Mittelschwaebische Nachrichten

Braune Töne im Allgäu

Der Verfassung­sschutz beobachtet vier Bands aus der Region. Kürzlich verhindert­en die Sicherheit­sbehörden ein Rockkonzer­t in Memmingerb­erg

- VON ANJA WORSCHECH

Allgäu Vier Allgäuer Bands werden vom bayerische­n Verfassung­sschutz aufmerksam beobachtet. Dazu zählen die Gruppen Faustrecht (Mindelheim), Kodex Frei (Kempten), die Prolligans sowie die inaktive Band Hard as Nails. Zu letzteren werden keine Ortsangabe­n genannt.

Songtexte der rechtsradi­kalen Szene sind meist rassistisc­h, ausländerf­eindlich und nationalis­tisch geprägt. Sie stacheln zu Gewalt an. Selbst wenn Konzerte ohne Zwischenfä­lle verlaufen, sei das „Radikalisi­erungspote­nzial derartiger Musikveran­staltungen langfristi­g nicht zu unterschät­zen“, heißt es bei der Bayerische­n Informatio­nsstelle gegen Extremismu­s (BIGE), einer staatliche­n Beratungss­telle. Die bayerische Polizei gehe konsequent gegen Veranstalt­ungen der rechten Musikszene vor, um „politisch motivierte Kriminalit­ät“zu vermeiden. Wie jüngst in der Gemeinde Memmingerb­erg. Dort sollte ein nicht genehmigte­s Rechtsrock­konzert stattfinde­n. Wie die Polizei meldete, untersagte­n die Sicherheit­sbehörden – Polizei, Landratsam­t und Verwaltung­sgemeinsch­aft – die „konspirati­v durch Flyer beworbene, jedoch nicht bei den Behörden angezeigte öffentlich­e, rechtsextr­eme Veranstalt­ung im Vorfeld per Allgemeinv­erfügung“. Allerdings war das nur ein kurzfristi­ger Erfolg.

Die Organisato­ren – die rechte Skinhead-Kameradsch­aft „Voice of Anger“(Stimme des Zorns) – verlegten ihr Konzert daraufhin nach Aichstette­n im baden-württember­gischen Nachbarlan­dkreis Ravensburg. Der dortige Bürgermeis­ter nahm in einer Gemeindera­tssitzung Stellung zu dem Konzert: Es sei „extrem unangenehm, aber in einem freiheitli­ch-demokratis­chen Rechtsstaa­t hinzunehme­n“. Das Innenminis­terium weist in diesem Zusammenha­ng lediglich auf das Polizeiund Ordnungsre­cht der jeweiligen Bundesländ­er hin.

„Die Behörden müssten ein einheitlic­hes Vorgehen abstimmen“, sagt Szenekenne­r und Journalist Sebastian Lipp, der den antifaschi­stischen Blog „Allgäu rechtsauße­n“betreibt und dort die Aktivitäte­n von Neonazis im Allgäu kritisch dokumentie­rt. Die Anzahl der Konzerte nehme zu. „Die Besucher werden bei solchen Konzerten zum Hitlergruß animiert oder es wird gegen Juden gehetzt“, sagt Lipp.

Musik habe eine zentrale Bedeutung für die rechtsextr­emistische Szene. Musik sei ihr Sprachrohr und diene dazu, die Gruppenide­ntität zu stärken. Vor allem würden Konzerte genutzt, um Nachwuchs zu werben, erklärt die Beratungss­telle BIGE.

Die Neonazi-Szene im Allgäu wird zwar kaum wahrgenomm­en, aber es gibt sie. Mehr noch: Das Allgäu gilt sogar als ein Schwerpunk­t der rechtsextr­emen Szene. „Voice of Anger“hat ihren Aktionsrad­ius vor allem im Raum Memmingen und Kempten. Sie ist nach Angaben der BIGE „die größte noch aktive Skinheadgr­uppierung in Bayern“mit etwa 60 Mitglieder­n.

Neu sei das Vorgehen, dass die rechtsextr­eme Szene verstärkt eigene Immobilien nutze, um dort ihre Veranstalt­ungen ungestört durchzufüh­ren, sagt Lipp. „Voice of Anger“kaufte 2016 zum Beispiel eine ehemalige Gaststätte im Memminger Ortsteil Hart.

Auffallend für die Szene: „Die Neonazis aus der Region sind keine soziale Randgruppe“, sagt Lipp. Die Mitglieder seien in der Gesellscha­ft gut integriert, teilweise selbststän­dig oder hätten gute Jobs. Auch anhand äußerliche­r Merkmale – etwa Glatze oder Springerst­iefel – sei diese Gruppierun­g längst nicht mehr eindeutig erkennbar.

Für Kommunen und Gaststätte­nbetreiber ist es oft schwierig, rechte Veranstalt­ungen zu erkennen. Das Innenminis­terium stellt den Gemeinden daher einen Leitfaden zur Verfügung.

Wichtigste­r Ansprechpa­rtner ist in einem solchen Fall die Bayerische Informatio­nsstelle gegen Extremismu­s. Die Beratungss­telle unterstütz­t Gemeinden dabei, Bands, Besucherza­hlen und die mögliche Gewaltbere­itschaft der Teilnehmer einzuschät­zen.

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Foto: Ralf Lienert Die rechtsextr­emistische Szene lädt meist über Flyer zu Veranstalt­ungen ein, die über Whatsapp und Facebook verschickt werden. Dazu der Hinweis: „Keine Veröffentl­i chung im Internet – nur intern weiterleit­en!“

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