Mittelschwaebische Nachrichten
Kurz pusten und der Pfeil fliegt
Dass Blasrohrschießen und Münsterhausen gut zusammenpassen, hat unsere Redakteurin im Selbstversuch erfahren. Worauf es bei diesem außergewöhnlichen Hobby ankommt
Münsterhausen Blasrohrschießen. Das gehört für mich an den Amazonas, wo Indios mit Blasrohren, die mit vergifteten Pfeilspitzen bestückt sind, Vögel und kleine Affen in den Baumwipfeln jagen. Und große wilde Tiere wie Löwen oder Elefanten werden mit Blasrohren betäubt, wenn sie in freier Wildbahn mit irgendwelchen Sendern ausgestattet werden – von Tierärzten in Safarikleidung. Zum Schützenverein Edelweiß in Münsterhausen fallen mir Männer und Frauen ein, die mit Gewehren auf Zielscheiben schießen, König oder Königin werden und mit einer Kette aus Medaillen, Brezen oder Weißwürsten behängt werden. Und jetzt gehe ich zum Blasrohrschießen dorthin. Mal sehen, wie bayerische Tradition, Amazonas und Großwildjagd zusammenpassen.
„Schützenkönig“steht auf dem Parkplatz vor dem Vereinsheim. Den nehme ich mal besser nicht. Zum Schützenkönig reicht es bei mir nicht mal im Ansatz, denn geschossen – egal mit was – habe ich bislang noch gar nie. „Besser so“, sagt dann auch Schriftführerin und Jugendleiterin Anita Atzkern, die mit Sportleiter Horst Haider schon wartet. „Das hätte eine Runde gekostet.“Jugendschützenkönigin Luzie Atzkern moniert sogleich, dass ein entsprechender KönigsParkplatz für die Schützenkönige im Jugendbereich fehlt.
Im Schützenheim ist alles vorbereitet. Die Blasrohre aus Metall liegen auf dem Tisch, Pfeile, die aussehen wie Schaschlikspieße mit einem Plastikpfropfen, stehen im Glas bereit. Vor der Wand sind Zielscheiben aufgestellt. Horst Haider legt sofort los mit dem Erklären. Das Zielen mit dem Blasrohr sei etwas ungewöhnlich, weil das Zielfernrohr fehle, meint er. Ich bremse ihn. Wie gesagt, ich habe noch nie geschossen, noch nie ein Zielfernrohr benutzt. Er holt ein Luftgewehr und legt es auf meine Schultern.
Es handelt sich um eine leichtere Jugendvariante. Ziemlich schwer scheint mir das Ganze trotzdem. Ich sehe zwar das Zielfernrohr, wirklich durchsehen kann ich aber nicht. Das Luftgewehr wackelt in alle Richtungen auf meiner Schulter. Die grobe Richtung kann ich anpeilen, das heißt, die Wand würde ich wohl treffen, die Zielscheibe aber sicher nicht und Horst Haider redet von tausendstel Millimetern, um die es hier geht. Dass man lange trainieren muss, um Erfolge zu haben, glaube ich sofort. Aber ich bin ja wegen des Blasrohres gekommen, das schon auf dem Tisch bereitliegt.
Zuerst muss ich aber wissen: Wieso wird in Münsterhausen jetzt mit dem Blasrohr geschossen? „Wir wollten zusätzlich etwas Neues machen“, sagt der Sportleiter. Und da bot sich das Blasrohr an? „Low tec und high fun“, fasst er die Vorteile zusammen. Das soll heißen: Man braucht nur die Metallrohre, Mundstücke, die ausgewechselt und in der Spülmaschine gereinigt werden können, eben jene schaschlikspießartigen Pfeile und eine Zielscheibe. Das sei kostengünstig und, was Horst Haider immer wieder betont, sehr nachhaltig. Es entsteht kein Müll. Außerdem mache es viel Spaß, eben auch all jenen, die nicht schießen oder, die noch zu jung sind, um ein Luftgewehr oder eine Luftpistole benutzen zu dürfen.
Den Spaß werde ich testen. Jugendschützenkönigin Luzie Atzkern nimmt ein Blasrohr, lässt den Pfeil hineingleiten, zielt, pustet kurz und trifft. So geht das also. Hoffentlich habe ich auch so einen starken Luftausstoß wie Luzie. Sie geht joggen und spielt Klarinette, erklärt mir Anita Atzkern. Das sei schon von Vorteil. Ich fürchte schon, dass mein Pfeil im Rohr stecken bleibt oder schwunglos auf den Boden fällt, weit vor der Zielscheibe. Normalerweise ist sie zehn Meter entfernt. Heute ist der Abstand etwas verkürzt. Zum Glück.
Ich probiere es. Pfeil ins Rohr, ein bisschen wackeln, damit er an der Inhalationssicherung einhakt (so kann der Pfeil nicht eingeatmet werden), Mundstück an den Mund, Richtung anpeilen, einatmen, reinpusten und der Pfeil saust tatsächlich zur Scheibe und steckt fest. Ich habe es geschafft, zumindest den Zielbereich habe ich getroffen, wenn auch keinen Ring.
Das muss ich gleich noch mal probieren. Und noch mal und dann noch mal. Das Glas mit den Pfeilen leert sich langsam. Zwischendurch schießen die anderen. Sie treffen deutlich besser, aber auch ich arbeite mich voran. Mein Pfeil trifft einen von Horst Haiders Pfeilen, der im Zentrum der Zielscheibe steckt. Meiner fällt leider auf den Boden. „Der wäre gut gewesen“, sagt der Sportleiter. Eigentlich wollte ich schon aufhören, aber jetzt muss ich es doch noch einmal wissen. So langsam stellt sich Erfolg ein. Ich treffe endlich ins „Gelb“– und jetzt höre ich auf. Wenn es am besten läuft, soll man aufhören, heißt es ja. Es hat richtig Spaß gemacht und vor allem hat sich schnell ein Erfolg gezeigt.
Dass das Blasrohrschießen im Sommerprogramm von den Kindern gut angenommen wurde, ist verständlich: Ein bisschen Wettkampf und schnelle Erfolge sind ein Garant dafür. Und es trainiert die Konzentration, die Auge-HandKoordination und durch das gezielte Ausatmen auch Herz und Lunge, betont Horst Haider – das ist der Bereich, der dann eher die Eltern der Kinder interessiert. Als ich zu Hause von meinen Blasrohrerfahrungen berichte, schlägt mir Erstaunen entgegen. Ob ich in meiner Jugend denn nie ein Blasrohr gebaut hätte? Nein, habe ich nicht. Aber ich erinnere mich wieder an diverse „Wettkämpfe“in der Schule mit ausgehöhlten Stiften und Kügelchen. Das war damals nicht so mein Ding. Aber einige Mitschüler waren sehr aktiv. Ich glaube, ich hätte in Sachen Blasrohr gar nicht bis zum Amazonas denken müssen.
Joggen hilft beim Blasrohrschießen