburger Verein „Tür an Tür“ist das Thema nicht neu, doch es hat an Brisanz gewonnen. Der Verein, der sich für Menschen in solch schwierigen Situationen einsetzt, erhält nun die Silberdistel unserer Zeitung.
Von Anfang an: 1995 übernahm der erst kurz zuvor gegründete Verein das Augsburger „Wohnbüro“, das von der Auflösung bedroht gewesen war. Ein Teil der engagierten Gruppe kannte sich schon lange. Sie hatten sieben Männer aus Bangladesch unterstützt, die im November 1989 in einer Kirche im Augsburger Stadtteil Göggingen Schutz suchten. Das mehrmonatige Kirchenasyl war eines der ersten in Bayern, das erste in der Stadt, erinnert sich Körner-Wilsdorf. Die Helfer waren es auch, die Jahre später den Bewohnern der Augsburger Asylbewerberunterkunft im Fabrikschloss zur Seite standen. Schopf-Emrich: „Das war dort eine irre Situation. Es war wie in einem Slum. Es gab keine Toiletten. In der Halle, die oben offen war, herrschten Minustemperaturen, es stank furchtbar.“1200 Männer waren dort teilweise untergebracht. Weil sich die kirchlichen Organisationen weigerten, Berater hinzuschicken, übernahm der Kreis der Engagierten diese Aufgabe.
Im Wohnbüro wollten sie schließlich sozial benachteiligte Frauen und ● Besonderheit Silberdistel? Ist das nicht das stachelige Gewächs am Boden? Eignet sie sich überhaupt als Auszeichnung? Ja, sehr sogar. Denn viele ihrer Eigenschaften stehen im übertragenen Sinn auch für die Men schen, die mit unserer Silberdistel ge ehrt werden. So gelten Disteln als wehrhaft. Und viele unserer Preisträger
bei der Wohnungssuche unterstützen. „Da waren auch Menschen mit Migrationshintergrund dabei. Wir wollten ihre Nachteile, wie Sprachprobleme, fehlende Ortskenntnis und Kontakte ausgleichen“, sagt Schopf-Emrich. Ein Ziel, das bis heute gilt. Mitte der 90er Jahre war alles noch sehr improvisiert. Es gab ein kleines Vereinsbüro, der erste Antrag für EU- mussten sich schon gegen Ableh nung wehren. Außerdem ist diese be sonders geschützte Pflanze ein Tief wurzler. In die Tiefe reicht auch das Wirken der Menschen, die sich ge sellschaftlich vielfältig engagieren. ● Vorschläge Mehr als 320 Personen und Initiativen haben unsere Silber distel bereits erhalten. Der Preis besteht
Fördermittel wurde in zwei Nachtschichten an einem Küchentisch geschrieben. Um die 30 Seiten umfasste damals das Schriftstück, so Schopf-Emrich. „Es war ein Akt der Verzweiflung.“Denn Arbeit gab es genug, was fehlte, war das Geld.
Die Zeiten haben sich geändert, die Probleme sind dieselben geblieben. Es werden immer noch Förderanträge geschrieben. SchopfMänner aus einer Urkunde und einer kunst voll in Silber gearbeiteten Distelblüte, die eigens in der „Alten Silber schmiede“in Augsburg angefertigt wurde. Jede Leserin und jeder Leser kann Vorschläge für weitere Träger un serer Auszeichnung machen. An sprechpartner finden sich in unseren Lokalredaktionen. (AZ)
Emrich: „Der letzte Antrag umfasste 500 Seiten ohne Anlagen.“Doch das entmutigt die kämpferischen Weggefährten nicht. Sie haben viel erreicht: Bei asylpolitischen Kaffeefahrten hielten sie Politikern und Mitarbeitern von Behörden die teilweise untragbaren Zustände in Asylbewerberunterkünften der Region vor Augen, als 2015 der große Flüchtlingsstrom einsetzte, standen