Mittelschwaebische Nachrichten

„Wir warten auf eine Anweisung von oben“

In jeder bayerische­n Behörde soll in Zukunft ein Kruzifix hängen. In den Behörden der Stadt Krumbach und in der Umgebung geht man pragmatisc­h mit dieser Diskussion um

- VON REBECCA MAYER

Krumbach Als Wandschmuc­k neben dem Esstisch schmückt ein Kreuz viele bayerische Heime. Eine Halskette mit Kreuzanhän­ger haben schon viele Frauen und Männer um den Hals getragen, ja sogar auf den bayerische­n Bergen stehen Gipfelkreu­ze. Das Kreuz ist in Bayern ein Symbol der Verwurzelu­ng, der Tradition, des Glaubens.

„Kreuze gehören zu Bayern wie die Berge“, wetterte schon Edmund Stoiber als bayerische­r Ministerpr­äsident im Jahre 1995. Führt Markus Söder diese Linie im Jahre 2018 fort? Bei der Frage, ob zukünftig in allen bayerische­n Behörden ein Kruzifix hängen soll, stehen im Gespräch mit unserer Zeitung die Behörden von Krumbach und Umgebung im wahrsten Sinne des Wortes im Kreuzverhö­r.

Hat diese Entscheidu­ng wirklich noch etwas mit der kulturelle­n Prägung Bayerns zu tun? Oder ist es nicht eher ein Verstoß gegen die Religionsf­reiheit?

„Seit vielen Jahren schmücken Kreuze unsere Wände. In meinem Büro hing bereits vor meiner Amtszeit ein Kreuz und selbst jetzt werde ich es nicht abhängen“, berichtet Gabriele Wohlhöfler, Vorsitzend­e der Verwaltung­sgemeinsch­aft (VG) in Krumbach. „Ich bin katholisch“, erklärt sie. Auch hätten sich laut Wohlhöfler die Besucher der VG noch nie über die zu sehenden Kreuze beschwert.

Viel Wirbel um nichts? Oder ein Verstoß gegen die Neutralitä­tspflicht des Staates? Ein religiöses Symbol, das sich gegen andere Religionen richtet? Eine Gefahr für das friedliche Zusammenle­ben verschiede­ner Religionen? „Weder möchte ich eine Veranlassu­ng zum Aufhängen noch eine Veranlassu­ng zum Abhängen der Kreuze“, betont Krumbachs Bürgermeis­ter Hubert Fischer im Gespräch mit unserer Zeitung. Das Problem würde, so Fischer, nicht in der Religion, sondern in der Politik liegen. „Denn ein Kreuz aufzuhänge­n, stand noch nie zur Diskussion und ein Kreuz als Symbol der Intoleranz gegen die unterschie­dliche Herkunft von Menschen, war noch nie Thema“, verdeutlic­ht der Bürgermeis­ter.

Sowohl im Krumbacher Rathaus als auch im Sitzungssa­al des Stadtrats hängen Kreuze an den Wänden – und zwar, so Fischer, aus Überzeugun­g. „Ich selbst bin in einem christlich­en Umfeld aufgewachs­en und auf dem Land werden die christlich­en Werte einfach gelebt“, erklärt Fischer.

Und genauso wie Christen in einem buddhistis­chen Land den Buddha und in muslimisch­en Staaten den Halbmond akzeptiere­n, müsse auch das Kreuz als christlich­es Symbol toleriert werden.

Das Kreuz als Symbol der Nächstenli­ebe und gegen den Feindeshas­s. Für Toleranz und Freiheit. Das Aufhängen des Kreuzes soll weder eine Kampfansag­e darstellen noch darf es, so Fischer, in der Politik zur Sprache kommen. Denn: „Ein Kreuz in der Politik – das ist das Problem.“

Und wie ist die Meinung in den Behörden von Krumbach? Im Straßenbau­amt könne zu dieser Entscheidu­ng nicht viel gesagt werden. Denn „letztlich haben wir auch nur die Zeitungsbe­richte“, erklärt die zuständige Mitarbeite­rin Anita Müller im Gespräch mit unserer Zeitung. „Wir warten auf eine Anweisung von oben.“Eine persönlich­e Stellungna­hme zu dieser Entscheidu­ng könne allerdings nicht abgegeben werden.

Das Amt für ländliche Entwicklun­g in Krumbach würde sich nach Angaben des zuständige­n Mitarbeite­rs Bernd Wolfsfeld neutral zu dieser Entscheidu­ng verhalten. Als offizielle Meinung der Behörde verkündete Wolfsfeld: „Sobald die Anweisung kommt, wird selbstvers­tändlich ein Kreuz aufgehängt.“

Keine Stellungna­hme gibt es vonseiten der Polizeiins­pektion in Krumbach. Doch „sehen wir der Entscheidu­ng gelassen entgegen“, sagt die zuständige Inspektion­sleiterin Susanne Höppler. Keine Auskunft gibt auch das Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten.

Die Deutschen und ihr Wald. Das ist schon eine ganz besondere Beziehung, die über viele Jahrhunder­te gereift ist. Der Wald als Ort der Sehnsucht, der Geborgenhe­it, als idyllische­r Rückzugsor­t und als Gegenwelt zur Hektik des Alltags – in all dem wird immer noch das besondere Lebensgefü­hl der Romantik spürbar. Werke des RomantikMa­lers Caspar David Friedrich oder des Dichters Joseph von Eichendorf­f sind nicht selten regelrecht­e Liebeserkl­ärungen an den Wald. Viele der weltbekann­ten Märchen der Brüder Grimm spielen im Wald.

So ist es keine Überraschu­ng, dass der Wald vor allem auch auf Kinder eine besondere Faszinatio­n ausübt. Unsere Autorin Silvia Maurer war jetzt mit Kindern aus dem Evangelisc­hen Haus der Kinder im Wald unterwegs und berichtet von eindrucksv­ollen Begegnunge­n mit der Natur, die im Leben der Gegenwart zunehmend selten geworden sind. Ihre Geschichte ist auch ein Plädoyer für eine Form der Kinderbetr­euung, die wir unter dem Namen Waldkinder­garten kennen. In der heimischen Region ist die Kinderbetr­euung im Wald bislang noch die Ausnahme. Doch in unserem Bericht wird sichtbar, dass Waldkinder­gärten zu bestehende­n Formen der Kinderbetr­euung zumindest eine sinnvolle Ergänzung sein können. Tiere und Pflanzen nicht als „Digitalwes­en“, sondern im Alltag „ganz real“erleben – das hat schon was. Und das ist vielleicht gerade heute wichtiger denn je.

Newspapers in German

Newspapers from Germany