Mittelschwaebische Nachrichten
Ein Jahr danach
Am 3. Juli 2017 brannte ein Reisebus auf der A9 völlig aus. Nur das Gerippe blieb übrig. Die Tragödie warf Fragen nach der Sicherheit von Bussen auf. Hat sich seitdem etwas getan?
Münchberg Ein Jahr ist die Katastrophe her. Trotz der Zeit, die vergangen ist – die Bilder bleiben. Die Bilder eines Reisebusses, ausgebrannt, nur mehr ein verkohltes Gerippe. Und ein Grab. 18 Menschen starben an jenem 3. Juli 2017 auf der A9 in Oberfranken. Die Tragödie hat Fragen nach der Sicherheit von Bussen aufgeworfen. Welche Antworten gibt es nun, ein Jahr später?
Die Ermittlungen gingen damals schnell. Gut vier Wochen nach dem Busunfall von Münchberg (Landkreis Hof) waren sich Staatsanwaltschaft und Polizei sicher, warum die 18 Menschen sterben mussten. Der Fahrer war unachtsam – warum auch immer. Er sah zu spät, dass ein Sattelzug vor ihm wegen einer Baustelle abgebremst hatte. Ein System, das automatisch eine Notbremsung einleitet, musste der Bus noch nicht haben – das ist erst für neuere Modelle Pflicht. In dem Unglücksbus waren Batterie samt Elektrik, Drucklufttank sowie Zusatztank weit vorne und nahe beisammen verbaut. Eine gängige, völlig legale Bauweise. Die am Tag des Unfalls aber binnen Sekunden eine verheerende
EU Vorgaben wären wichtig, aber keiner kümmert sich
Kettenreaktion auslöste. Es kam zu Kurzschlüssen bei Batterie und Elektrik. Ein Kraftstofftank wurde zusammengestaucht und platzte. Der Kraftstoff entzündete sich, befeuert von austretender Druckluft.
„Natürlich ist das in dieser Konstellation eine sehr tragische Verkettung gewesen“, sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. „Aber die dabei erkennbaren Defizite müssen gleichwohl behoben werden. Es kann einfach nicht sein, dass ein Aufprall mit einer Geschwindigkeit von 30 km/h zu solchen Folgen führt. Wenn ein Tank, wie in diesem Fall, vor der Vorderachse eingebaut wird, muss entweder der Tank selbst crashsicher sein oder es muss ein kraftableitende Crashstruktur des Busvorderbaus konstruiert werden.“Dazu brauche man aber verbindliche EU-Vorgaben. „Ich erkenne aber nicht, dass sich jemand darum kümmert.“
Es sei ein Einsatz gewesen, den man sein ganzes Leben nicht vergesse, sagt Andreas Hentschel von der Feuerwehr Münchberg. Schon als er und seine Kollegen nach der Alarmierung auf die Autobahn fuhren und eine dichte schwarze Rauch- wolke sahen, war klar: Das würde kein alltäglicher Einsatz.
Das Reisebüro Reimann in Löbau, in dessen Auftrag der mit Gästen aus Sachsen besetzte Unglücksbus unterwegs war, gibt es noch in der Fußgängerzone. Der Familienbetrieb kämpft nach wie vor mit den Folgen der Katastrophe. Im Portfolio finden sich nur noch Busfahrten in die näheren und angrenzenden Regionen. Die Eigentümer äußern sich nicht zum Jahrestag. Der damalige Beifahrer und Juniorchef soll wieder hinter dem Steuer sitzen – und nach wie vor in psychologischer Behandlung sein.
Gleich nach dem verheerenden Brand begann eine Debatte um die Sicherheit in Reisebussen – obwohl dieses Verkehrsmittel laut Statistiken als sehr sicher gilt. Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) lud deshalb zu einer Expertenrunde in Sachen Sicherheit in Omnibussen. „Hierbei zeigte sich, dass seit 2008 auf deutsche Initiative hin in mitunter langwierigen Verhandlungen zahlreiche Verbesserungen bei den international gülti- gen Standards erreicht werden konnten“, sagt bdo-Sprecher Christian Wahl. „Viele von diesen Neuerungen – etwa in Hinblick auf den Einsatz von Rauch- und Brandmeldern – haben bereits Gültigkeit.“Weitere Schritte würden in den kommenden Jahren greifen.
Als problematisch sahen vielen Experten auch die Innenausstattung von Bussen – viel zu leicht brennbar sei das Material, im Gegensatz zum Beispiel zur Bahn. Man habe entsprechende Versuche durchgeführt, sagt Unfallforscher Brockmann. Eine Evakuierung durch die hintere Bustür würde drei Minuten dauern – ohne dass gehbehinderte Menschen dabei waren. Nach Einschätzung der Feuerwehr könnten aber bereits nach der Hälfte der Zeit so viele giftige Rauchgase im Bus sein, dass die Menschen sich nicht mehr selbst helfen könnten. „Würde man die Vorschriften für Bahnmaterialien auf den Bus übertragen, würde die Zeit auf jeden Fall ausreichen.“
Der Unglücksbus von Münchberg musste noch über kein System verfügen, das bei einem Hindernis eine Notbremsung automatisch einleitet – erst neuere Busse müssen damit ausgestattet sein. Und nachrüsten lässt sich solch eine Technik nicht. Trotzdem gab es eine Diskussion um die Bremsassistenten, denn oft kann sie der Fahrer manuell abschalten. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat inzwischen angekündigt, dies für Deutschland ändern zu wollen. Ab einer Geschwindigkeit von 30 km/h soll der Assistent bei Bus oder Lkw nicht mehr abschaltbar sein. Leicht nachrüstbar dagegen sind nach Einschätzung des Verbandes der TÜVOrganisationen (VdTÜV) Brandmeldeanlagen in Bussen.
Die Diskussionen um mehr Sicherheit in Reisebussen dürften durch ein weiteres schweres Unglück neue Nahrung erhalten. Am Mittwoch war ein Reisebus auf der A5 in Baden-Württemberg auf einen Mülltransporter aufgefahren. Dabei starb die 30-jährige Reiseleiterin einer Seniorengruppe aus Bayern. Zudem wurden 31 Menschen verletzt – zwei von ihnen lebensgefährlich.