Mittelschwaebische Nachrichten
Behinderter Mann beleidigt Polizisten
Der 57-Jährige gerät in eine Rangelei mit den Beamten. Wieso seine ehemalige Betreuerin dabei eine Rolle spielt
Landkreis Ein Mann läuft schnurstracks in den Gerichtssaal, vorbei an der Anklagebank. Dort ist eigentlich sein Platz, denn er muss sich wegen Widerstands gegen Polizeibeamte verantworten. Der Richter ruft ihn zurück. Er und seine Betreuerin setzen sich neben seinen Verteidiger.
Als Richter Walter Henle die Personalien überprüft, antwortet der 57-Jährige hektisch und recht undeutlich, offensichtlich hat er eine Behinderung. Seine Hände hat er übereinandergelegt, der Rest seines Körpers wippt unruhig. Der Richter fragt, ob seine beiden Vornamen zusammen, mit Bindestrich oder getrennt geschrieben würden – er weiß es nicht. Die Betreuerin hilft nach.
Der Angeklagte lebt zusammen mit seiner Ehefrau. Sie hat ebenfalls eine Behinderung. Für Behördengänge und Briefverkehr hat er eine Betreuerin. Doch seine Frau eigenständig zu pflegen, das schafft er. Sechs Jahre schon gibt es einen Streit mit der Familie seiner einstigen Betreuerin, die auch im Haus wohnt. „Jetz is a Ruh da droben“, habe er an dem Tag im Januar mehrmals gerufen, schildert der Angeklagte. Dann kam die Polizei. „Haut ab, ihr scheiß Bullen, euch kann ich gar nicht gebrauchen!“, schrie er sie an, was er vor Gericht zugibt. Es folgte eine Rangelei, einer der beiden Polizisten setzte sein Pfefferspray ein. In der Wohnung ging der behinderte Mann nach einem leichten Stoß zu Boden und wurde ins Bezirkskrankenhaus gebracht.
Ermittlungen gegen die einstige Betreuerin
In der Verhandlung kommt auch zur Sprache, wieso seine ehemalige Betreuerin nicht mehr für ihn zuständig ist. Gegen sie wird ermittelt, weil sie sich an seinem Geld bereichert haben soll, ist vom Verteidiger des Angeklagten zu hören. An anderer Stelle der Verhandlung ist von einem fünfstelligen Betrag die Rede.
Eigentlich waren die beiden Polizisten als Zeugen geladen, erschienen sind sie nicht. Das ist ein Problem, denn so kann sich der Angeklagte nicht bei ihnen entschuldigen. Bisher tat er das nur bei einem der beiden, auf der Fahrt ins Bezirkskrankenhaus. Die Verhandlung ging trotz der fehlenden Zeugen weiter, denn geständig war der Angeklagte ohnehin. Außer in einem Punkt: Als die Staatsanwältin vorliest, dass er einen losen Gürtel in der Hand gehalten haben soll, als die Polizisten da waren und er an die Tür kam, wirft er ein: „Das stimmt nicht!“Der Richter maßregelt ihn, er habe ruhig zu sein, wenn die Staatsanwältin spricht. „Wir sind hier nicht im Wirtshaus.“
Der Richter und die Staatsanwältin sind zwar bereit, das Verfahren einzustellen, allerdings nur unter Auflagen. Doch zumindest finanzielle Auflagen möchte der Verteidiger unbedingt vermeiden. Die Betreuerin erklärt, der Angeklagte und seine Frau würden bald umziehen und hätten ohnehin zu wenig Geld. Sie bräuchten dringend Möbel, Geschirr und anderes.
Doch ganz ohne Konsequenzen will Richter Henle den Angeklagten dennoch nicht gehen lassen. „Die Straftat war nicht zum Nachteil ihrer Nachbarn, sondern der Polizisten.“Der Angeklagte selbst schlägt vor, er könne stundenweise in der Gärtnerei einer Behinderteneinrichtung arbeiten. Damit ist der Richter einverstanden, 30 Stunden sollen es sein. Und eine weitere Auflage gibt er ihm: Seine Betreuerin muss ihn zu der Polizeiinspektion fahren, damit er sich dort bei den Polizisten entschuldigen kann.