Mittelschwaebische Nachrichten
„Eisenfuß“Höttges und sein Trauma
Der ehemalige Nationalspieler hatte beim legendären WM-Finale 1966 einen rabenschwarzen Tag. Doch der Verteidiger revanchierte sich dafür
Horst-Dieter Höttges spricht immer noch von einem „Trauma“, wenn es um dieses denkwürdige Spiel geht. Dieser verdammte 30. Juli 1966. Es war der Tag, als England zum letzten Mal ein großes Fußball-Turnier gewann. Und Höttges stand auf dem Rasen. Dort, wo deutsche Spieler hemmungslos weinten, als sie wegen eines Tores verloren hatten, das nie und nimmer eines war. Über den 4:2-Sieg der Engländer wird bis heute immer wieder einmal diskutiert. In den Medien oder an den Stammtischen der Republik. Höttges war damals mittendrin und war nach Spielende der unglücklichste Spieler im ganzen trauernden Haufen. Sein Gegenspieler Geoff Hurst schoss nicht nur das mittlerweile sagenumwobene „dritte Tor“, sondern auch noch zwei weitere an diesem sonnigen Nachmittag. „Für viele war ich danach der größte Verlierer“, sagte Höttges später einmal. Doch für Höttges, dem man aufgrund seiner rustikalen Spielweise, den Spitznamen „Eisenfuß“verpasste, hieß es Mund abputzen und weitermachen. Und für ihn, der 1964 von Borussia Mönchengladbach zu Werder Bremen wechselte und dort 14 Jahre kickte, blieb noch viel Zeit, sich für die Schmach von Wembley zu rehabilitieren. Das gelang ihm auf eindrucksvolle Weise. Höttges, der heute seinen 75. Geburtstag feiert, ist noch immer der einzige Werder Spieler, der bei vier großen Turnieren im Einsatz war. Bei den Weltmeisterschaften 1966, 1970 und 1974 sowie bei der Europameisterschaft 1972. Der 66-fache Nationalspieler wurde dabei einmal Weltmeister (1974) und einmal Europameister (1972) und gehört dadurch zu den erfolgreichsten deutschen Fußballern. Bei der EM 1972 in Belgien revanchierte sich dann Höttges gnadenlos bei Geoff Hurst. Der 29. Juni 1972 wurde für Deutschland zu einem historischen Ereignis. Denn bei diesem Viertelfinale gelang es erstmalig, die Engländer, und das noch auf dem „heiligen Rasen von Wembley“, zu besiegen. 3:1 gewann Deutschland und Höttges kochte Geoff Hurst ab.
In der Bundesliga war für Höttges, der in Mönchengladbach geboren wurde, der unangenehmste Gegenspieler Reinhard „Stan“Libuda. „Der Kerl hat mich regelmäßig nassgemacht. Der war sogar zu schnell, um ihn zur Strafe über die Seitenlinie zu grätschen“, so Höttges einmal in einem Interview. Allerdings bezog sich dies nur auf die Heimspiele von Libuda. Wenn der Flügelflitzer in Bremen antreten musste, sah es ganz anders aus: „Da hätte ich ihm jedes Mal eine Rolle Klopapier in die Kabine bringen müssen, so oft wie er sich in die Hosen gemacht hat.“Im Jahr 1978 beendete Höttges, der mit seiner Frau Inga zwei Söhne hat, seine Karriere und trainierte danach noch einige Zeit die U15 von Werder Bremen. Sofern es für ihn möglich ist, geht er immer noch zu den Spielen von Werder Bremen („Ich liebe Werder wirklich“) ins Stadion. Weit über 100 Prominente gratulierten ihm zu seinem 70. Geburtstag. Am 75. werden es nicht weniger sein.