Mittelschwaebische Nachrichten
Braune Töne im Allgäu
Der Verfassungsschutz beobachtet vier Bands aus der Region. Kürzlich verhinderten die Sicherheitsbehörden ein Rockkonzert in Memmingerberg
Allgäu Vier Allgäuer Bands werden vom bayerischen Verfassungsschutz aufmerksam beobachtet. Dazu zählen die Gruppen Faustrecht (Mindelheim), Kodex Frei (Kempten), die Prolligans sowie die inaktive Band Hard as Nails. Zu letzteren werden keine Ortsangaben genannt.
Songtexte der rechtsradikalen Szene sind meist rassistisch, ausländerfeindlich und nationalistisch geprägt. Sie stacheln zu Gewalt an. Selbst wenn Konzerte ohne Zwischenfälle verlaufen, sei das „Radikalisierungspotenzial derartiger Musikveranstaltungen langfristig nicht zu unterschätzen“, heißt es bei der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE), einer staatlichen Beratungsstelle. Die bayerische Polizei gehe konsequent gegen Veranstaltungen der rechten Musikszene vor, um „politisch motivierte Kriminalität“zu vermeiden. Wie jüngst in der Gemeinde Memmingerberg. Dort sollte ein nicht genehmigtes Rechtsrockkonzert stattfinden. Wie die Polizei meldete, untersagten die Sicherheitsbehörden – Polizei, Landratsamt und Verwaltungsgemeinschaft – die „konspirativ durch Flyer beworbene, jedoch nicht bei den Behörden angezeigte öffentliche, rechtsextreme Veranstaltung im Vorfeld per Allgemeinverfügung“. Allerdings war das nur ein kurzfristiger Erfolg.
Die Organisatoren – die rechte Skinhead-Kameradschaft „Voice of Anger“(Stimme des Zorns) – verlegten ihr Konzert daraufhin nach Aichstetten im baden-württembergischen Nachbarlandkreis Ravensburg. Der dortige Bürgermeister nahm in einer Gemeinderatssitzung Stellung zu dem Konzert: Es sei „extrem unangenehm, aber in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat hinzunehmen“. Das Innenministerium weist in diesem Zusammenhang lediglich auf das Polizeiund Ordnungsrecht der jeweiligen Bundesländer hin.
„Die Behörden müssten ein einheitliches Vorgehen abstimmen“, sagt Szenekenner und Journalist Sebastian Lipp, der den antifaschistischen Blog „Allgäu rechtsaußen“betreibt und dort die Aktivitäten von Neonazis im Allgäu kritisch dokumentiert. Die Anzahl der Konzerte nehme zu. „Die Besucher werden bei solchen Konzerten zum Hitlergruß animiert oder es wird gegen Juden gehetzt“, sagt Lipp.
Musik habe eine zentrale Bedeutung für die rechtsextremistische Szene. Musik sei ihr Sprachrohr und diene dazu, die Gruppenidentität zu stärken. Vor allem würden Konzerte genutzt, um Nachwuchs zu werben, erklärt die Beratungsstelle BIGE.
Die Neonazi-Szene im Allgäu wird zwar kaum wahrgenommen, aber es gibt sie. Mehr noch: Das Allgäu gilt sogar als ein Schwerpunkt der rechtsextremen Szene. „Voice of Anger“hat ihren Aktionsradius vor allem im Raum Memmingen und Kempten. Sie ist nach Angaben der BIGE „die größte noch aktive Skinheadgruppierung in Bayern“mit etwa 60 Mitgliedern.
Neu sei das Vorgehen, dass die rechtsextreme Szene verstärkt eigene Immobilien nutze, um dort ihre Veranstaltungen ungestört durchzuführen, sagt Lipp. „Voice of Anger“kaufte 2016 zum Beispiel eine ehemalige Gaststätte im Memminger Ortsteil Hart.
Auffallend für die Szene: „Die Neonazis aus der Region sind keine soziale Randgruppe“, sagt Lipp. Die Mitglieder seien in der Gesellschaft gut integriert, teilweise selbstständig oder hätten gute Jobs. Auch anhand äußerlicher Merkmale – etwa Glatze oder Springerstiefel – sei diese Gruppierung längst nicht mehr eindeutig erkennbar.
Für Kommunen und Gaststättenbetreiber ist es oft schwierig, rechte Veranstaltungen zu erkennen. Das Innenministerium stellt den Gemeinden daher einen Leitfaden zur Verfügung.
Wichtigster Ansprechpartner ist in einem solchen Fall die Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus. Die Beratungsstelle unterstützt Gemeinden dabei, Bands, Besucherzahlen und die mögliche Gewaltbereitschaft der Teilnehmer einzuschätzen.