Mittelschwaebische Nachrichten
Hang zu Populismus
Studie Jeder dritte Deutsche ist empfänglich für sogenannte „einfache Lösungen“
Berlin In der politischen Arena ist „Populismus“ein Kampfbegriff, um Stammtisch-polterer und unrealistische Vorschläge abzuqualifizieren. Doch auch Wissenschaftler nutzen den Begriff, um bestimmte Positionen und Kommunikationsmuster zu beschreiben. Die Deutschen waren gegen Populismus lange Zeit weitgehend immun – anders als viele Eu-bürger in Italien, Österreich, Ungarn oder Frankreich.
Doch das ändert sich gerade. Und zwar obwohl die Wirtschaft brummt und die Arbeitslosenquote so niedrig wie lange nicht ist. Drei von zehn Wahlberechtigten sind laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung „populistisch eingestellt“. Das sind etwa vier Prozent mehr als im Vorjahr. Auch die „Intensität“dieser Einstellung habe zugenommen, stellen die Forscher fest.
Populismus ist aus wissenschaftlicher Sicht eine „dünne Ideologie“, bei der die Gesellschaft in zwei Gruppen aufgeteilt wird: Hier das „reine Volk“. Dort die „korrupte Elite“. Hinzu kommt die Kritik an den politischen Eliten, dem sogenannten Establishment. Darunter fallen Politiker, Wirtschaftsbosse und Journalisten. Ein dritter Aspekt ist die Vorstellung, es existierten einheitliche Meinungen sowohl auf der Seite des Volkes als auch bei der politischen Elite. Für Meinungsvielfalt ist im Populismus kein Platz.
Daraus ergibt sich eine oft diffuse Unzufriedenheit mit dem aktuellen politischen Angebot. Und eine Sehnsucht nach einfachen Lösungen in einer immer komplexer werdenden Welt. Davon profitiert in Deutschland laut Studie derzeit am stärksten die AFD. Aber auch die Linkspartei kann bei den Populisten punkten. Für die mitgliederstarken Traditionsparteien CDU, CSU und SPD wird dieser Trend dagegen zunehmend zum Problem.
Die Grünen sind nach Einschätzung der Forscher die Partei, die am wenigsten populistische Positionen im Angebot hat. Das sei für die Grünen aber kein Problem, da ihre Anhängerschaft fast ausschließlich dem Drittel der Bevölkerung zuzurechnen sei, das für populistische Parolen absolut unempfänglich ist.
Wie haben die Forscher das festgestellt? Das Institut Infratest dimap hat im Auftrag der Stiftung mehr als 3400 Wahlberechtigte befragt. Sie sollten angeben, welche Partei sie bei der Bundestagswahl 2017 gewählt haben und wo sie sich auf einer Links-rechts-skala selbst verorten. Außerdem sollten sie bestimmte Aussagen bewerten – zum Beispiel zur Frage der „Volkssouveränität“und zur Einschätzung der politischen Elite.
Sieben von zehn Wahlberechtigten, die populistische Positionen gut finden und sich selbst politisch rechts verorten, wählen demnach die AFD. Dass die Partei von Alexander Gauland und Jörg Meuthen trotz der teilweise rechtsnationalen Äußerungen ihrer Spitzenfunktionäre auch in der politischen Mitte Wähler mobilisieren kann, liegt nach Einschätzung der Forscher am populistischen Angebot der Partei, die sich – obgleich inzwischen in fast allen Parlamenten vertreten – weiterhin als Speerspitze der Bürger im Kampf gegen das sogenannte „Establishment“inszeniert.