Mittelschwaebische Nachrichten
„Wir dürfen Straftätern nicht hinterherhinken“
Der Krumbacher GdP-Vize Peter Pytlik erklärt im Gespräch warum die Reform des Polizeiaufgabengesetzes aus Sicht der Polizei notwendig ist und warum sich die Bürger deswegen nicht um ihre Freiheit sorgen müssen
Herr Pytlik, der Innenminister Joachim Herrmann betonte zuletzt, mit dem neuen Polizeiaufgabengesetz ändere sich im Grunde nichts. Warum brauchen wir dann ein neues? Peter Pytlik: Das Polizeiaufgabengesetz zu novellieren ist aus Sicht der GdP eine angemessene Maßnahme, um auf die neuen Gefahren und Bedrohungslagen zu reagieren. Ein Teil der Reform bietet mehr Möglichkeiten zur Prävention. Grundsätzlich begrüßen wir als GdP das neue Gesetz. Es beinhaltet vieles, was unseren Kolleginnen und Kollegen die Arbeit erleichtert. Die „drohende Gefahr“einzuführen ist für die heutige Sicherheitslage eine zeitgemäße Maßnahme. Das neue Gesetz stärkt die Handlungsfähigkeit der Polizei, gibt ihr zeitgemäße Befugnisse und ermöglicht ein früheres Eingreifen im Kampf gegen Terror, Amokläufe und andere kriminelle Handlungen.
Die Stimmung in Bayern ist angesichts der Gesetzesinitiative des Innenministers gereizt. Vor allem in Sozialen Netzwerken kursieren viele Halbwahrheiten, zum Teil auch Unwahrheiten über das Gesetz. Man darf annehmen, dass nicht alle, die gegen das Gesetz protestieren, Kriminelle sind, aber warum ist der Widerstand Ihrer Meinung nach so groß? Pytlik: Nein, natürlich nicht. Es ist auch völlig legitim und auch gut, dass über die Novellierung des Polizeiaufgabengesetzes diskutiert wird. Aber wenn man diskutiert, sollte man auch sachlich bleiben und keine Unwahrheiten in die Welt setzen. Einzelne Parteien sollten jetzt nicht parteipolitischen Populismus betreiben und Szenarien an die Wand malen, die es nicht gibt. Nicht alles ist geeignet, um sich im Wahlkampf entsprechend darzustellen, vor allem nicht eine unnötige Diskussion, wenn es um unser aller Sicherheit geht. Nicht der Staat bedroht die Bürgerrechte, sondern Straftäter, Extremisten und Terroristen.
Problematisch ist in vielen Augen, Sie haben es bereits angesprochen, dass die Polizei künftig schon bei „drohender Gefahr“tätig werden kann. Der präventive Ansatz macht wohl vielen Bürgern Angst, ungerechtfertigt zum Ziel polizeilicher Ermittlungen und Aktionen zu werden. Im schlimmsten Fall, so die Sorge, ist man polizeilicher Willkür unterworfen. Was ist dran an dieser Angst? Pytlik: Der präventive Ansatz muss niemandem Angst machen – ganz im Gegenteil. Wenn wir als Polizei bei der Bekämpfung der Kriminalität hinterherhinken, wird es uns nicht gelingen, den Schutz der Bürger auftragsgemäß erfüllen zu können. Wir dürfen als Sicherheitsbehörden hinter den Möglichkeiten der Straftäter nicht zurück bleiben. Niemand muss Ängste haben, dass wir zu ei- Überwachungsstaat werden und dass irgendjemand polizeilicher Willkür unterworfen wird. Das ist völliger Unsinn. Schließlich gibt es Richtervorbehalte und richterliche Beschlüsse, die das Vorgehen der Polizei absegnen. Zudem unterlie- gen die polizeilichen Maßnahmen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und können jederzeit vom Bürger auch nachträglich überprüft werden, entweder mit der einfachen Beschwerde oder auch mit der sogenannten Nachträglichen Feststellungsklage beim Verwaltungsgericht.
Inzwischen wurde die Gesichtserkennungssoftware bei der Videoüberwachung belebter Plätze wieder aus der Wunschliste des Ministers gestrichen. Welche Vorteile hätte eine solche Software gehabt? Können Sie das Unbehagen vieler Bürger nachvollziehen, anlasslos ins Visier der Polizei zu geraten? Pytlik: Die Gesichtserkennungssoftware und deren Anwendung hätte den Vorteil, dass ein noch effizienteres Arbeiten zur Identifizierung von Straftätern möglich wäre und dabei vor allem Personal – in der Regel überwiegend Polizeibeamte – durch das Wegfallen stundenlanger Ermittlungen eingespart werden könnnem te. Die Kenntnis der prekären Personalsituation, die ja laufend in der Diskussion steht, setze ich hier voraus. Ein gewisses Unbehagen einiger Bürger kann hier verständlicherweise nachvollzogen werden, jedoch hat der unbescholtene und rechtgetreue Bürger für seine Person keine Nachteile zu befürchten.
Wie beurteilt die GdP das neue Polizeiaufgabengesetz? Wo bringt das Gesetz Erleichterungen und Verbesserungen für die tägliche Polizeiarbeit? Pytlik: In erster Linie können wir als Polizei jetzt früher reagieren und uns früher auf Gefahren- oder Kriminalitätslagen vorbereiten. Bisher kam doch oftmals der Vorwurf an die Polizei, warum die Polizei nichts tut, „muss denn erst was passieren“. Das neue PAG gibt uns nun bessere Möglichkeiten, früher einzugreifen.
Der Minister erklärt, in einigen Bereichen würde sich der Datenschutz sogar verbessern. Wie geht das denn? Pytlik: Datenschutz und Grundrechte werden noch im Mai 2018 durch eine neue Datenschutzgrundverordnung geregelt. Das tangiert natürlich auch das neue PAG. Künftig ist für deutlich mehr polizeiliche Eingriffe die Zustimmung eines Richters erforderlich. Eine zentrale Prüfstelle wird eingerichtet, die sicherstellt, dass nur Daten für die Ermittlungsarbeit verwendet werden, die nicht den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffen. Abschließend möchte ich sagen: Wir haben ganz andere Probleme, um die wir uns kümmern und die wir schnellstens in Angriff nehmen müssen, wenn man sich den jüngsten Vorfall in Ellwangen anschaut, als eine Diskussion über die Novellierung des PAG. Wenn in der Asylpolitik nicht klare, deutliche und unnachgiebige politische Signale und Ansagen an diejenigen kommen, die unser Rechtssystem schamlos und ohne Rücksicht missbrauchen, machen wir unsere Gesellschaft wehrlos.