Mittelschwaebische Nachrichten
Brasilien ist raus
Die Südamerikaner hatten als einer der heißesten Kandidaten auf den WM-Titel gegolten. Jetzt ist für sie das Turnier beendet. Stattdessen steht überraschend Belgien im Halbfinale – dank einer überragenden ersten Hälfte
Kasan Belgiens goldene Generation hat mit einer über weite Strecken titelreifen Vorstellung und etwas Glück Rekordweltmeister Brasilien entzaubert und ist nur noch zwei Siege vom ersten WM-Titel entfernt. Angetrieben von den überragenden Eden Hazard und Kevin De Bruyne warfen die Roten Teufel am Freitag Brasilien mit einem 2:1 aus dem Turnier – in der Schlussphase musste das Team allerdings gewaltig zittern.
Belgien steht damit zum zweiten Mal nach 1986 in einem WM-Halbfinale und kann am Dienstag gegen Nachbar Frankreich erstmals den Sprung ins Endspiel schaffen.
Die Titelträume der Seleção um Superstar Neymar, der erneut durch Schauspielerei auffiel, endeten dagegen 1459 Tage nach der 1:7-Demütigung gegen Deutschland erneut vorzeitig – auch wenn die Leistung deutlich besser war als vor vier Jahren. Fernandinho mit einem Eigentor (13.) und der Ex-Wolfsburger De Bruyne (31.) besiegelten den Viertelfinal-K.-o. für die letzte nichteuropäische Mannschaft im Turnier. Der eingewechselte ExLeverkusener Renato Augusto konnte nur verkürzen (76.).
Für Brasilien war es die erste Niederlage nach 15 Spielen. Belgien ist nun schon seit 24 Partien ungeschlagen und gewann erstmals überhaupt fünf WM-Spiele in Serie.
Im Duell der besten Offensive gegen die stärkste Defensive der WM übersprangen beide Teams die Abtastphase und suchten den schnellen Weg nach vorne. Für die Belgier, die mit zwölf Toren in der Vorrunde und im Achtelfinale schon vor der Partie den stärksten Angriff der Weltmeisterschaft gestellt hatten, probierte es De Bruyne bereits in der zweiten Minute mit einem Distanzschuss, der jedoch knapp am Tor vorbeiflog.
Trainer Roberto Martínez ließ sein Team erstmals im Turnier mit einer Viererabwehrkette antreten. Defensive der Roten Teufel wirkte jedoch in der Anfangsphase alles andere als sicher. Nach einer Neymar-Ecke hatten die Westeuropäer Glück, dass Thiago Silva nur den Pfosten traf. Vorne kamen sie immer besser ins Spiel. Ein Schuss von Hazard wurde von Brasiliens Abwehr noch geblockt (9.), dann leisteten die Südamerikaner Schützenhilfe: Fernandinho bugsierte den Ball bei seinem ersten RusslandEinsatz von Beginn an nach einer Ecke von Nacer Chadli mit dem Oberarm ins eigene Tor.
Mit der Führung wurden die Bel- gier sicherer und zeigten bei schnellen Angriffen immer wieder tolle Kombinationen. In der 31. Minute demonstrierte Martínez’ Mannschaft eindrucksvoll ihre Konterstärke: Nach einem Eckball der Brasilianer startete Romelu Lukaku ein Solo über den halben Platz, bediente De Bruyne, und dieser traf mit einem satten Rechtsschuss zum 2:0.
Brasilien wirkte geschockt, kam offensiv nur selten gefährlich zum Abschluss. Und wenn, dann war Belgiens Torwart Thibaut Courtois zur Stelle. Einen Distanzschuss von Philippe Coutinho parierte er exzelDie lent (37.). Auf der Gegenseite lenkte Alisson einen Freistoß von De Bruyne über die Latte (41.).
Belgien führte den Rekordweltmeister phasenweise vor, hatte zwischendurch sogar Zeit für Kabinettstückchen. Der Vorsprung hätte zur Pause auch größer sein können.
Nach dem Seitenwechsel änderte sich das Bild. Brasilien drängte auf den Anschluss. Neymar scheiterte mit seinem Versuch, einen Elfmeter zu schinden (53.). Drei Minuten später hätte der slowakische Schiedsrichter Milorad Mazic auf den Punkt zeigen müssen: Vincent Kompany hatte Gabriel Jesus im Strafraum getroffen, doch nachdem die Szene vom Videoassistenten überprüft worden war, entschied sich der Unparteiische gegen einen Elfmeter – eine Fehlentscheidung.
Belgien sorgte in der Folge nur noch selten für Entlastung. Hazard verzog nach einem Konter knapp (62.), dann gelang dem kurz zuvor eingewechselten Renato Augusto der Anschluss – die Wende aber wollte nicht mehr gelingen. (dpa) Tore 0:1 Fernandinho (13./Eigentor), 0:2 De Bruyne (31.), 1:2 Renato Augusto (76.) Zuschauer 42 873 (ausverkauft)