Mittelschwaebische Nachrichten
Warum zehn Männer gebraucht werden
Nicht nur in jüdischen Gemeinden werden Beter gesucht
Krumbach Ein Pfarrer stellt fest, dass sich nur ein Kirchenbesucher zum Gottesdienst eingefunden hat. Auf die Frage: „Sollen wir die Predigt heute ausfallen lassen?“meinte der Bauer: „Auch wenn ich nur ein Huhn habe, muss ich es trotzdem füttern“. Am Ende des Gottesdienstes meinte der Bauer trocken: „Wenn ich nur ein Huhn zu füttern habe, dann schütte ich ihr keinen ganzen Sack von Körnern hin“. Mit anderen Worten: Eine kurze Predigt hätte es auch getan.
Vor dieser Entscheidung wäre man in einer Synagoge nicht gestanden, denn im Judentum müssen wenigstens zehn Männer anwesend sein, dass ein Gottesdienst stattfinden kann. Die Zahl zehn hängt damit zusammen, dass zehn Gerechte die Städte Sodoma und Gomorrha vor dem Untergang bewahrt hätten. Zehn Beter retten gewissermaßen die Welt. Es war der Patriarch Abraham, der mit Gott um die Rettung der beiden dem Untergang geweihten Städte gerungen hat. Er fragte Gott, ob die Städte gerettet würden, wenn 50 Gerechte in ihr leben. Dies bejahte Gott. Es ist ein regelrechtes Feilschen, bei dem Abraham immer weiter heruntergeht. Selbst bei zehn Gerechten würden die Städte verschont, aber sie sind nicht vorhanden. Da gibt Abraham auf, aber Lot und seine Familie kann er noch retten, bevor die Städte vernichtet werden.
Bei großen jüdischen Gemeinden wie in Berlin oder München scheint es einfach immer zehn Männer zusammenzubringen, trotzdem kommt es auch hier hin und wieder zu Engpässen, sodass der Gottesdienst ausfallen muss. Allerdings kann man heute mit dem Handy doch noch so viele zusammentrommeln, dass der Gottesdienst stattfinden kann. Die jüdischen Gemeinden haben von jeher aber auch sogenannte Minjanhim gekannt, das waren minderbemittelte Männer, die von reichen Leuten unterstützt wurden, damit sie an ihrer Stelle zum Gebet gehen und so die Feier garantierten. Solche zuverlässigen Beter gibt es nicht nur in kleinen Gemeinden, sondern auch in der Großstadt. Gefragt wie hoch die Entschädigung ausfällt, gibt es keinen bestimmten Betrag, aber die Kosten einer Fahrkarte mit der U-Bahn und ein Mittagessen müsse man für einen solchen Stellvertreter schon ausgeben.
Es gab im Ostjudentum sogenannte „Schnorrer“, die es direkt darauf abgesehen hatten, von jemand in den Gottesdienst geschickt zu werden. Sie haben sich auf diese Weise ihren Lebensunterhalt verdient. Schnorrer boten den reichen Juden die Möglichkeit, etwas Gutes zu tun und so ihren sozialen Verpflichtungen nachzukommen. Glaubensgenossen gilt es zu unterstützen. Ein „Schnorrer“ist deshalb kein gewöhnlicher Bettler, sondern ein achtenswerter Mitmensch, mit dem es das Schicksal nicht so gut gemeint hat.
Waren die frommen Stiftungen des Mittelalters nicht etwas ähnliches? Wer etwa in der Fuggerei in Augsburg eine billige Wohnung bekam, der sollte auch täglich zu heiligen Messe gehen und für die Wohltäter beten. Das ganze Benefizienwesen der katholischen Kirche hängt damit zusammen, dass man eine Stiftung macht zu dem Zweck, dass nach dem Tod des Stifters für diesen gebetet wird. Klöster verdanken nicht selten ihre Gründung diesem Ziel.
Mancher Gottesdienst in unseren Pfarrkirchen könnte nicht stattfinden, wenn er daran gebunden wäre, dass zehn Männer da sein müssen, aber Jesus ist schon mit weniger zufrieden: „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“. Dass man Gottesdienstbesucher bezahlt, wenn sie einen besonderen Dienst übernommen haben, ist auch uns nicht fremd. Die Idee einen anderen stellvertretend zur heiligen Messe zu schicken und ihn dafür zu entschädigen, wäre vielleicht keine ganz schlechte Idee, allerdings muss man vorsichtig sein, denn sonst könnte schnell die Steuerfahndung aufkreuzen, um Nachforderungen zu stellen.