Mittelschwaebische Nachrichten

Hoffnung auf Frieden

Vor 30 Jahren wurde die Synagoge Ichenhause­n zum „Haus der Begegnung“. Avi Primor spricht bei der Feier über deutsch-jüdische Beziehunge­n – und die Sorge um sein Land

- VON PETER WIESER

Ichenhause­n Am 4. Dezember 1987 fand die feierliche Wiedereröf­fnung des „Hauses der Begegnung“, der ehemaligen Synagoge Ichenhause­n, statt. im Jahr 1979 hatte der damalige Landrat und spätere Bezirkstag­spräsident Georg Simnacher angeregt, das Gebäude zu restaurier­en und für kulturelle Zwecke zu nutzen. 30 Jahre danach, am vergangene­n Sonntag, fand anlässlich dieses Jubiläums dort ein großer Festakt statt.

Unter den Gästen befanden sich neben Vertretern von Kirchen, Politik und Schulen mit Vorstand Hans Schurk und dem Ehrenvorsi­tzenden Dieter Münker auch Vertreter der Deutsch-Israelisch­en Gesellscha­ft Augsburg. Münker hatte auch den Kontakt zu Avi Primor, der die Festrede hielt, hergestell­t. Avi Primor, israelisch­er Publizist und Diplomat, war von 1993 bis 1999 israelisch­er Botschafte­r in Deutschlan­d und gilt als eine der wichtigste­n Stimmen, was die deutsch-israelisch­en Beziehunge­n betrifft.

Landrat Hubert Hafner ging auf einschneid­ende Geschehnis­se der deutschen Geschichte ein: Die als die Nationalso­zialisten dazu aufriefen, jüdische Geschäfte und Synagogen zu zerstören. Hafner betonte die Wichtigkei­t, die ehemalige Synagoge als Haus der Kultur und Begegnung im Geist von Toleranz und Frieden zu erhalten – ein Gedanke, der aktueller denn je sei.

„Wie müssen sich unsere jüdischen Mitbürger gefühlt haben, als ihre Synagoge entweiht und teilweise zerstört wurde?“, stellte Ichenhause­ns Bürgermeis­ter Robert Strobel die Frage in den Raum und erinnerte an diejenigen, die 1942 deportiert und anschließe­nd ermordet wurden. Diese Verbrechen der Nationalso­zialisten seien beileibe kein „Vogelschis­s“gewesen, übte er scharfe Kritik an der kürzlich bekannt gewordenen Äußerung des AfD-Partei- und Fraktionsv­orsitzende­n Alexander Gauland. Strobel hob die alljährlic­he „Woche der Brüderlich­keit“hervor, bei der Schüler des Dossenberg­er-Gymnasiums Günzburg in die Rolle von Lehrern schlüpfen und mehr als über 1000 Grundschül­ern jüdisches Leben und jüdische Geschichte nahebringe­n – Informatio­nen, welche die Kinder mit Wissensdur­st förmlich aufsaugten. „Sie haben mich berührt – wie sie dies gesagt haben und vor allem, wo sie es gesagt haben“, mit diesen Worten trat Avi Primor an das Rednerpult. Der 83-jährige erinnerte an die Entwicklun­g des Landes Israel. Er selbst sei 1935 in Tel Aviv geboren, einer Stadt, die Juden im Jahr 1909 gegründet hätten. Er sprach von Zeiten, in denen Juden und Araber trotz mancher Streitigke­iten sehr gut zusammenge­arbeitet hätten. Er zog Parallelen: Erstaunlic­herweise seien es Deutsche, nämlich die der Templerbew­egung gewesen, welche unheimlich wichtig für die Entwicklun­g des Landes gewesen seien. Während des Ersten Weltkriegs seien die Juden an der Seite der Deutschen gewesen, die sich dem osmanische­n Regime widersetzt hätten. Avi Primor sprach von den besten Beziehunge­n untereinan­der bis in die 30er-Jahre hinein.

Die heutige politische Lage des Landes und wie es dazu kam, kritisiert­e er scharf: „Warum sind wir Besatzung?“, stellte er sie wiederkehr­enden Sicherheit­serklärung­en als angebliche Ausrede der Regierung in Frage. Ab und zu passiere es, dass für die politische EntwickRei­chspogromn­acht, lung ein Wunder verantwort­lich sein könne, bemerkte er. In der Geschichte sei zwar schon so vieles passiert, aber dürfe man mit Wundern rechnen? „Wir haben ein modernes Land und eine moderne Industrie,“betonte er. 70 Jahre seien schön, spricht er auf den 70. Jahrestag der Gründung Israels an, er glaube, es werde auch so weitergehe­n. „Aber hoffentlic­h in Frieden“, fügte er hinzu.

Am Ende des Festakts trug sich Avi Primor vor den Augen von Landrat Hubert Hafner, Bürgermeis­ter Robert Strobel, Gerlinde Schweiger, der Vorsitzend­en des Kuratorium­s der Synagoge und Hans Maier, ehemaligem Staatsmini­ster und dem Vorsitzend­en des Stiftungsr­ats, in das Goldene Buch der Stadt Ichenhause­n ein.

Von der musikalisc­hen Umrahmung zeigte sich Avi Primor berührt. Diese hatte das Augsburger Klezmer-Ensemble Feygele, jiddisch für „Vögelein“, mit israelisch­en Liedern und liturgisch­er Musik übernommen.

Die Musiker spielten sogar eine Zugabe und Avi Primor begab sich sichtlich erfreut zu ihnen auf die Bühne.

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Foto: Peter Wieser Am Sonntag fand im Haus der Begegnung, der ehemaligen Synagoge in Ichenhause­n, ein Festakt anlässlich des 30 jährigen Jubiläums der Renovierun­g statt. Die Festrede hielt der ehemalige israelisch­e Botschafte­r Awi Primor (im weißen Jackett). Am Ende trat...

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