Mittelschwaebische Nachrichten
Die feine englische Art
Test Schön können sie, die Briten. Aber auch gut? Eine Ausfahrt mit dem Velar, dem jüngsten und nobelsten Range Rover
Das „schönste Auto der Welt“zu bauen, haben schon viele Hersteller von sich behauptet. Oft war dabei der Wunsch der Vater des Gedankens. Ganz anders beim Range Rover Velar, der den Titel als einziger zu Recht tragen darf. Zumindest dann, wenn es nach der Jury des „World Car Design of the Year Award“geht, die den Velar im Jahr 2018 zum Schönheitskönig erklärte, gefolgt übrigens vom Volvo XC60.
Die Party dürfte umso rauschender ausgefallen sein, als dass der Range Rover Velar den Titel im eigenen Hause hält. 2017 hatte die Schwestermarke Jaguar mit dem F-pace triumphiert. Schön können sie, die Engländer.
Auch optisch ordnet sich der Velar zwischen dem Evoque und dem Range Rover Sport ein, wobei er dem großen Bruder viel näher kommt als dem kleinen. So ist der Neuling nur acht Zentimeter kürzer (und rund 10000 Euro „billiger“) als das Flaggschiff. Angesichts von 4,80 Metern Länge und 2,03 Metern Breite beim Velar noch von einem „mittelgroßen SUV“zu sprechen, kann allein mit britischem Understatement gerechtfertigt werden.
Das haben die Designer im Velar zur Kunstform erhoben. Lieber eine Linie, eine Kante, einen Schalter weglassen als den Wagen mit immer mehr unsinnigen Details aufzuladen, so die Maxime. Das beste Beispiel für reduziertes Design in Perfektion: die komplett versenkbaren Türgriffe. Glatter, purer, eleganter kann man ein so banales Ding wie
Packende Präsenz: der Range Rover Velar.
eine Autotür nicht machen. Das Gesicht des Autos vermittelt die Range-rover-typische, packende Präsenz – ein Spiegelbild der Attitüde jener Menschen, die vom Leben schon immer mehr erwartet, oft mehr bekommen haben und sich das auch zu zeigen trauen. Ähnliche „Ihr-könnt-mich-alle-mal“-suvs vertreibt wohl nur noch die brachiale Mercedes-tochter AMG.
Die bietet wohl mehr Sportlichkeit, aber weniger Extravaganz als der Range Rover, der in seiner unglaublichen Klarheit auch im Interieur fasziniert. Um die zwei großen, untereinander angeordneten pechschwarzen Touchscreens ver- sich nur ein Minimum an Reglern und Schaltern. Trotzdem – oder gerade deshalb – ist das Auto intuitiv bedienbar. Wenn sich der Velarfahrer einmal ärgern muss, dann höchstens, weil ein paar Staubkörner sich auf dem Klavierlack niedergelassen haben. Optisch und haptisch ein Highlight: die unterschiedlichen, teils geprägten Textil- und Lederbezüge. Ehrensache, dass sich die Sitze kühlen und für eine Massage hernehmen lassen. Allein Windgeräusche an der A-säule, die ab 120 km/h im Testwagen auftraten, stören die Wellness-atmosphäre.
Um das Platzangebot muss man sich in einem großen Range Rover keine Sorgen machen. Auch der Velar verwöhnt seine Insassen mit einem tollen Raumgefühl und einem Kofferraumvolumen, das bei mindestens 673 Litern liegt. So viel Platz und Komfort – das schlägt sich im Gewicht nieder. Hier bleibt der Brite mit Werten um die 1,9 Tonnen gerade noch im Lot.
Allerdings sollte sein Besitzer den richtigen Motor bestellen. Zur Wahl stehen vier Diesel und zwei Benziner; alle erfüllen Euro 6d temp, hängen an einer Achtgang-automatik und Allrad. Außer dem Einstiegspreis von 55470 Euro dürfte wenig für den nur 180 PS starken Basisselbstzünder sprechen. Unser Testliert wagen war mit dem stärksten Benziner ausgerüstet, einem doppelt aufgeladenen Vierzylinder. Seine 300 PS ermöglichen standesgemäße Fahrleistungen, doch fehlen dem Aggregat in einem Auto dieses Prestiges zwei Töpfe. Zu angestrengt klingt der Motor. Und angesichts eines realen Verbrauchs von gut zwölf Litern, selbst bei defensiver Fahrweise, verfehlt die Schrumpfkur in Sachen Effizienz ihre Wirkung. Land Rover wird gute Gründe gehabt haben, das Volumen der Benzintanks von 63 auf 82 Liter zu erhöhen.
Doch keine Sorge; V6-motoren finden sich ja, und zwar in der Diesel-fraktion. Der neueste Vertreter mit 275 PS bietet sich an, sein 300-Ps-bruder wohl noch mehr. Als „R-dynamik HSE“– und auf nichts anderes als diese Top-version steht die Klientel – werden 87 530 Euro fällig. Schönheit hat ihren Preis.