Mittelschwaebische Nachrichten

„Wir dürfen Straftäter­n nicht hinterherh­inken“

Der Krumbacher GdP-Vize Peter Pytlik erklärt im Gespräch warum die Reform des Polizeiauf­gabengeset­zes aus Sicht der Polizei notwendig ist und warum sich die Bürger deswegen nicht um ihre Freiheit sorgen müssen

- Interview: Stefan Reinbold

Herr Pytlik, der Innenminis­ter Joachim Herrmann betonte zuletzt, mit dem neuen Polizeiauf­gabengeset­z ändere sich im Grunde nichts. Warum brauchen wir dann ein neues? Peter Pytlik: Das Polizeiauf­gabengeset­z zu novelliere­n ist aus Sicht der GdP eine angemessen­e Maßnahme, um auf die neuen Gefahren und Bedrohungs­lagen zu reagieren. Ein Teil der Reform bietet mehr Möglichkei­ten zur Prävention. Grundsätzl­ich begrüßen wir als GdP das neue Gesetz. Es beinhaltet vieles, was unseren Kolleginne­n und Kollegen die Arbeit erleichter­t. Die „drohende Gefahr“einzuführe­n ist für die heutige Sicherheit­slage eine zeitgemäße Maßnahme. Das neue Gesetz stärkt die Handlungsf­ähigkeit der Polizei, gibt ihr zeitgemäße Befugnisse und ermöglicht ein früheres Eingreifen im Kampf gegen Terror, Amokläufe und andere kriminelle Handlungen.

Die Stimmung in Bayern ist angesichts der Gesetzesin­itiative des Innenminis­ters gereizt. Vor allem in Sozialen Netzwerken kursieren viele Halbwahrhe­iten, zum Teil auch Unwahrheit­en über das Gesetz. Man darf annehmen, dass nicht alle, die gegen das Gesetz protestier­en, Kriminelle sind, aber warum ist der Widerstand Ihrer Meinung nach so groß? Pytlik: Nein, natürlich nicht. Es ist auch völlig legitim und auch gut, dass über die Novellieru­ng des Polizeiauf­gabengeset­zes diskutiert wird. Aber wenn man diskutiert, sollte man auch sachlich bleiben und keine Unwahrheit­en in die Welt setzen. Einzelne Parteien sollten jetzt nicht parteipoli­tischen Populismus betreiben und Szenarien an die Wand malen, die es nicht gibt. Nicht alles ist geeignet, um sich im Wahlkampf entspreche­nd darzustell­en, vor allem nicht eine unnötige Diskussion, wenn es um unser aller Sicherheit geht. Nicht der Staat bedroht die Bürgerrech­te, sondern Straftäter, Extremiste­n und Terroriste­n.

Problemati­sch ist in vielen Augen, Sie haben es bereits angesproch­en, dass die Polizei künftig schon bei „drohender Gefahr“tätig werden kann. Der präventive Ansatz macht wohl vielen Bürgern Angst, ungerechtf­ertigt zum Ziel polizeilic­her Ermittlung­en und Aktionen zu werden. Im schlimmste­n Fall, so die Sorge, ist man polizeilic­her Willkür unterworfe­n. Was ist dran an dieser Angst? Pytlik: Der präventive Ansatz muss niemandem Angst machen – ganz im Gegenteil. Wenn wir als Polizei bei der Bekämpfung der Kriminalit­ät hinterherh­inken, wird es uns nicht gelingen, den Schutz der Bürger auftragsge­mäß erfüllen zu können. Wir dürfen als Sicherheit­sbehörden hinter den Möglichkei­ten der Straftäter nicht zurück bleiben. Niemand muss Ängste haben, dass wir zu ei- Überwachun­gsstaat werden und dass irgendjema­nd polizeilic­her Willkür unterworfe­n wird. Das ist völliger Unsinn. Schließlic­h gibt es Richtervor­behalte und richterlic­he Beschlüsse, die das Vorgehen der Polizei absegnen. Zudem unterlie- gen die polizeilic­hen Maßnahmen dem Grundsatz der Verhältnis­mäßigkeit und können jederzeit vom Bürger auch nachträgli­ch überprüft werden, entweder mit der einfachen Beschwerde oder auch mit der sogenannte­n Nachträgli­chen Feststellu­ngsklage beim Verwaltung­sgericht.

Inzwischen wurde die Gesichtser­kennungsso­ftware bei der Videoüberw­achung belebter Plätze wieder aus der Wunschlist­e des Ministers gestrichen. Welche Vorteile hätte eine solche Software gehabt? Können Sie das Unbehagen vieler Bürger nachvollzi­ehen, anlasslos ins Visier der Polizei zu geraten? Pytlik: Die Gesichtser­kennungsso­ftware und deren Anwendung hätte den Vorteil, dass ein noch effiziente­res Arbeiten zur Identifizi­erung von Straftäter­n möglich wäre und dabei vor allem Personal – in der Regel überwiegen­d Polizeibea­mte – durch das Wegfallen stundenlan­ger Ermittlung­en eingespart werden könnnem te. Die Kenntnis der prekären Personalsi­tuation, die ja laufend in der Diskussion steht, setze ich hier voraus. Ein gewisses Unbehagen einiger Bürger kann hier verständli­cherweise nachvollzo­gen werden, jedoch hat der unbescholt­ene und rechtgetre­ue Bürger für seine Person keine Nachteile zu befürchten.

Wie beurteilt die GdP das neue Polizeiauf­gabengeset­z? Wo bringt das Gesetz Erleichter­ungen und Verbesseru­ngen für die tägliche Polizeiarb­eit? Pytlik: In erster Linie können wir als Polizei jetzt früher reagieren und uns früher auf Gefahren- oder Kriminalit­ätslagen vorbereite­n. Bisher kam doch oftmals der Vorwurf an die Polizei, warum die Polizei nichts tut, „muss denn erst was passieren“. Das neue PAG gibt uns nun bessere Möglichkei­ten, früher einzugreif­en.

Der Minister erklärt, in einigen Bereichen würde sich der Datenschut­z sogar verbessern. Wie geht das denn? Pytlik: Datenschut­z und Grundrecht­e werden noch im Mai 2018 durch eine neue Datenschut­zgrundvero­rdnung geregelt. Das tangiert natürlich auch das neue PAG. Künftig ist für deutlich mehr polizeilic­he Eingriffe die Zustimmung eines Richters erforderli­ch. Eine zentrale Prüfstelle wird eingericht­et, die sicherstel­lt, dass nur Daten für die Ermittlung­sarbeit verwendet werden, die nicht den Kernbereic­h privater Lebensgest­altung betreffen. Abschließe­nd möchte ich sagen: Wir haben ganz andere Probleme, um die wir uns kümmern und die wir schnellste­ns in Angriff nehmen müssen, wenn man sich den jüngsten Vorfall in Ellwangen anschaut, als eine Diskussion über die Novellieru­ng des PAG. Wenn in der Asylpoliti­k nicht klare, deutliche und unnachgieb­ige politische Signale und Ansagen an diejenigen kommen, die unser Rechtssyst­em schamlos und ohne Rücksicht missbrauch­en, machen wir unsere Gesellscha­ft wehrlos.

 ?? Foto: Daniel Karmann, dpa ?? Viele Menschen in Bayern treibt die Angst um, die Polizei könnte durch das reformiert­e Polizeiauf­gabengeset­z zu einer Art Geheimdien­st umgeformt werden. Vielerorts, wie hier in Nürnberg, formiert sich der Protest gegen das Vorhaben.
Foto: Daniel Karmann, dpa Viele Menschen in Bayern treibt die Angst um, die Polizei könnte durch das reformiert­e Polizeiauf­gabengeset­z zu einer Art Geheimdien­st umgeformt werden. Vielerorts, wie hier in Nürnberg, formiert sich der Protest gegen das Vorhaben.
 ?? Foto: Sammlung Pytlik ?? Peter Pytlik, ist stellvertr­etender Lan desvorsitz­ender der GdP in Bayern. Der 58 jährige Krumbacher Polizeihau­pt kommissar gilt als politisch unabhän gig.
Foto: Sammlung Pytlik Peter Pytlik, ist stellvertr­etender Lan desvorsitz­ender der GdP in Bayern. Der 58 jährige Krumbacher Polizeihau­pt kommissar gilt als politisch unabhän gig.

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