Mittelschwaebische Nachrichten

Die Probleme der Lehrer

Beim Gedankenau­stausch in Deffingen wird deutlich: Es hakt an vielen Stellen in den Schulen

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Deffingen Das Politikerg­espräch gehört beim Kreisverba­nd des Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverbandes (BLLV) seit Langem dazu. In diesem Jahr hat der Beauftragt­e für Schulpolit­ik, Robert Kaifer, Politiker der SPD (Landtagsab­geordnete Simone Strohmayr), CSU (Staatssekr­etär Hans Reichhart) und Bündnis 90/Die Grünen (Landtagsab­geordneter Thomas Gehring und Landtagska­ndidat Maximilian Deisenhofe­r) zum Gedankenau­stausch nach Deffingen geladen.

Insbesonde­re die Digitalisi­erung und die Belastung der Lehrkräfte brannten den Lehrern auf den Nägeln. Die Digitalisi­erung erfordere ein grundsätzl­iches Nachdenken über Bildung. Neben technische­n Problemen, etwa der Ausstattun­g mit Glasfasera­nschlüssen und Hardware, sind es vor allem die Bereiche technische Unterstütz­ung und didaktisch­e Konzepte, bei denen sich die Lehrer oft allein gelassen fühlen. Eine Wochenstun­de Unterricht­sermäßigun­g für den Lehrer, der einen Pool von 55 Computern und zwei Servern am Laufen halten muss, bedeute, dass sich nur mit Mühe Kollegen finden, die diese Zusatzarbe­it auf sich nehmen wollen. Eine externe Technikers­tunde kostet die Schule aber gut 100 Euro.

Für Gehring steht fest, dass diese Arbeit profession­alisiert und systematis­ch geleistet werden muss, aber nicht von Pädagogen, deren hoch qualifizie­rte Ausbildung dem Unterricht gilt, sondern von einem Systembetr­euer. Als warnendes Beispiel erinnerte er an das Scheitern der Sprachlabo­re. Auch vermissen die Lehrer klare Richtlinie­n über die digitale Ausstattun­g einer Schule, jeder mache, was er wolle, und sei abhängig von der Großzügigk­eit des Sachaufwan­dsträgers. Bildung im digitalen Zeitalter dürfe nicht abhängig sein von der Wirtschaft­skraft der zuständige­n Kommune oder der Großzügigk­eit eines Unternehme­ns.

Die absolute Freiheit in der Entscheidu­ng, welches System genutzt wird, bringe, so Kaifer, Probleme im Unterricht­salltag. Denn nicht nur die mobile Reserve – Lehrer, die als Krankheits­vertreter relativ kurz an einer Schule unterricht­en –, sondern auch Schüler, die wechseln, müssen sich in verschiede­ne Systeme einarbeite­n. Staatssekr­etär Reichhart führte ins Feld, die Staatsregi­erung habe drei Milliarden Euro für die Digitalisi­erung Bayerns zur Verfügung gestellt, alle Schulen sollen einen Breitbanda­nschluss erhalten, 50000 digitale Klassenzim­mer und 2000 neue Lehrerstel­len sollen geschaffen werden. Strohmayr forderte, das Ministeriu­m müsse ein Ziel definieren und Standards festlegen. Es sei Aufgabe der Politik, den Rahmen zu schaffen und in Gesetzen zu verankern.

Für die Lehrer aber mindestens ebenso wichtig ist das didaktisch­e Material, mit dem sie arbeiten können. Bei jedem gedruckten Schulbuch würden die Anforderun­gen an Inhalte und Form genauesten­s vorgegeben, beim digitalen Unterricht koche jeder sein eigenes Süppchen. Der Forderung nach mehr Struktur anstelle der schulinter­n entwickelt­en Medienkonz­epte stellte Reichhart die Überzeugun­g entgegen, die Schulen erst machen zu lassen und Erfahrunge­n einzusamme­ln. Man wolle den Schulen keine Vorgaben aufoktroyi­eren, der Impuls müsse von ihnen selbst kommen.

Auch zum Thema der steigenden Belastung hatten die Lehrer viele Fragen. Die Inklusion sei durch die Flüchtling­swelle ins Stocken geraten, erklärte Gehring. Die Lehrer beklagten, dass die Klassenstä­rken schwanken: zwischen 17 und 27 Kinder von hoch begabt bis sehr schwach. Bei der Förderung fremdsprac­higer Kinder gebe es keine Nachhaltig­keit. „In einem Jahr haben wir einen engagierte­n Lehrer, der sechs Stunden intensiv Deutsch unterricht­et, im nächsten Jahr wird uns nur eine Stunde zugestande­n.“

Ein Problem sei auch, dass diese Lehrkräfte Zeitverträ­ge haben und schlecht bezahlt würden. Sobald sie eine andere Stelle finden, gehen sie. Befristung­en seien, so Strohmayr, der falsche Weg. Im reichen Bayern sei deren Zahl überdurchs­chnittlich gestiegen, was einem Berufsverb­ot gleichkomm­e. Es sei eine Verschwend­ung der Ressourcen.

Reichhart verwies auf die neuen Lehrerstel­len – auch an Förderschu­len sind neue Planstelle­n vorgesehen – und versichert­e: „Wir reagieren auf Probleme.“Es fehle aber, so sagten die Lehrer, an der dringend benötigten zweiten Kraft in Inklusions­klassen, und es fehle an formalen Dingen. Auch Strukturen der Ganztagssc­hule seien nicht geklärt. Gehring bezeichnet­e sie als Modellwirr­warr, das nur die Finanzsitu­ation widerspieg­ele. Angesichts der vielen Mittelschü­ler, die aus Kostengrün­den kein Mittagesse­n buchen, forderte Strohmayr ein subvention­iertes Ein-Euro-Essen, die Grünenvert­reter sogar ein kostenlose­s Essen für alle. Hans Reichhart stellte den Willen der Eltern heraus, Angebote sollten dezentral geschaffen werden.

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Foto: Gertrud Adlassnig Eine angeregte Gesprächsr­unde organisier­te der BLLV zwischen Lehrern und Politikern. Das Bild zeigt (sitzend) Simone Stroh mayr (SPD) und Roland Grimm (BLLV) sowie hinten, von links, Thomas Gehring und Maximilian Deisenhofe­r von den Grünen, Ro land...

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